# taz.de -- Kolumne Wutbürger: Frau ohne Namen
       
       > Eine Mutti hat außerhalb des Kinderzimmers nichts zu melden. Was sagt
       > dieser Titel dann über unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel?
       
 (IMG) Bild: Bei Mutti und den Häppchen
       
       Als ich Anfang der Neunzigerjahre mit meinem Kleinkind in den Osten Berlins
       zog, wurde ich zur Frau ohne Namen. In der Kita war ich wie alle anderen
       Frauen nur noch die Mutti. Und Muttis stellen keine kritischen Fragen zum
       pädagogischen Konzept. Das ist nicht vorgesehen. Ich tat es dennoch. Eine
       Erzieherin zischte mir zu: „Vielleicht sollte die Mutti ihr Kind in eine
       Vitrine stellen und dort abstauben.“ Kamen wir zu spät, hieß es, dass die
       Mutti einfach mal früher aufstehen müsse.
       
       Es gab natürlich auch Vatis. Weil die im Kita-Kosmos aber kaum auftauchten,
       konnten sie auch nicht so viel falsch machen. Eine Mutti, so musste ich
       erfahren, hat außerhalb des Kinderzimmers nichts zu melden. Ihre Aufgaben
       beschränken sich darauf, Schulbrote zu schmieren und Elternabende zu
       besuchen.
       
       Gerade deshalb bin ich mehr als erstaunt, mit welcher Penetranz diese
       Bezeichnung für die Bundeskanzlerin verwendet wird. Wer damit angefangen
       hat, ist mir egal. Aber es muss vor allem für männliche Politiker und
       Journalisten ein großes Bedürfnis sein, Angela Merkel Mutti zu nennen.
       
       Ganz offensichtlich braucht auch noch der kleinste Schreiberling oder
       Hinterbänkler diesen Begriff, um sich davon zu erholen, dass eine Frau
       Kanzlerin ist. Damit auch wirklich allen klar wird, wer die Eier in der
       Hose hat, werden Person und Amt verniedlicht. Ist doch alles Kindergarten!
       Und überhaupt: Das kann doch nur ein peinliches Versehen sein, dass die
       Merkel was zu sagen hat.
       
       Leider wurde diese beinharte Machtpolitikerin kürzlich zum dritten Mal
       Kanzlerin. Das hindert Journalisten aber nicht daran, weiterhin diese
       bescheuerte Zuschreibung zu verwenden. Dass es sich dabei um eine totale
       Fehlinterpretation ihrer tatsächlichen Rolle handelt, scheint unwichtig. Im
       Zweifelsfall ist das natürlich nur ironisch gemeint. Für die völlig
       Verzweifelten hier ein Vorschlag für die nächste Merkel-Überschrift: Wir
       sind Mutti.
       
       4 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) ISABEL LOTT
       
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