# taz.de -- Privatsphäre in Großbritannien: Einkauf nur mit Burka
       
       > Tescos Scanningpläne von Kundengesichtern schockieren. Doch das ist eine
       > Idee aus der Steinzeit: Andere Unternehmen gehen noch viel weiter.
       
 (IMG) Bild: Nur noch verschleiert einkaufen? Ein Basecap reicht allerdings auch
       
       Erste Boykottaufrufe gibt es schon. Kunden, die Tankstellen der britischen
       Supermarktkette Tesco nie wieder betreten wollen und wenn, dann höchstens
       vollverschleiert. Selbstschutz gegen eine gefühlt gigantische Bedrohung:
       das [1][Scannen des Gesichts] beim Warten in der Kassenschlange.
       
       Für Tesco ist es ein Experiment: Das Unternehmen will an Hand der
       Gesichtsregion Alter und Geschlecht des an der Kasse wartenden Kunden
       bestimmen und ihm dann passende Werbung einblenden. Oder das, was der
       Konzern für passend hält. Im Unternehmensvideo der dahinterstehenden Firma
       Amscreen bekommt jedenfalls ein männlicher Kunde im mittleren Alter einen
       Clip für einen Energy-Drink angezeigt.
       
       Die Situation ist paradox: Seit knapp einem halben Jahr kommen alle paar
       Tage neue Überwachungsgeschichten ans Licht. E-Mail-Verkehr mitgelesen,
       Telefone abgehört, US-Geheimdienst, britischer Geheimdienst, eigentlich
       kann gerade niemand sagen, dass von ihm ganz sicher keine persönlichen
       Informationen auf irgendwelchen Geheimdienst-Servern liegen. Vermutlich
       auch noch unverschlüsselt.
       
       Die Aufregung über die Erkenntnisse hält sich in Grenzen. Natürlich, von
       geheimdienstlichem Datenabgreifen an Unterseekabeln ist in der Regel nichts
       zu merken, da knackt nichts in der Leitung. Doch kaum will eine
       Supermarktkette Gesichter scannen, nicht einmal speichern, geht die
       Entrüstung los.
       
       ## Viele Kundendaten werden freiwillig hinterlassen
       
       Dabei hinterlassen viele Kunden schon jetzt mehr und sensiblere Datenspuren
       bei einem Einkauf. Vor allem beim Bezahlen: Wer dafür die Kredit- oder
       EC-Karte zückt, erlaubt einen sehr genauen Einblick in das Kaufverhalten:
       Wer bin ich, wie häufig kaufe ich was wo ein? Noch präziser sind die Daten
       beim Onlinekauf, denn dabei erfährt der Händler zusätzlich Adresse,
       Telefonnummer, Geburtsdatum. Dazu kommen Bonuskarten, bei deren Benutzung
       auch Barzahler freiwillig auf Privatsphäre verzichten, um alle paar Monate
       eine Salatschüssel geschenkt zu bekommen.
       
       Im Kommen sind RFID-Chips. Diese kleinen Informationsträger, die sich etwa
       in Kleidung, auf Verpackungen oder auch auf dem Bibliotheksausweis befinden
       können, lassen sich aus der Nähe auslesen, ohne dass der Träger es
       mitbekommt. Deutlich weniger auffällig als eine Kamera und mit viel
       interessanteren Informationen. Ihr Einsatz lässt sich praktischerweise
       damit begründen, dass es doch nur um einen besseren Ablauf in der Logistik
       gehe.
       
       Der Mobilfunkkonzern Telefónica, der mittels Bewegungsdaten von
       Handy-Nutzern auswerten will, an welchen Orten Werbung besonders
       vielversprechend ist, geht noch weiter: Mit den Daten des Unternehmens ist
       es möglich, ganz genau nachvollziehen, wer wann welche Wege zurückgelegt
       und vor welchem Werbeplakat gestoppt hat, zurückgegangen ist, und später im
       Supermarkt vor dem Regal mit genau diesem Produkt stand. So gesehen ist
       Tesco eher Steinzeit. Okay, vielleicht Bronze…
       
       ## Wir haben uns an die Überwachung gewöhnt
       
       Das heißt nicht, dass die Idee ohne Probleme wäre. Im Gegenteil. Doch der
       kritische Punkt ist ein anderer. Der Scan, ja die reine Präsenz von Kameras
       trägt dazu bei, dass sie normal werden. Dass Überwachung normal wird. Schon
       jetzt jucken Kameras auf öffentlichen Plätzen keinen mehr. Zunehmend hängen
       sie auch in Hauseingängen und filmen Besucher, die vor den Klingelschildern
       stehen. Sie überwachen Läden, Bahnhöfe und den Innenbereich von Bussen und
       Bahnen – meist ohne dass die Gefilmten wissen, was mit den Bildern
       passiert.
       
       Der Effekt ist der gleiche wie beim Fingerabdruck, mit denen sich Nutzer
       der neuesten iPhone-Generation identifizieren können: Warum sollte, was
       beim Handy Usus ist, beim Personalausweis, der Krankenversicherungskarte
       oder dem Bezahlen im Supermarkt ein Problem sein? Und wer hat noch mal
       unsere Fingerabdrücke, speichert sie wo und unter welchen
       Sicherheitsvorkehrungen?
       
       Sich dagegen zu wehren wird schwierig. Sehr schwierig. Gegen einen
       Gesichtsscan, der laut Werbevideo des Unternehmens von schräg oben erfolgt,
       ist dagegen nicht einmal eine Vollverschleierung notwendig. Ein Basecap tut
       es im Zweifelsfall auch.
       
       6 Nov 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Scanningplaene-der-Supermarktkette-Tesco/!126901/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Tesco
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) Kameras
 (DIR) Supermarkt
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Burka
 (DIR) Snowden
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Tesco
 (DIR) Inklusion
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mikrochip unter der Haut: Sesam, öffne dich!
       
       Eine US-Firma will ihren Angestellten einen Mikrochip unter die Haut
       implantieren. So lassen sich viele Daten sammeln. Doch das ist nur der
       Anfang.
       
 (DIR) Überwachung beim Shoppen: Kuckuck! Hier oben!
       
       In einigen Real-Supermärkten analysieren Kameras die Gesichter der Kunden
       in der Warteschlange. Und jetzt regen wir uns auf – oder was?
       
 (DIR) Burka-Verbot vor dem EGMR: In Würde verschleiert
       
       Ist es diskriminierend, die Burka zu verbieten – oder sie zu tragen? Vor
       dem EGMR kamen Anwälte der französischen Regierung und eine Muslimin zu
       Wort.
       
 (DIR) Kommentar Britische Botschaft: Britische Obsessionen
       
       Berlin wird abgehört, auch vom Dach der britischen Botschaft aus. Nothing
       new. Die Briten sind von Überwachung besessen.
       
 (DIR) Überwachung von Autofahrern?: Friedrich ist scharf auf Mautdaten
       
       Das Innenministerium will die Bewegungsprofile von Reisenden auswerten. Die
       Maut-Daten sollen Ermittlern bei der Verbrechensbekämpfung helfen.
       
 (DIR) Scanningpläne der Supermarktkette Tesco: Die spinnen, die Briten
       
       Der Einzelhandelskonzern Tesco installiert Kameras an seinen Kassen. Damit
       soll das Gesicht des Kunden erfasst und passende Werbung gezeigt werden.
       
 (DIR) Inklusion in Köln: Hier bitte anstellen
       
       In einem Supermarkt im Kölner Stadtteil Alt-Niehl sind die meisten
       Angestellten körperlich oder geistig behindert. Das Projekt soll sich bald
       selbst tragen.