# taz.de -- Die Wahrheit: Preußisch Roulette
       
       > Es wird gedaddelt und geschachert, gemogelt, angetäuscht, Blindgänger
       > gehoben und Kugeln in Revolverkammern gedrückt. Das neue Kabinett steht.
       
 (IMG) Bild: Die größten Blindgänger der deutschen Politik zieht es an den ovalen Kabinettstisch im Bundeskanzleramt.
       
       „Bitte sehr, der Herr. Ist ganz einfach. Schauen Sie, gewinnen Sie: Unter
       welchem Hütchen ist das Ressort?“
       
       In Berlin wird gedaddelt und geschachert, gemogelt, angetäuscht, werden
       Gerüchte ver- und entdichtet, Blindgänger gehoben und Kugeln in
       Revolverkammern gedrückt. Kaum glaubt man eine halbwegs plausible
       Kabinettsliste vor sich zu haben, werden die Karten erneut gemischt und
       weitere Namen in die Verlosung geschmissen.
       
       Hierbei kennt der Wahnsinn keine Grenzen mehr – nur ein Beispiel: Auf
       einmal kommt ein gewisser Gerd Müller (CSU) für das
       Entwicklungshilfeministerium ins Gespräch. Der ehemalige „Bomber der
       Nation“ auf Staatsempfang in Afrika? Dann sollen aber auch Bernd das Brot,
       Veronica Ferres und der Schreibtisch „Micke“ von Ikea ihre faire Chance
       erhalten.
       
       Vor zigtausend Jahren war es ja nicht ungewöhnlich, dass eine Sippe in der
       Wildnis aufgelesene Freaks, Tiere oder sogar Gegenstände zu ihren Götzen
       und geistigen Führern erhob. Doch damals gab es statt Internet und
       Fernsehen eben auch nur Höhlenmalerei. Im 21. Jahrhundert sollte die
       Informationstechnologie aber doch so weit gediehen sein, dass nicht mehr
       archaischer Firlefanz und Aberglaube die entscheidenden Kriterien bei der
       Auswahl der Minister sind.
       
       ## Alles scheint beim Alten
       
       Davon ist hier allerdings wenig zu sehen. Scannt man die vierzehnköpfige
       Riege des Grauens, scheint zunächst alles beim Alten angesichts all dieser
       Altschäubles, Altfriedrichs und Altmaiers. Nee, der nicht, der ist raus
       bzw. rein ins Kanzleramt. Dafür ist der Uhu wieder da. Jedes Mal, wenn eine
       Große Koalition entsteht, schießt Steinmeier aus seinem Horst wie aus einer
       Kuckucksuhr, schüttelt einmal die Gewölle aus den Federn und guckt drollig
       aus dem Außenministeramt.
       
       Thomas de Maizière rotiert nach Innen zurück, und Ursula von der Leyen
       dafür weiter ins Verteidigungsministerium – die Allzweckwaffe der CDU hat
       nun bald alle Jobs durch. Die Mutter der Nation tauscht das Mutter- gegen
       das Fadenkreuz und wird zur Mutter der Kompanie. Da der Soldat mehr Angst
       vor seinem Vorgesetzten haben soll als vor dem Feind, ist das schon eine
       Superwahl.
       
       Doch es gibt auch neue Gesichter. Mit dem barbituratartigen und irgendwie
       kastenförmigen, aber in seiner tiefsten Seele sicher höchst charismatischen
       Gesundheitsminister Hermann Gröhe auch bei der CDU, jedoch vor allem bei
       der SPD. Da ist, neben dem neuen „Superminister“ Sigmar Gabriel, Heiko Maas
       zu nennen, die Überraschung auf dem Justizministerposten. Man kennt ihn so
       wenig wie das Land, aus dem er stammt: das Saarland. Und wünscht sich
       selbstverständlich, er möge nicht auch dessen Nutzlosigkeit teilen.
       
       Auch über Barbara („Jimi“) Hendricks weiß man nicht viel mehr zu sagen, als
       dass sie „von ganzem Herzen Niederrheinerin“ ist (Hendricks über
       Hendricks). Für ihr neues Ressort, die Umwelt, mag das reichen. Ihre
       SPD-Kollegin Manuela Schwesig wird die Nachfolgerin der mädchenhaft
       vergreisten Familienministerin Kristina Schröder und ist wie diese jung und
       blond. Prompt sabbert die Bild-Zeitung: „ ’Küstenbarbie‘ lässt es krachen“.
       Für die ehemalige Gleichstellungsministerin von Mecklenburg-Vorpommern
       bleibt noch eine Menge Arbeit, bis sich der Küstennebel aus den Köpfen in
       den Redaktionsstuben verzieht.
       
       ## Nahles, die Autonärrin
       
       Nun wird es schlimm: Andrea Nahles, die „Nöles“, wie sie selbst in
       SPD-Kreisen halblaut genannt wird. Die Frau, deren Mann „den Weihnachtsbaum
       noch selber schlägt“, wie die Welt am Sonntag mangels relevanter
       Informationen zu berichten weiß. Die Autonärrin, in deren Region es „ganz
       normal war, dass der SPD-Ortsvorsitzende jahrelang Porsche fuhr“ (FAZ).
       Sympathisch ist allenfalls, dass sie nie in ihrem Leben gearbeitet hat,
       sondern stets Tätigkeiten bei der IG Metall und in der SPD nachging. Aber
       deshalb wird sie ja auch Arbeitsministerin.
       
       Und dann ist da noch Alexander Dobrindt (CSU), ein unflätiger
       Stammtischbruder, der einer vordiplomatischen Epoche zu entstammen scheint,
       als sich diejenigen Affen durchsetzten, die am lautesten brüllten und die
       Äste am weitesten schmissen. Oder man hieb dem Schweinesozi oder Saupreißn
       neben sich den Maßkrug über den Schädel. Es ist, als hätte man F. J. Strauß
       exhumiert, geglättet und in feines Tuch gesteckt. Dazu, welcher Posten für
       diesen Schaumschläger abfällt, hielt man sich lange bedeckt.
       Propagandaminister? Minister für Reinheitsgebote aller Art? Dann fiel doch
       noch die Kugel mit „Verkehr und Digitale Infrastruktur“: Netz zensiert,
       Promille frei!
       
       Man fragt sich schon, warum gerade die landesweit unbeliebtesten Politiker
       zu Ministern ernannt werden. Aber beim Preußisch Roulette überleben eben
       immer die Blindgänger.
       
       15 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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