# taz.de -- Baustelle Hochschule: Neues Semester, alte Probleme
       
       > Wenig Bafög, keine Wohnungen und knappe Studienplätze. Die taz erklärt,
       > worum sich eine neue Regierung dringend kümmern muss.
       
 (IMG) Bild: Ein Studienplatz kostet in Deutschland im Schnitt 7.200 Euro pro Jahr
       
       Es ist voll in vielen deutschen Hochschulen. Rund eine halbe Million
       Erstsemester suchen dieser Tage ihre Hörsäle, quetschen sich auf die
       Fensterbänke überfüllter Seminarräume, stellen sich beim
       Studierendensekretariat an. Oder suchen noch nach einer Wohnung oder den
       Unterlagen für den Bafög-Antrag. Im Jahr 2005 gab es in Deutschland noch
       350.000 Studienanfänger. Wenn SPD und Union in Berlin nun über eine
       Koalition verhandeln, sind die Hochschule eine der wichtigsten Baustellen –
       und eine der schwierigsten, weil die Zuständigkeiten zersplittert sind.
       Vieles ist Sache der Länder, obwohl Bildung ein Lieblingsschlagwort vieler
       Wahlkampfreden war. Die wichtigsten Knackpunkte im Überblick. 
       
       ## Wohnheimplätze fehlen
       
       Die Suche nach einem Dach über dem Kopf ist für Studienanfänger in den
       Hochschulhochburgen oft schwieriger als manche Prüfung. Es gibt kreative
       Ausweichquartiere: Das „Basecamp“ in Bonn bietet umgebaute Eisenbahnwaggons
       an, in Kiel können Studierende Zimmer im Altersheim beziehen. Das Deutsche
       Studentenwerk fordert jedoch 25.000 Wohnheimplätze, die Bund und Länder neu
       schaffen müssten. „Diese Plätze müssen öffentlich gefördert werden, damit
       sie preisgünstig sein“, sagt Studentenwerk-Sprecher Stefan Grob. Die Miete
       sollte rund 220 Euro betragen. Der Wert orientiert sich daran, wie viel
       Studierenden, die allein aufs Bafög angewiesen sind, im Schnitt fürs Wohnen
       ausgeben.
       
       Was das kostet: Einige Bundesländer haben bereits begonnen, neue
       Wohnheimplätze zu fördern. Bayern etwa schießt für die Sanierung oder den
       Neubau von Wohnheimen pro Platz bis zu 32.000 Euro zu, Hessen legt 15.000
       Euro für jeden neuen Platz drauf. Folgen Bund und Länder dem bayerischen
       Vorbild, müssten sie zusammen 800 Millionen Euro aufbringen. Die SPD hat in
       ihrem Regierungsprogramm getönt, dass zu einem guten Studium auch eine gute
       soziale Infrastruktur gehört. Einige (reiche) Unionsländer haben bereits
       eigene Investitionsprogramme aufgelegt.
       
       ## Das Bafög ist veraltet
       
       Knapp eine Million Schüler und Studenten erhalten die
       Bundesausbildungsförderung. Fast die Hälfte von ihnen bekommt den
       höchstmöglichen Satz, der die Ausgaben für Miete, Essen, Sozialversicherung
       und Kleidung abdecken soll. Wer nicht mehr bei den Eltern wohnt, hat in dem
       Fall monatlich 670 Euro zum Leben. Aber die Preise steigen schneller als
       die Bafög-Sätze, moniert das Deutsche Studentenwerk. Über die Hälfte der
       Bafög-Empfänger verdient neben dem Studium hinzu. Das Studentenwerk fordert
       daher eine Anhebung um 10 Prozent. Außerdem sollen mehr Studierende Bafög
       erhalten können.
       
