# taz.de -- Porträt Indie Label „Audiolith“: Füße des Merchandising-Mitarbeiters
       
       > „Kein Zutritt für Hinterwäldler.“ Das Hamburger Label Audiolith gewinnt
       > Fans mit Guerilla-Marketing, fetzigem Sound und feiner Ironie.
       
 (IMG) Bild: Die Münchner Steffi Jakobs und Klaus Scheuermann sind Tubbe.
       
       Wer sich in letzter Zeit auf den Hamburger Straßen herumgetrieben hat, dem
       ist das Logo garantiert aufgefallen. Es prangt auf schwarzen T-Shirts in
       großen, gelben Lettern und auf schwarz-gelben Stickern an Laternenmasten:
       Das Format ist beliebig, der Markenname immer der Gleiche: Audiolith.
       
       So nennt sich ein unprätentiöses Indielabel, das hierzulande gerade durch
       seine aggressive Ranschmeiße viele Fans gefunden hat. Der Labelname ist ein
       Fantasiewort, angelehnt an Monolith. Neben dem Hamburger Firmensitz gibt es
       eine Dependance in Berlin.
       
       Bekannt wurde Audiolith zunächst mit der Ravepunk-Band Egotronic. Ihre
       Mischung aus Techno, Schepper-Punk und linken Agitprop-Texten hat einen
       Nerv getroffen. Egotronic prangern Alltagsrassismen und Sexismen an, aber
       sie heben nicht den moralischen Zeigefinger, sie feiern lieber: „Raven
       gegen Deutschland“, heißt es da, oder „es regiert das Lustprinzip.“ Politik
       und Nonsens, Partyparolen und Herzschmerz. Dasselbe Rezept verfolgen auch
       andere Audiolith-Künstler wie Bratze oder Frittenbude.
       
       Musikalisch hat Audiolith vor allem HipHop, Pop und Techno zu bieten. Alle
       Genres vergnügen sich in abenteuerlichsten Hybridformen. Oftmals
       kollaborieren die Bands miteinander und geben gemeinsam Konzerte. Das Label
       als Patchworkfamilie. „Ich bin der Papa, Arthur ist der Stief-Papa,
       Chrissie ist die Mama, Sven ist der Onkel fürs Grobe und Hendrik ist der
       Koch“, erzählt Lars Lewerenz mit einem müden Lächeln.
       
       Lewerenz leitet das Label, sucht die Veröffentlichungen aus. Seine Berliner
       Kollegen Artur Schock und Hendrik Menzl buchen Konzerte. Chrissie Klass
       erledigt die Public-Relations-Arbeit, den Überblick in Sachen Merchandise
       hat Sven Naumann.
       
       ## Raffinierte Hommagen an die Firma
       
       Audiolith ist wahrscheinlich das einzige Label, dessen Angestellte von den
       Künstlern sogar Oden serviert bekommen: Kevin Hamann besingt in „Mit
       Naumanns Füßen“ tatsächlich die Füße des Merchandising-Mitarbeiters. Texte
       von Audiolith-Bands stecken voller Anspielungen, es sind raffinierte
       Hommagen an die Firma und die Stadt Hamburg, in der alles begann.
       Unverblümtes Guerilla-Marketing.
       
       Selbstverständlich ist Hamburg auch Schauplatz der meisten
       Audiolith-Musikvideos, unter anderem drehten Frittenbude dort ihr Video zu
       „Bilder mit Katze“. Mit seiner Vintage-Ästhetik hat es den Geschmack der
       Instagram-Generation getroffen. Und die HipHop-Crew Neonschwarz erklärt in
       „On a Journey“ auf einer Reise durch Sankt Pauli bis hin zum Elbstrand: „Es
       ist wie auf Hawaii, nur dass es hier Bier gibt.“ Captain Gips rappt dies
       aus seinem Einkaufswagen heraus in die Kamera.
       
       Linke Texte, subtiler Lokalpatriotismus und Subversion, daraus haben
       Audiolith tatsächlich Kapital geschlagen. Sie wenden die Kommerzialisierung
       sozusagen gegen sich selbst. Trotzdem ist Audiolith mehr als nur ein
       Marketinggang. Jeder von einem Slogan verzierte Laternenpfahl ist ein
       kleiner Teil vom großen Ganzen. Es ist täuschend echtes Branding, nur dass
       die Werbung in Zirkeln mit alternativem Anspruch stattfindet. „Ganz
       Audiolith hasst die Polizei“, „Still loving Audiolith“, „Fuck Audiolith“:
       Offensichtlicher könnte die Aneignung von Antifa-Parolen nicht sein.
       
       Das Label-Profil gewinnt dadurch nicht nur Bezug zur Szene, sondern gibt
       selbiger gleich eine Portion Selbstironie mit dazu. Denn als offen
       politisch will sich Audiolith eben nicht bezeichnen lassen. So oft und so
       sarkastisch wie der Labelname in den Songs der hauseigenen Bands fällt,
       scheint es fast, als würde werbepsychologische Gehirnwäsche angewendet. „Du
       kaufst der Frau, die du liebst, ein Shirt von Audiolith / Weil es da
       draußen nichts gibt“, singen Frittenbude.
       
