# taz.de -- François Hollande als Comicfigur: Le Président im ständigen Fegefeuer
       
       > Die Kritik an Frankreichs unnahbarem Präsidenten Hollande treibt
       > künstlerische Blüten. In zwei neuen Comics wird er genüsslich aufs Korn
       > genommen.
       
 (IMG) Bild: Wer das Amt hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
       
       Robert Musils Hauptfigur in „Der Mann ohne Eigenschaften“ und der
       französische Präsident François Hollande haben einiges gemein. Beiden
       scheint die Inspiration zu fehlen. Ulrich scheitert in Musils Epochenroman
       daran, dass er sein Leben nicht wirklich ausfüllen konnte, obwohl er
       Perspektiven hatte.
       
       Hollande scheitert momentan daran, seinem Land eine Perspektive zu bieten,
       um die wirtschaftliche Krise zu meistern. Jüngstes Beispiel: die Aufregung
       um Marseille, seine Gewalt und die Hoffnungslosigkeit vieler seiner
       Bewohner. Frankreichs Wirtschaft lahmt und die Arbeitslosigkeit ist auf
       Rekordniveau. Hollande wird als Zauderer wahrgenommen, als jemand, dem
       Ideen fehlen.
       
       Eine ganze Flut von Biografien hatte im Jahr seiner Amtseinführung 2012 den
       Buchmarkt überschwemmt. Nun erscheinen Polit-Thriller wie „La nuit de la
       faillite“ (Die Nacht des Bankrotts), in denen der Präsident gleich zu
       Beginn so charakterisiert wird: „Eine einzige Bedingung wurde ihm
       abverlangt: Nie seinen Gemütszustand zeigen; handeln, als wäre er frei von
       Anfälligkeiten; als hätte er keine eigene Persönlichkeit.“
       
       Gleiches ist nun auch in zwei Comics thematisiert. Der eine ist eine
       Persiflage auf Hollandes politischen Werdegang, der andere eine Parodie
       seines Privatlebens. Der Comic-Band „Moi, Président – ma vie quotidienne à
       l’Élysée“ (Ich, als Präsident – mein Alltag im Élysée) zeigt Hollande in
       ständiger Begleitung zweier Engel, die über seinen Schultern schweben und
       alle politischen Entscheidungen kommentieren.
       
       Der eine entspricht Hollandes berühmtem Ahnen, dem früheren französischen
       Präsidenten François Mitterand, der andere ist dessen damaliger
       Premierminister Pierre Bérégovoy. Hollande, unfähig eigene Entscheidungen
       zu treffen, zweifelt unaufhörlich und wird von den beiden Engeln beraten –
       mal angespornt, mal zurückgepfiffen.
       
       Politische Machtspielchen versetzen Hollande in der Bildgeschichte „Moi,
       Président – ma vie quotidienne à l’Élysée“ in einen gelähmten, fast
       lethargischen Zustand. Seine Gedanken schweifen ständig in die
       Vergangenheit. Er erinnert sich an Diskussionen über politische Ideale mit
       alten Studienfreunden der Elite-Schmiede École nationale d’administration
       (ENA), die schon Hollandes Vorgänger Valéry Giscard d’Estaing und Jacques
       Chirac hervorbrachte. Hollande, mehr elitärer Theoretiker denn
       hemdsärmeliger Macher.
       
       ## Hollande und die Frauen
       
       In „Hollande et ses 2 femmes“ (Hollande und seine beiden Frauen) hingegen
       wird das Liebesleben des Präsidenten beleuchtet. Seine Parteikollegin,
       Expartnerin und Mutter der gemeinsamen vier Kinder, Ségolène Royal, ist
       zerfressen von Neid und hofft selbst auf ein hochrangiges politisches Amt.
       Royal will dank Hollandes Macht aufsteigen, doch ihre Träume werden
       durchkreuzt. Seine jetzige Lebensgefährtin, die Journalistin Valérie
       Trierweiler, intrigiert aus Eifersucht unaufhörlich gegen ihre Rivalin.
       
       So lebt Hollande in einem ständigen Fegefeuer. Und muss zusehen, wie er
       „seine“ beiden Frauen in Schach hält. Das ständige Taktieren, der Versuch,
       es beiden Frauen recht machen zu wollen, führt schließlich dazu, dass
       Hollande sich kaum auf das Politikgeschäft konzentrieren kann.
       
       In „Hollande et ses 2 femmes“ gibt es eine schöne Szene, in der die beiden
       politischen Berater des Präsidenten – mit Blick auf die miesen Umfragen und
       die wachsende Unzufriedenheit der Franzosen – Hollande dazu auffordern,
       über eine Kabinettsumbildung nachzudenken. Hollande rätselt: „Soll ich
       jetzt die Regierung umbilden oder die Familie?“
       
       ## Ihr Fett abbekommen
       
       Dass der Präsident zur Hauptfigur eines Comics wird, hat in Frankreich
       Tradition. Die Autoren sind oftmals angesehene Journalisten, auch aus dem
       investigativen Bereich. So ist zum Beispiel die Autorin von „Moi,
       Président“, Marie-Ève Malouines, Politikressortleiterin beim Radiosender
       France Info. Ob sie es mögen oder nicht, französische Politiker müssen
       damit leben, Comic-Helden zu werden. Schon Hollandes Vorgänger Jacques
       Chirac und Nicolas Sarkozy haben ihr Fett abbekommen.
       
       Das Erscheinen der beiden Hollande-Comics nach nur einem Jahr Amtszeit
       zeigt, wie groß das Interesse ist, diesen Mann zu beleuchten, der noch nie
       zuvor ein Ministeramt bekleidet hat. Bislang ist er der große Unbekannte
       geblieben.
       
       Als 2012 das Buch „L’homme qui ne devait pas être président“ (Der Mann, der
       nicht Präsident sein sollte) von Antonin André und Karim Rissouli erschien,
       haben die Autoren vor der Veröffentlichung mit Hollande gesprochen und ihm
       eine Frage gestellt: „Wer, außer ihm selbst, kennt François Hollande?“
       Dieser antwortete: „Ich weiß es nicht. Ich sage sehr wenig. […] Ich bin
       sehr redselig, aber beim Wesentlichen, über mich, sage ich nichts.“ Nach
       außen hin tut Hollande jedoch alles, um als Macher wahrgenommen zu werden.
       
       So tourte Hollande diesen Sommer durch die Provinzen. Das sollte der
       urlaubenden Bevölkerung zeigen, le président faulenzt nicht am Strand. Eine
       Lehre, die er aus dem vergangenen Jahr gezogen hatte, als ihn Paparazzi
       dabei ertappten, wie er und seine sich im Bikini räkelnde Lebensgefährtin
       an der Côte d’Azur sonnenbadeten. Hollandes wochenlange „Tour de France“
       stößt allerdings – typisch – wieder auf Kritik, weil allzu offensichtlich
       war, dass er damit lediglich auf den medialen Effekt abzielte.
       
       Im Nachwort von „Der Mann ohne Eigenschaften“ schreibt Robert Musil in
       einem anderen Zusammenhang: „Die Leute verlangen, dass Ulrich etwas tut.“
       Na denn mal los, François.
       
       27 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maryam Schumacher
       
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