# taz.de -- Die Wahrheit: Sechser im Hirnroulette
       
       > Immer häufiger kommt es zum Gehirnaustausch. Aber nicht nur das:
       > „Bild“-Kolumnist Franz J. Wagner hat seines „verliehen“ und arbeitet nun
       > ohne.
       
 (IMG) Bild: Vorsicht: Das Gehirn kann unbemerkt den Besitzer wechseln
       
       Kürzlich wurde in Göttingen eine folgenreiche Gehirnverwechslung
       aufgedeckt, die jedoch nur die Spitze eines skandalösen Hirntauschbergs
       ist. Die zwei Hirne aus Göttingen waren vermutlich schon 1862 vertauscht
       worden, was aber erst jetzt aufgeflogen ist. Wie das Fachmagazin Brain
       berichtet, wurde irrtümlich das Hirn des Mediziners Conrad Heinrich Fuchs
       für das des Mathematikers Carl Friedrich Gauß gehalten und umgekehrt.
       
       Beide Hirne lagerten in beschrifteten Glasbehältern. Entdeckt wurde der
       Fehler nun, weil man in den Gehirnfalten des angeblichen Mathematikers Gauß
       anatomische Skizzen gefunden hat sowie den Abdruck eines Skeletts samt
       Benennung aller Knochen auf Lateinisch – umgekehrt fand man im Hirn des
       Arztes einen fürchterlichen Zahlensalat. Nun sind beide Hirne wieder dem
       jeweils richtigen Etikett zugeordnet.
       
       Warum man das nicht „stiekum“ korrigiert hat, ist ein Rätsel,
       sensibilisiert aber gerade die Forscherszene. Die Neurowissenschaftlerin
       Renate Schweizer vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische
       Chemie sagte: „Viel schlimmer ist es in der Welt außerhalb Göttingens. Sehr
       häufig befindet sich dort ein Hirn im falschen Kopf.“ Sie vermutet, dass
       die Hirne von Gerhard Schröder und Jürgen Trittin, die immerhin beide in
       Göttingen studierten, während eines stinknormalen Zahnarztbesuchs in ihrem
       früheren Studienort vertauscht worden seien, ohne dass einer der beiden
       Politiker etwas davon bemerkt habe.
       
       Beide streiten dies öffentlich ab, sollen sich aber mit dem Göttinger
       Neuropathologen Walter Schulz-Schaeffer schon zu Beratungen bezüglich
       Rückgängigmachung getroffen haben. Beide, Schröder und Trittin, sind der
       Meinung, dass in ihrem Fall anders als bei Gauß und Fuchs eine simple
       Umbeschriftung, „ein Etikettenschwindel“, wie beide sagten, nicht
       ausreichend sei. Wobei deren Meldeämter in Berlin und Hannover durchaus
       Kompromissbereitschaft gezeigt hatten, auch ihre Ehefrauen waren jeweils
       mit einem Wechsel einverstanden.
       
       ## Betroffen ist auch Westerwelle
       
       Ebenfalls betroffen ist Guido Westerwelle. Nur weiß man nicht, mit wessen
       Hirn er arbeitet. Aber, so zuverlässige Quellen aus seinem Umfeld, sein
       eigenes kann es auf keinen Fall sein. In Alexander Dobrindts Schädel, da
       ist sich Neurowissenschaftlerin Schweizer sicher, ist das Hirn eines
       bulgarischen Gewichthebers hineingeraten. Dieser Gewichtheber ist wiederum
       selber mit gefälschten Papieren unter dem Namen Hermann Gröhe in der CDU
       tätig, und das wohl mit Dobrindts Hirn.
       
       Der Hirnaustausch muss bei einem heftigen Zusammenprall der beiden erfolgt
       sein, vermutlich durch das Nasennebenhöhlensystem. Hirne seien eigentlich
       quasi gepresste Schlauchsysteme, die sich bei heftigen Zusammenstößen zu
       einem langen, schmalen Schlauch entringeln können, und dann ist ein
       Direktaustausch durch das Nasennebenhöhlensystem ein immer wieder
       beobachteter Vorgang, so Frau Schweizer. Dagegen vermutet sie, die
       Verwechslung des Gauß’schen Hirns mit dem Fuchs’schen sei wohl eher ein
       übermütiger Studentenstreich irgendwann zwischen 1862 und 1968 gewesen.
       
       Ursula von der Leyen, wie Neuropathologe Schulz-Schaeffer jetzt vor
       Experten ausführte, versucht schon seit Längerem einen Hirnaustausch mit
       Angela Merkel zu provozieren, die aber, seit sie mit dem Hirn von Hildegard
       Hamm-Brücher arbeitet, allen direkten Zusammenstößen mit wem auch immer aus
       dem Wege geht. Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner wiederum hat sein Hirn
       „verliehen“, an Matthias Matussek, und arbeitet seither ohne, wartet aber
       seit Jahren auf entweder ein beliebiges Austausch-Hirn oder aber darauf,
       seines zurückzubekommen.
       
       Da Matussek aber seit 2010 mit dem Hirn von Franz-Peter Tebartz-van Elst
       eine neue Karriere als schreibender Katholik bestreitet und van Elst
       seitdem mit dem Hirn von Franz Josef Wagner seinen Bischofssitz umbaute,
       sieht es für Wagner schlecht aus, in nächster Zeit seinen Geist
       zurückerwarten zu können, da van Elst sich in die Benediktinerabtei Metten
       zurückgezogen habe und jeglichen Kontakt mit Nichtordinierten vermeide.
       Vielleicht auch, weil es in Rom zu einem Hirntausch mit Papst Franziskus
       gekommen sein könnte. Dann stünde der jetzt mit Wagners Hirn den Katholiken
       vor.
       
       ## Becker, Matthäus, Effenberg
       
       Solche Hirn-Ringtausche sind übrigens keine Seltenheit. Zurzeit denkt Boris
       Becker mit dem Hirn von Lothar Matthäus, der mit dem Hirn von Stefan
       Effenberg agiert. Der Hirn-Ringtausch dieser Herren ist allerdings laut
       Neurowissenschaftlerin Schweizer ein „Nullsummenspiel“. Nur Stefan Raab
       scheint immer noch mit dem eigenen Hirn im eigenen Kopf zu agieren.
       Vielleicht wäre dessen Hirn aber die Lösung für Ursula von der Leyen auf
       dem Weg zur Kanzlerschaft.
       
       Helmut Schmidt, befragt, wessen Hirn in seinem Schädel arbeite, sagte nur:
       „Erst wenn Sie mich nicht mehr rauchen sehen, werden Sie merken, dass auch
       bei mir ein neuer Geist eingezogen ist. So lange rede ich gerne mit
       Giovanni di Lorenzo, aus dessen Mund das Hirn von Anne Will zu mir
       spricht.“
       
       7 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Gieseking
       
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