       Das Bafög-Gesetz stammt aus einer Zeit, als es noch Diplom- und
       Magister-Studiengänge gab, und ist entsprechend antiquiert. So verlangen
       die Bafög-Ämter einen Leistungsnachweis nach dem 4. Semester, obwohl die
       Studierenden heute von Anfang an und durchgängig geprüft werden. Wer älter
       als 30 ist und ein Studium beginnt, erhält kein Geld – obwohl doch alle vom
       lebenslangen Lernen sprechen und die Bundesregierung Menschen im Beruf
       ermuntert, mit 32 Jahren noch mal ein Studium zu wagen. Und
       Teilzeitstudierende, die nebenbei arbeiten, haben ebenfalls kein Anrecht
       auf eine Förderung. Offiziell betrifft das nur 1 Prozent der Studierenden,
       faktisch arbeitet bereits ein Fünftel der Studierenden nebenbei. „Das Bafög
       muss alltagstauglich gemacht werden“, meint Stefan Grob vom Deutschen
       Studentenwerk.
       
       Was das kostet: Für eine Erhöhung der Bafög-Sätze und der Freibeträge um 10
       Prozent müssten Bund und Länder nach Kalkulation der Bundesregierung pro
       Jahr über 1,3 Milliarden Euro mehr ausgeben. Die noch amtierende
       Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte vor der Bundestagswahl
       einen Arbeitskreis eingerichtet, in dem Staatsminister aus Bund und Ländern
       streng geheim über eine mögliche Reform beraten. Details aus dem
       Wanka-Zirkel gibt ihr Ministerium nicht heraus. Im Grunde sind sich die
       Bildungsexperten von Union und SPD aber relativ einig, dass das Bafög
       reformiert werden muss. Die spannende Frage ist, wie die Reformen bezahlt
       werden.
       
       ## Knappe Studienplätze
       
       Auch die nächste Bundesregierung muss weiter in den Ausbau der
       Studienplätze investieren. Das ist eigentlich Aufgabe der Länder, die sind
       aber knapp bei Kasse. Deshalb gibt es seit einigen Jahren den
       Hochschulpakt: Der Bund gibt ihnen einen Zuschuss zum Studienplatzausbau.
       Der Pakt hat allerdings drei Schwachpunkte.
       
       Erstens haben bisher stets mehr Menschen ein Studium aufgenommen als von
       den Politikern bei den Hochschulpakt-Verhandlungen anvisiert. Der Pakt
       musste daher mehrmals aufgestockt werden.
       
       Zweitens: Der Hochschulpakt gilt nur befristet. 2020 fällt der Zuschuss aus
       Berlin weg. Der Bund darf die Bildungsaufgaben der Länder nicht dauerhaft
       mitfinanzieren. So will es das Grundgesetz. Experten des Centrums für
       Hochschulentwicklung (CHE) gehen aber davon aus, dass die Zahl der
       Studienanfänger auch darüber hinaus hoch bleiben und erst 2024 langsam auf
       450.000 absinken wird.
       
       Und drittens: Viele Erstis, die ein Bachelor-Studium anfangen, wollen im
       Anschluss auch den Master machen. Derzeit studieren etwa 75 Prozent aller
       Bachelor-Absolventen direkt weiter – in der Regel ohne größere Probleme.
       Die Kultusministerkonferenz sieht daher „keinen Mangel an
       Masterstudienplätzen. Das könnte sich allerdings bald ändern. Die
       Hochschulpakt-Mittel sind so kalkuliert, dass nur jeder zweite Uni-Neuling
       einen Masterstudienplatz erhält. Das CHE geht in Modellrechnungen davon
       aus, dass schon 2016 mindestens 36.000 Master-Bewerber leer ausgehen
       könnten.
       
       Was das kostet: Schwer zu sagen. Ein Studienplatz kostet in Deutschland im
       Schnitt 7.200 Euro pro Jahr. Man müsste also für 36.000 zusätzliche
       Masterplätze 260 Millionen Euro jährlich mehr investieren. Wie sich Bund
       und Länder die Kosten aufteilen könnten, ist unklar. Zumindest aber das
       sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz, das nur befristete
       Geldspritzen aus Berlin erlaubt, könnte eine Große Koalition rasch
       beiseiteräumen: Dann dürfte die Bundesregierung wieder stärker in der
       Bildungspolitik mitgestalten.
       
       23 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
 (DIR) Bernd Kramer
       
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