# taz.de -- Kein Comeback der AKWs: Ein Löwenherz für Japans Grünstrom
       
       > Ausgerechnet der rechte Ex-Regierungschef Koizumi drängt seinen
       > Nachfolger Shinzo Abe zum sofortigen Atomausstieg. Doch der ziert sich
       > noch.
       
 (IMG) Bild: Arbeiter in Fukushima
       
       BERLIN taz | Die Atomkraftgegner in Japan haben höchst prominente
       Unterstützung erhalten. Ausgerechnet der rechtsnationale und neoliberale
       Expremierminister Junichiro Koizumi fordert den sofortigen Ausstieg aus der
       Atomkraft und eine Wende hin zu erneuerbaren Energien. Die 50
       abgeschalteten Reaktoren in ganz Japan sollten nie wieder in Betrieb gehen.
       
       Koizumis Meinung hat enormes Gewicht. Er hat von 2001 bis 2006 regiert und
       ist bis heute der beliebteste Politiker des Landes. Ihm wird ein
       untrügliches Gespür für die Wählerstimmung nachgesagt.
       
       Bei einem Auftritt vor 350 Journalisten warf Koizumi den Befürwortern der
       Atomkraft vor, „unverantwortlich und allzu optimistisch“ auf den Neustart
       der Reaktoren zu drängen, ohne ein Endlager für Atomabfälle zu bauen. Dann
       fragte der rhetorisch brillante Politiker: „Ist es nicht eine großartige
       Idee voller Träume, dass wir das, was uns die Natur gibt, in erneuerbare
       Energie verwandeln?“
       
       Koizumi forderte seinen Nachfolger und Ziehsohn Shinzo Abe, der seit knapp
       einem Jahr ein zweites Mal regiert, zum Handeln auf. Es sei selten, dass
       die Wähler in einer Frage so einig seien. Abe könne sich glücklich
       schätzen, als Regierungschef diese Chance zu bekommen.
       
       Koizumi, der wegen seiner grauen Haartolle und seines politischen Muts in
       Japan „Löwenherz“ genannt wird, war einst selbst ein glühender Anhänger der
       Atomkraft. Während seiner fünfjährigen Amtszeit gingen vier neue
       Atomkraftwerke ans Netz. Seine konservative Regierung genehmigte auch den
       Bau eines siebten und achten Reaktors in Fukushima Daiichi und schaffte
       unter dem Einfluss des Stromriesen Tepco die Subventionen für Solaranlagen
       ab.
       
       ## Kein Endlager
       
       Doch die Kernschmelzen vom März 2011 haben Koizumi zu einem Atomkraftgegner
       bekehrt. Der Himmel habe Japan die Chance gegeben, umweltfreundliche
       Energien zu entwickeln, sagte er schon 2012. Als sich japanische
       Industrievertreter bei einer Konferenz im April für Atomkraft aussprachen,
       stand Koizumi auf und erklärte: „Das ist nicht gut!“ – und löste damit
       große Stille im Saal aus.
       
       Im August überredete Koizumi Manager der AKW-Bauer Toshiba, Hitachi und
       Mitsubishi zu einer Europareise. In Deutschland besuchte die Gruppe ein
       Windkraftwerk und eine Biogasanlage. In Finnland besichtigte man die
       Atommülldeponie Onkalo, die 2020 in Betrieb geht.
       
       Ohne ein eigenes Endlager habe Japan keine andere Wahl als den
       Atomausstieg, bilanzierte Koizumi. Anfang Oktober schockierte er 2.500
       Manager mit der Aussage, nichts sei teurer als Atomenergie. Japan solle
       sich für eine nachhaltigere Gesellschaft entscheiden. Wenn der heutige
       Regierungschef diese Entscheidung fälle, werde ihm die Mehrheit seiner
       Partei folgen, setzte Koizumi jetzt hinzu.
       
       Die Signale seines früheren Mentors sind bei Abe angekommen. Inzwischen
       fällt seine Ankündigung, die abgeschalteten Reaktoren möglichst schnell
       wieder in Betrieb zu nehmen, wesentlich leiser aus. Doch in der Sache
       bleibt Abe hart, zumal seine Pro-Atom-Haltung seine Beliebtheit nicht
       verringert hat. Auch wenn der politische Instinkt dafür spreche, sei ein
       Atomausstieg verantwortungslos, meinte Abe. Die Einfuhr von
       Ersatzbrennstoffen koste Japan jährlich 30 Milliarden Euro. Das sei
       japanischer Reichtum, der ins Ausland abfließe.
       
       Gegen diese kühle Vernunft setzt Koizumi seinen emotionalen Traum. Dahinter
       verbirgt sich aber auch eine Warnung an seinen Ziehsohn Abe, den starken
       Wählerwunsch nach einem Atomausstieg nicht einfach zu ignorieren.
       
       27 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Fritz
       
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