# taz.de -- Bilanz in Frankreich: François Ohneland
       
       > Ein Jahr nach seiner Wahl hat Präsident Hollande die Sympathie der Wähler
       > verspielt. Die Konjunktur unterstützt seine Politik nicht.
       
 (IMG) Bild: Mit was kommt Hollande denn da um die Ecke? „Beharrlichkeit“, sagt er. Und dass er seinen Weg fortsetzen wolle.
       
       PARIS taz | „Was hast du mit unserem Sieg gemacht, François?“, fragen sie
       seit Wochen frustriert. Diesen Sonntag werden die enttäuschten Linkswähler
       auch in Paris demonstrieren, gegen seine und die Sparpolitik der EU.
       Gleichzeitig werden auch die unversöhnlichen Gegner der Homo-Ehe von rechts
       und ganz rechts wieder auf der Straße sein, wenn auch weniger zahlreich als
       vor Wochen. Ein Jahr nach seiner Wahl am 6. Mai 2012 steht der französische
       Präsident François Hollande im Kreuzfeuer der Kritik.
       
       Zum Glück für ihn finden nicht alle zwölf Monate Präsidentschaftswahlen
       statt. Er müsste nämlich nach Ablauf seines ersten Amtsjahres mit einer
       fristlosen Kündigung rechnen, so schlecht sind seine Umfragewerte. Rund
       drei Viertel der Bevölkerung sind von Hollande enttäuscht. Selbst unter
       linken Stammwählern ist der Vertrauensverlust dramatisch.
       
       Der private Fernsehkanal BFMTV simulierte in dieser Woche spielerisch eine
       Neuwahl: Der Präsident schaffte es dabei mit einem Anteil von 19 Prozent
       nicht einmal in die Stichwahl. Das Rennen machten stattdessen
       Front-National-Chefin Marine Le Pen (23 Prozent) und Nicolas Sarkozy. Der
       Expräsident würde mit 34 Prozent ein triumphierendes Comeback feiern.
       
       Dass mit Hollande keine Wahl zu gewinnen ist, sieht man inzwischen auch in
       Deutschland so. Für die Union wurde ein polemisches Geplänkel mit den
       Pariser Sozialisten über die Sparpolitik in der Eurozone in dieser Woche
       zum willkommenen Vorwand, Hollande und den Mangel an vorzeigbaren Erfolgen
       seiner Politik als abschreckendes Beispiel vorzuführen.
       
       ## Früher Hoffnungsträger, jetzt Niete
       
       Die SPD, die sich daran erinnert, dass sie nie ganz mit Hollande
       einverstanden war, muss befürchten, dass Hollandes Wahlunterstützung
       kontraproduktiv wäre. Nach nicht mal einem Jahr wird der französische
       Präsident, der mit seinem Sieg über Sarkozy als Hoffnungsträger für Europas
       Linke galt, bereits als Niete abgeschrieben.
       
       „Hollande ist der Coach eines Frankreich-Teams, das verliert“, fasst die
       konservative Kolumnistin Nathalie Rheims im Magazin Le Point die weitgehend
       vernichtende Bilanz in den Medien zusammen. Der Präsident hält dagegen:
       Alles in seinem ersten Amtsjahr sei „außergewöhnlich“ gewesen,
       rechtfertigte sich der Präsident in einem Pressegespräch: die lange Krise
       mit der Rezession in Europa und einer historisch hohen Arbeitslosigkeit in
       Frankreich, auch die Notwendigkeit zur Intervention in Mali. Wenn ihn eines
       wirklich ärgere, dann der Vorwurf, er sei „unentschlossen“. Er habe „in
       zehn Monaten mehr beschlossen als andere in zehn Jahren“.
       
       Hollande hatte im Wahlkampf ein 60-Punkte-Papier vorgelegt. Und
       tatsächlich: 14 Versprechen sind bereits abgehakt, 27 sind in Diskussion
       oder Vorbereitung, bloß 19 erscheinen bis 2017 als unrealistisch. Wichtige
       Reformen auf dem Arbeitsmarkt – zur Eingliederung junger Arbeitsloser, zur
       Verbesserung der Produktivität und auch ein bei Linken sehr umstrittener
       „Wettbewerbspakt“ – wurden verabschiedet.
       
       Und es gab eine ganze Reihe spektakulärer Maßnahmen zugunsten des sozialen
       Friedens: Hollandes Minister verdienen nun 30 Prozent weniger und mussten
       nach dem Schwarzgeldskandal um Ex-Budgetminister Jérôme Cahuzac ihr
       Vermögen offenlegen. Die Treibstoffpreise wurden vorübergehend gesenkt. Für
       alle, die seit dem 18. Lebensjahr arbeiten, gilt wieder die Rente mit 60.
       Und Hollande hat trotz eigener Bedenken auch die „Heirat für alle“
       durchgesetzt, um eine Diskriminierung der Homosexuellen demonstrativ zu
       beenden.
       
       ## Unzufriedenheit nicht wegen uneingelöster Versprechen
       
       Wenn heute die Unzufriedenheit mit Hollande so groß ist, dann nicht in
       erster Linie wegen uneingelöster Versprechen. Der Unmut wächst
       paradoxerweise, weil trotz des politischen Eifers der Regierung Hollande
       sich nichts an der Lage ändert und die von vielen Wählern erhoffte schnelle
       Besserung ausbleibt. Schlimmer noch: Aus Sicht der Franzosen verschlechtern
       sich ihre Lebensumstände und Perspektiven weiterhin dramatisch. Auch in
       Hollandes Lager wird sein Reformprogramm deshalb offen in Frage gestellt.
       
       Für den Präsidenten besteht das Problem aus widrigen, aber konjunkturellen
       Umständen. Darum gibt es nur eine Devise: Durchhalten! „Ich habe mir als
       Verhaltensregel vorgenommen, mich nie beeindrucken zu lassen und den Weg
       fortzusetzen und dabei alles zu tun, damit er sich als der richtige
       erweist. Das nennt sich Beharrlichkeit“, sagt er. Es ist eine Wette darauf,
       dass bald alles besser wird. Und wenn nicht? Bisher gibt es keinerlei
       Anzeichen für eine Besserung, jeden Tag kommen in Frankreich 900
       Arbeitslose zu den mehr als fünf Millionen Stellensuchenden hinzu.
       
       Nicht nur die deutschen EU-Partner, auch die meisten Ökonomen im eigenen
       Land legen dem französischen Staatschef neoliberale Strukturreformen als
       Ausweg ans Herz. Doch bereits jetzt droht die soziale Lage in Frankreich
       explosiv zu werden. Nur die Errungenschaften des Sozialmodells haben den
       Zusammenhalt bisher noch garantiert.
       
       Einen scharfen Kurswechsel nach links und eine Abkehr von der
       „Austeritätspolitik“ fordern im Gegenteil die CGT, der bedeutendste
       Gewerkschaftsbund, und die Vertreter der radikalen Linken, allen voran die
       Linksfront aus Linkspartei und Kommunisten. Sie möchte an diesem Sonntag
       mit einer Kundgebung gegen das „Spardiktat“ Hollande lautstark daran
       erinnern, mit welchen Stimmen gewählt worden ist und auf wen er hören soll.
       
       5 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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