# taz.de -- TV-Formate zum Wahlkampf: Liebe Fremdschämen als Langweilen
       
       > Wenn Fernsehmacher spießigen Formaten etwas entgegensetzen, darf das auch
       > mal schiefgehen. Wenigstens wagen sie Experimente.
       
 (IMG) Bild: Wahl-TV darf auch peinlich sein, wie die RTL-Sendung „An einem Tisch mit …“ Peer Steinbrück.
       
       Dass Ursula von der Leyen und Rainer Brüderle nicht auch noch beim
       Topfschlagen gegeneinander antreten mussten, war ein bisschen inkonsequent.
       Die Sendung „Wie geht’s, Deutschland?“ vergangene Woche war jedenfalls ein
       Stück weit Neuland im Zweiten: eine Kreuzung aus ermüdendem politischen
       Talk und einer Samstagabendshow à la „Wetten, dass ..?“. Das war reinstes
       Infotainment, Klamauk inklusive. Vor allem: Es hat funktioniert.
       
       Alle Sender versuchen dieser Tage, das Wahl-TV in neue Gewänder zu zwängen.
       Sie wollen Politik erträglich machen statt Wahlkämpfern nur in
       staatstragenden Posen zu begegnen. Ja, das ist ein Trend. Und, ja: Manches
       läuft dann aus dem Ruder. So wie die zweiteilige Reihe „An einem Tisch mit
       …“, in der Zuschauer und Sendergesichter zum Auftakt Herausforderer Peer
       Steinbrück mit einem passenden Tier vergleichen sollten. Eine Mücke! Ein
       Elefant im Porzellanladen! Oder doch ein Nashorn?! Das war peinlich.
       
       Aber man kann das auch so sehen: Lieber Fremdschämen als Langeweile.
       Außerdem ist es RTL anschließend tatsächlich gelungen, einen
       Spitzenpolitiker auf Augenhöhe mit seiner Zielgruppe zu bringen. Für
       Steinbrück war die Begegnung mit „dem Wählerrat“ des Privatsenders eine
       Herausforderung. Und das ist erst mal nicht das Schlechteste.
       
       Was passiert, wenn sich Fernsehmacher vor die eigentlichen Protagonisten
       drängeln, war wiederum nicht nur im TV-Duell zu sehen, in dem erneut zwei
       Kandidaten gleich vier Moderatoren ertragen mussten. Auch das als
       „Dreikampf“ mit schwerer Musik, düsterer Ausleuchtung und dramatischer
       Ansage inszenierte Zusammentreffen der übrigen Spitzenkandidaten entpuppte
       sich als Beinahe-Katastrophe. Chefredakteure sind eben nicht qua Amt
       geborene Moderatoren, auch nicht, wie hier, im Doppelpack.
       
       ## Chaos und Bärte
       
       Der „Dreikampf“ – produziert scheinbar in einer verlassenen Tiefgarage –
       mündete in ein derartiges Chaos, dass sich selbst leiderprobte Mitarbeiter
       des Hardcore-Politik-Senders Phoenix lieber in digitalen Botschaften an
       Nebensächlichkeiten abarbeiteten: „#Dreikampf. Die Frisur von Sigmund
       Gottlieb sitzt. Gott sei dank ist es Beton!“ Aber Schwamm drüber, denn das
       Fernsehen hat zum Glück auch Experimente zu bieten.
       
       „Überzeugt uns!“ etwa, dem Versuch des Ersten Programms, Politik nahbar zu
       machen und flott zu transportieren. Spitzenpolitiker fanden sich dafür zu
       später Stunde in Clubatmosphäre wieder – samt bärtigem Ingo Zamperoni, der
       damit auch seine Kollegin Caren Miosga überraschte, wie die Übergabe aus
       den „Tagesthemen“ mit viel Gelächter zeigte. Im Format störte allein: zu
       viel gewollte Interaktivität, zu viel von Moderator Richard Gutjahr.
       
       „Was macht das Netz?“ – diese überflüssige Frage hätte sich auch die
       ZDF-Debatte „Wie geht’s, Deutschland?“ sparen können. Sie hätte auch so
       funktioniert. Steuern, Arbeitsmarkt, Zuwanderung, Energiewende: Fast drei
       Stunden diskutierten Politiker mit Wählern, verteilt auf zwei Abende. Die
       Probleme breitete der Sender vorher ausführlich in einem Film aus.
       Altersarmut und der Mangel an Kitaplätzen etwa blieben nicht wie sonst
       Theorie, sondern wurden greifbare Herausforderungen.
       
       ## Normalos werden integriert
       
       Diese Kombination machte viel von dem wett, was die Sendung zwischendurch
       ins Alberne abgleiten ließ. Das liegt vor allem an Marietta Slomka, die das
       Publikum erst in ihrer Doku mit zu den Protagonisten nahm und diese dann
       souverän ins Gespräch mit den Politikern brachte. Marietta Slomka sollte
       einfach häufiger aus dem „heute-journal“ ausbüxen und Neues wagen.
       
       Das Besondere an den beiden Runden: Der Sender hat die „Normalbürger“
       nicht, wie in Talks allzu oft üblich, an einen Katzentisch gestellt und
       möglichst rasch abgehandelt, sondern fest in die Show integriert, zwischen
       den Politikern. Davon darf es gerne zwischen den Wahlen mehr geben – auch
       wenn das TV-Spießer auf eine harte Probe stellen sollte. Das Wichtigste ist
       nämlich: Die Sender probieren sich endlich wieder aus.
       
       10 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bouhs
       
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