# taz.de -- Kolumne Besser: Wieder 50 Ungläubige umgenietet!
       
       > Teegläser in die Luft – die Große Koalition will die „interkulturelle
       > Öffnung“ der Medien weiter verstärken.
       
 (IMG) Bild: Gesellschaftstechnokratischer Kram
       
       Ich sage nicht ich, habe ich an dieser Stelle [1][vor einiger Zeit mal
       geschrieben]. Dass ich wieder eine Ausnahme machen muss, hat etwas mit dem
       Koalitionsvertrag zu tun. [2][Dort steht neben vielerlei anderem Kram auch
       das]: „Wir erkennen an, dass es in den Medien Verbesserungen insbesondere
       mit Blick auf die Präsenz von Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Das
       Gespräch mit den Medien über ihre interkulturelle Öffnung muss jedoch
       weiter verstärkt werden.“
       
       Vermutlich hat sich das irgendein Gesellschaftstechnokrat von der SPD
       ausgedacht, während folgender Beitrag eher von einem CDU-Referenten stammen
       dürfte: „Zur konsequenten Rückführung nicht schutzbedürftiger Menschen
       werden wir eine abgestimmte Strategie begründen.“ Aber vielleicht war es
       auch andersrum. Egal. Mich jedenfalls hat das an eine Begebenheit erinnert,
       von der ich Ihnen nun erzählen will.
       
       Eine Zeit lang schrieb ich als freier Autor für eine regionale Zeitung mit
       überregionalem Anspruch. Dies endete, als mich nach den Terroranschlägen in
       der Londoner U-Bahn ein leitender Redakteur anrief und fragte, ob ich ein
       paar Teestuben und Moscheen abklappern könne, um herauszufinden, was die
       „türkischen Mitbürger“ darüber denken. Ich hatte schon einige
       Mitbürgerartikel geschrieben, aber das war zu viel. So einen Quatsch wollte
       ich nicht machen.
       
       Ein Fehler. So, wie es zwei oder drei Sachen gibt, die ich heute bedaure,
       sie geschrieben zu haben, gibt es zwei Texte, die ich bedaure, sie nicht
       geschrieben zu haben. Dies ist einer davon. Was für eine Story wäre das
       geworden! Türkische Männer, die ihre Teegläser in die Luft heben und rufen:
       „Super, haben wir wieder 50 Ungläubige umgenietet!“ Kopftuchmädchen, die
       Zeitungssauschnitte mit Fotos der Attentäter in ihren Portemonnaies
       aufbewahren! Jungs, die in den Hinterhöfen Passanten und al-Qaida spielen!
       
       Garantiert hätte der Redakteur mir diese Geschichte abgenommen.
       „Aufmachertauglich“, hätte er vielleicht gejubelt. Und ich hätte an anderer
       Stelle die eigentliche Geschichte erzählt: Was deutsche Journalisten sich
       vorstellen, was in den Köpfen ihrer „türkischen Mitbürger“ so vor sich
       geht, und wie bereitwillig sie jeden Blödsinn abdrucken, solange dieser
       ihre Vorurteile bestätigt.
       
       Ich weiß nicht, ob dieser Kollege heute noch so ein Stück in Auftrag geben
       würde. Jedenfalls hat er es sehr bedauert, dass ich danach die Lust verlor,
       weiterhin für seine regionale Zeitung mit überregionalem Anspruch zu
       schreiben. Aber zu der Erkenntnis, dass ihre „interkulturelle Öffnung“
       verstärkt werden müsse, war die damals schon gelangt, ganz ohne das Zutun
       irgendeiner Bundesregierung. Die Nachfrage ist seither nicht gesunken, im
       Gegenteil. Und vielleicht müssen junge Kollegen, die Fatma oder Yassin
       (übrigens: Danke für den Hinweis!) heißen, heute noch derlei Aufgaben
       erledigen. Andererseits sind Lehrjahre keine Herrenjahre, und wer nicht in
       Teestuben geht, muss eben zum SPD-Ortsverein.
       
       Besser: Deine Mudda muss verstärkt werden.
       
       3 Dec 2013
       
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