# taz.de -- Wirtschaft kritisiert Koalitionsvertrag: Keine ausreichende Finanzierung
       
       > Der Koalitionsvertrag steht, aber das letzte Wort hat die SPD-Basis. Die
       > grummelt etwas. Und die Wirtschaft sagt: Nicht finanzierbar.
       
 (IMG) Bild: Die Basis muss abstimmen, die Parteispitze geht auf Werbetour
       
       HOFHEIM/BERLIN dpa | Einen Tag nach Unterzeichnung des schwarz-roten
       Koalitionsvertrages geht die SPD auf Werbetour an ihrer Parteibasis. Zur
       ersten Regionalkonferenz am Donnerstag in Hofheim bei Frankfurt/Main werden
       der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und der hessische SPD-Landeschef
       Thorsten Schäfer-Gümbel erwartet. Die Parteispitze lässt erstmals die
       Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen.
       
       Zahlreiche SPD-Spitzenpolitiker empfahlen Zustimmung. An der Basis vieler
       Landesverbände herrscht jedoch Skepsis über das erneute Zusammengehen mit
       CDU und CSU. Nach dem Termin in Hofheim und weiteren Regionalkonferenzen
       soll das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheides am 14. Dezember feststehen.
       
       Juso-Chef Sascha Vogt sagte, die SPD habe einige wichtige Punkte
       durchsetzen können, etwa den Mindestlohn. „Ich finde schon, dass man den
       Koalitionsvertrag den Mitgliedern so vorlegen kann.“ So sieht das auch
       SPD-Vize Olaf Scholz. „Wir haben viel erreicht, für die Bürgerinnen und
       Bürger in diesem Land, und deshalb können wir ihn auch jedem empfehlen“,
       sagte Hamburgs Erster Bürgermeister am Abend in der ARD.
       
       Ernst Dieter Rossmann, Sprecher der „Parlamentarischen Linken“ in der
       SPD-Bundestagsfraktion, sagte den Stuttgarter Nachrichten: „Die SPD hat
       hervorragend verhandelt. Wir konnten wesentliche Eckpunkte setzen: beim
       Ausbau des Sozialstaats, bei der Regulierung des Arbeitsmarktes, bei
       Investitionen in die Infrastruktur und die Modernisierung der Gesellschaft.
       Deshalb halte ich den Koalitionsvertrag aus Überzeugung für
       zustimmungsfähig und werbe auch dafür.“
       
       ## „Stillstand und Spaltung“
       
       Unionsfraktionschef Volker Kauder zeigte sich im Hinblick auf das
       SPD-Mitgliedervotum optimistisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die
       Mitglieder den Vertrag billigen“, sagte er der Passauer Neuen Presse. „Zum
       Glück verteidigen ja die Vertreter aller Parteiflügel die Vereinbarung.“
       
       Der Linke-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, erwartet einen
       „konservativen Stillstand mit einer zunehmenden sozialen Spaltung“ als
       Ergebnis der großen Koalition. Er sagte der Leipziger Volkszeitung: „Die
       Koalition von CDU/CSU und SPD setzt im Kern die Politik von Schwarz-Gelb
       fort, ergänzt um Sonderwünsche von Horst Seehofer.“ Großkonzerne und
       Unternehmerlobby hätten „dieser Koalition ihren Stempel schon jetzt
       aufgedrückt, bevor sie zu regieren beginnt“. Er sei gespannt, wie die
       SPD-Basis damit umgehe, „dass ihr Wahlprogramm sich bestenfalls als
       Randnotiz wiederfindet“.
       
       Der Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Christoph
       Schmidt, hält die schwarz-roten Ausgabenpläne für nicht ausreichend
       finanziert. „Bis zum Jahr 2017 lassen sich die vorgesehenen Mehrausgaben
       vielleicht finanzieren, ohne Steuererhöhung und ohne neue Schulden ab dem
       Jahr 2015, darüber hinaus jedoch nicht“, sagte Schmidt der Welt.
       
       Derzeit profitiere die Politik durch die unvermindert wirkende kalte
       Progression, das extrem niedrige Zinsniveau und ein demografisches
       Zwischenhoch von drei Sonderfaktoren, sagte Schmidt. Doch diese
       Sonderfaktoren seien zeitlich befristet: „Von einer ausreichenden
       Finanzierung der geplanten Mehrausgaben kann daher keine Rede sein.“
       
       ## Dauerhafte Mehrausgaben
       
       Dem Wirtschaftsweisen zufolge führen die Pläne für eine abschlagsfreie
       Rente ab 63 Jahren, eine Mütterrente sowie die solidarische
       Lebensleistungsrente zu dauerhaften Mehrausgaben. „Sie müssen zwangsläufig
       über höhere Beiträge, zusätzliche Steuer-Zuschüsse oder eine Absenkung des
       allgemeinen Rentenniveaus finanziert werden.“ Insofern sei die
       Demografie-Festigkeit des Rentensystems „akut bedroht“, warnte Schmidt.
       
       Nach Angaben aus Verhandlungskreisen verursachen die Vorhaben der am
       Mittwoch vereinbarten großen Koalition in der kommenden Legislaturperiode
       23 Milliarden Euro Mehrkosten.
       
       Der amtierende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält die geplanten
       Ausgaben der großen Koalition indes für finanzierbar. „Wir haben das
       wirklich alles solide gerechnet“, sagte er am im Deutschlandfunk. Die im
       Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorhaben seien „eine vorsichtige,
       ehrgeizige, aber realistische Planung.“
       
       Alle Ausgaben sollen von den jeweiligen Fachbereichen gegenfinanziert
       werden. Eine Ausnahme seien die „prioritären Maßnahmen“, die sich von 2014
       bis 2017 auf 23,06 Milliarden Euro beliefen, erläuterte Schäuble. Außerdem
       habe man sich für die Jahre 2016 und 2017 auf globale Mindereinnahmen
       eingestellt. „Wir haben den Spielraum.“
       
       ## Keine Steuererhöhung
       
       Schäuble machte zudem klar, dass eine Erhöhung der Rentenbeiträge künftig
       unausweichlich sei. „Die Rentenbeiträge werden in der Zukunft irgendwann
       steigen, weil weniger Jüngere mehr Älteren gegenüberstehen. (...) Deswegen
       investieren wir so viele zusätzliche Mittel in Ausbildung, von
       Kindertagesstätten bis zu den Hochschulen.“
       
       Kauder unterstrich in der PNP, dass Schwarz-Rot die Steuern nicht anheben
       wolle. „Es wird keine Steuererhöhungen geben“, sagte er auf die Frage, ob
       er einen solchen Schritt für die gesamte Legislaturperiode ausschließe.
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Steuererhöhungen oder zusätzliche
       Schulden für die nächsten vier Jahre nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
       
       Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte die
       Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zur Energiepolitik. „Von der Idee und
       dem Zweck der Energiewende, eine Energieversorgung ohne Atomstrom und
       perspektivisch ohne Kohle und Gas zu ermöglichen, ist nicht mehr viel zu
       erkennen“, sagte Habeck. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bemängelte in
       der Neuen Osnabrücker Zeitung, anstelle der CO2-Emissionen werde der Ausbau
       der erneuerbaren Energien gedeckelt. Das sei eine Absage an Klimaschutz,
       neue Arbeitsplätze und an eine deutsche Vorreiterrolle bei
       umweltfreundlichen Produkten.
       
       28 Nov 2013
       
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