       Bei Egotronic heißt es „Die einen werfen Pillen, die anderen nicht / Aber
       alle sind sie süchtig nach Audiolith“. Zum zehnjährigen Geburtstag des
       Labels erscheint nun eine neue Ausgabe des Labelsamplers „Doin’ Our Thing“.
       18 Bands unterschiedlicher Couleur begehen das Jubiläum. Das queere
       Elektropop-Duo Tubbe entgegnet der Fundamentalkritik am Plattenlabel: „Äh,
       nee / Wir sind doch bei Audiolith!“ und Okma & Relups rufen auf ihrer
       trashigen Hommage: „Audiolith, Audiolith / Ich hab dich so lieb!“
       
       Lars Lewerenz empfindet solche Zeilen als Bestätigung für gute
       Kommunikation. „Wir geben den Künstlern den Freiraum, den sie brauchen.
       Alles entsteht aus freien Stücken. Nennen wir es Liebe, sie erzählt unsere
       Geschichte. Das sind halt wir, mit all unseren Ecken und Kanten.“
       
       ## Cash from Chaos
       
       Audiolith bewahrt sich Street-Credibility. Und wird gerade deshalb
       akzeptiert. Anscheinend rechtfertigt sich das Branding als Satire, denn
       Label, Bands und Fans kommunizieren auf Augenhöhe, wenn sie in Videoclips,
       auf Konzerten oder Festivals gemeinsam tanzen. Wem die Musik als Zeugnis
       der Chaosmentalität nicht reicht, kann sich nun auch literarisch von der
       Kreativität eines Audiolith-Künstlers überzeugen.
       
       Trübe Wortwitze, pointierte Anekdoten und Selbstironie – mit diesen
       Werkzeugen rüstet sich der Hamburger Schlagzeuger Jonnie Schulz, wenn er
       über die Geschichte seiner Butch Meier Band schreibt. Raus aus dem Punk und
       rein in die Welt von Country & Western, das nahmen sich Schulz und seine
       drei Bandkollegen im Jahr 2000 vor.
       
       Schulz gelingt das Kunststück, den hanseatischen Zungenschlag ohne
       Reibungsverluste in Schriftsprache umzumünzen. Es ist schwer, ein Kapitel
       zu lesen, ohne grinsen zu müssen. So bleibt man den Bandmitgliedern stets
       dicht auf den Fersen, nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch auf dem
       Weg dorthin begleitet das Buch die Band.
       
       Das Erfolgsrezept der Beatles sollte auch für sie gelten: Von St. Pauli aus
       wird die Welt erobert. Na ja, auf dem Kiez hatten die Musiker der Butch
       Meier Band wenigstens den Status von Lokalhelden: Der charismatische
       Frontmann Butch Meier arbeitet als Türsteher, „Digger [Barnes] hat hier
       sein Frisörstudio, Jonnie ist mal bei ’nem Tischtennisturnier Zweiter
       geworden und ich geh halt gerne in Kneipen“, klärt Ted Memphis über die
       Szene auf.
       
       So ehrlich und so schäbig scheint die Story, wenn vom Dreh eines Werbeclips
       für den Hamburger Rummelplatz Dom erzählt wird. „Dom ohne Butch Meier ist
       wie Omelett ohne Eier!!!!!“ steht auf der Rückseite der Selfmade-DVD, die
       während der Aufbauarbeiten entstand. Mit ihrem selbsternannten Smashhit
       „Skymarshall“ will die Butch Meier Band den Rummelplatz-Chef für sich
       gewinnen.
       
       Als dieser sich allerdings doch für Truck Stop entschied, ist die
       Enttäuschung der Band immens. „Da saß er in seinem schicken Büro, mit
       seinen schicken Schuhen und hielt sich für den Geilsten, weil er uns
       einfach abservieren konnte.“ Dass er sich mit den Falschen angelegt hat,
       macht die Band mit dem Aufruf „Don’t beat the Lukas, beat the Domboss!“ auf
       ihrer Homepage klar. Lange blieb der Slogan allerdings nicht dort stehen,
       es drohten rechtliche Konsequenzen.
       
       Ein besetztes Haus in Friedrichshain soll zur Kulisse des ersten richtigen
       Auftritts werden. Aber die Besetzer hegen Vorurteile. Sie glauben, dass
       Countrymusik per se reaktionär sei, deshalb distanzieren sie sich wie viele
       andere Veranstalter von der Musik.
       
       Dass die Butch Meier Band lediglich Songs aus unterschiedlichen
       Musikepochen von Pop bis Punk in Countryversionen spielt und die
       Redneck-Attitüde satirisch überhöht, verstehen sie nicht. Um dem Publikum
       die Zweifel an der Einstellung der Band zu nehmen, hängt fortan an der
       Konzertkasse jeweils ein Schild, das zum Titel des Buches werden sollte:
       „Kein Zutritt für Hinterwäldler.“
       
       14 Nov 2013
       
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