# taz.de -- Frankreichs Ex-Präsident als Bestseller: Fürchtet euch nicht
       
       > Macht scheint vor allem eins: anziehend. Zumindest wenn man nach der
       > Strandlektüre in Frankreich geht. Da ist Nicolas Sarkozy ein klarer
       > Favorit.
       
 (IMG) Bild: Bücher kamen später: Nicolas Sarkozy und der gerade gewählte Präsident François Hollande 2012
       
       Wer sich in diesen Tagen an einem französischen Strand aufhält und beim
       Durch-den-Sand-Schlendern einmal darauf achtet, was die Menschen so in den
       Händen halten, also zumindest jene, die lesen und nicht gerade versuchen,
       ihre braun gebrannten Beine zu fotografieren, dem wird ein Buch besonders
       häufig auffallen: Es ist groß, dick, blass lila bis hellgrau, am unteren
       Teil sieht man einen etwas älteren Mann im weißen Hemd vor einem frisch
       grünen Busch lächeln, über ihm steht in Weinrot [1][„Passions“]. Der Mann
       auf dem Bild ist Nicolas Sarkozy, der Ex-Ex-Präsident Frankreichs; sein
       Buch, eine Art politische Autobiografie, ist der Bestseller des Sommers.
       
       220.000 Stück will der Verlag innerhalb eines knappen Monats verkauft
       haben, vor ein paar Tagen gingen 40.000 neue Exemplare in den Druck. Und
       man muss sich da am Strand fragen: Was ist das bloß mit den Franzosen und
       ihren Ex-Präsidenten, die sie leidenschaftlich hassen, solange sie im Amt
       sind, und spätestens zwei Legislaturperioden später vermissen. Aber vor
       allem fragt man sich, frage zumindest ich mich: Warum wollen die Leute
       diese Bücher lesen?
       
       Denn „Sarko“ ist ja bei Weitem keine Ausnahme. Man könnte sogar eine
       Faustregel aufstellen: Ein Verlag, der dem Untergang nahe ist, muss nur
       einen Ex-Präsidenten finden, der seine Erinnerungen aufschreiben will,
       und schon steht der Bestseller im Programm.
       
       ## Wenn er doch geschwiegen hätte
       
       Im vergangenen Jahr hatte zum Beispiel das Haus Stock (auch ohne den
       nahenden Untergang) zu diesem Trick gegriffen. Sie animierten François
       Hollande dazu, seine „Leçons du pouvoir“, also die „Lehren der Macht“, zu
       schreiben, statt erst einmal ein paar Jahre zu schweigen, wie es sich nach
       einer so desaströsen Präsidentschaft gehört hätte. Das Memoir verkaufte
       sich um die 150.000 Mal, Hollande tourte durch ganz Frankreich, sogar durch
       die Supermärkte der Provinz, und erzählte allen, die es hören wollten, wie
       falsch sein Nachfolger dieses Land doch regiere und wie haushoch er gegen
       ihn gewonnen hätte, hätte er es wirklich gewollt. Nun ja.
       
       Vor ihm ging Nicolas Sarkozys erster Anlauf, „La France pour la vie“, im
       Jahr 2016 250.000 Mal über die Ladentheke, Jacques Chirac verkaufte von
       „Chaque pas doit être un but“ 370.000 Stück und Valérie Giscard d’Estaing,
       bekanntlich der literarischste unter den Präsidenten, schrieb gleich drei
       Bände „Pouvoir et la Vie“, die insgesamt 900.000 Käufer fanden.
       
       Und auf Platz eins steht, nein, nicht Mitterrand, sondern Charles de
       Gaulle: Als er 1970, ein Jahr nach seinem Abgang, den ersten Teil seiner
       Memoiren veröffentlichte, standen die Franzosen angeblich schon früh am
       Morgen vor den Buchhandlungen Schlange. Bis heute werden jährlich 2.000
       Exemplare verkauft.
       
       ## Großvater der Nation
       
       Bei de Gaulle wundert einen das natürlich kein Stück, die Memoiren von
       Churchill liest man ja auch gerne. Bei den anderen, besonders den beiden
       Letzten, allerdings doch ein bisschen mehr. Es ist, als sei Nicolas Sarkozy
       plötzlich zu einer Art politischem Großvater der Nation geworden, zu einem
       französischen Helmut Schmidt. Weil die anderen noch lebenden Präsidenten
       entweder sehr alt und nicht besonders fit sind (Chirac und Giscard) oder
       vollkommen unglaubwürdig und immer neben der Spur wirken (Hollande), bleibt
       quasi nur noch Sarkozy.
       
       Man wendet sich ihm mit hoffnungsvollen Augen zu, fragt: Wo, Monsieur le
       Président (so werden auch die Ex-Präsidenten bis an ihr Lebensende
       genannt), geht es hin mit Frankreich? Was, Monsieur le Président, sollen
       wir tun? Und Nicolas Sarkozy sagt mit seiner ganz neuen Ruhe: Meine lieben
       Franzosen, fürchtet euch nicht, kauft einfach mein Buch.
       
       13 Aug 2019
       
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