# taz.de -- Kommentar Wahlumfragen: Grossekoalition
       
       > Die kurz vor der Wahl veröffentlichten Umfragen sind ein klarer
       > Manipulationsversuch. Neu ist das nicht - und die ganz große Koalition
       > ist eh schon da.
       
 (IMG) Bild: Das BIER entscheidet: Im deutschen Wahlkampf bleibt man am liebsten unter sich
       
       Wenige Stunden vor der Bundestagswahl steht sie, die ganz große Koalition –
       zumindest bei den Sarin-Lieferungen für den Mörder Assad. Sie sind aber
       sozusagen nur das Tüpfelchen auf dem I der deutschen Unwilligkeit, für
       irgendetwas außerhalb der eigenen Grenzen echtes Interesse und wirkliche
       Empathie aufzubringen.
       
       Insofern war das Abwinken von Kollegen in den südlichen Krisenländern der
       Europäischen Union, die man zu Beginn des Wahlkampfs um Beiträge gebeten
       hatte, ein Déjà-vu. Erstens, sagten sie, gebe es sowieso „Grossekoalition“
       und die sei noch dazu eine, die sich um die Probleme der Jungen, Alten und
       Armen im Süden einen Dreck scheren werde.
       
       Wen auch immer also die Deutschen am Sonntag wählen, sie werden eine
       Regierung bekommen, die ihre Interessen vertritt. Im Weiteren geht es dann
       um Verteilungsfragen. Sollte es für Schwarz-Gelb tatsächlich noch reichen,
       bekommt der asoziale Teil der deutschen Gesellschaft eben mehr ab.
       
       Hier liegt, wenn man so will, die Problematik der erstmals kurz vor und
       sogar am Tag der Wahl veröffentlichten Umfragen von ZDF und Bild am
       Sonntag: Mancher bürgerlich-konservative 'Alt'-Wähler der AfD wird
       vielleicht doch noch auf die FDP umschwenken; diejenigen hingegen, die sich
       von den „sozialen Bodensatz“-Tönen der letzten Tage angesprochen fühlen,
       werden kaum einen Philipp Rössler wählen.
       
       ## Propaganda der Öffentlich-Rechtlichen
       
       Trotzdem: Bei den Umfragen handelt es sich um einen klaren Versuch
       politischer Manipulation. Nach den aberwitzig-parteiischen Auftritten des
       Chefredakteurs des Bayerischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb, vor und bei der
       Bayern-Wahl, müsste nun eigentlich dringend eine Debatte über die
       Berichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen geführt werden – aber da
       wiederum regt man sich hierzulande lieber über die Medienmacht eines Silvio
       Berlusconi auf.
       
       Um die AfD ist es ein bisschen schade. Als einzige relevante politische
       Gruppierung hatte sie den Mut, das zentrale politische Thema – die
       Eurokrise – ins Zentrum zu rücken, wenn auch sozusagen im Kopfstand, also
       mit der absurden Behauptung, Deutschland sei nicht Profiteur, sondern
       Leidtragender der gemeinsamen Währung.
       
       Dass es die politische und moralische Aufgabe der Grünen gewesen wäre, das
       Thema auf die Füße zu stellen, haben manche [1][Kommentatoren] des
       Wahlkampfs eingefordert. Die Grünen haben auf andere Themen gesetzt und
       sich damit drei Kampagnen eingehandelt: die Teuerstrom-Kampagne, die
       Steuer-hoch-Kampagne und die Pädo-Kampagne. Bei allen drei machten sie
       keine gute Figur, und so steht der rechte Parteiflügel schon mit gewetzten
       Messern bereit zur internen Kontenklärung.
       
       Als neues Phänomen traten in diesem Wahlkampf schließlich noch die
       näselnden Nichtwähler in Erscheinung. Wer sich von ihrer im Kern
       oligarchischen Wahlenthaltunsgpropaganda abgestoßen fühlt, aber trotzdem am
       Sonntag nicht vor der „Grossekoalition“ zu Kreuze kriechen will, der kann
       sich ja einfach mal vorstellen, was ein junger arbeitsloser Italiener oder
       ein verarmter Rentner in Griechenland wählen würde – wenn er denn dürfte:
       Adopt a Vote sozusagen.
       
       20 Sep 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.sueddeutsche.de/politik/thema-gerechtigkeit-im-wahlkampf-warum-die-gruenen-eine-riesige-chance-verpasst-haben-1.1765650
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
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