# taz.de -- Doku über NS-Täter: Alles was man falsch machen kann
       
       > Der Filmemacher Stefan Ruzowitzky versucht sich mit „Das radikal Böse“ in
       > Täterpsychologie. Dabei ist er sich für nichts zu schade.
       
 (IMG) Bild: Szene aus „Das radikal Böse“.
       
       „Ganz normale Männer“ spielen ausgelassen Fußball, faulenzen auf
       sommerlichen Wiesen, stehen in Rauchergruppen zusammen oder genießen
       Biergeselligkeit am Lagerfeuer. Hin und wieder guckt einer ganz tief und
       fest in die Kamera, gelegentlich geht das Filmbild in sentimentale
       Zeitlupen über.
       
       Auf der Tonebene werden derweil ohne Referenzialisierung historische
       Dokumente verlesen. Den von Schauspielern wie Benno Führmann
       eingesprochenen Zitaten aus Gerichtsprotokollen, Briefen, Tagebüchern ist
       durchgehend Warteschleifenelektromusik beigemischt. Damit es besser
       flutscht.
       
       Der österreichische Filmemacher Stefan Ruzowitzky hat sich, ausgehend von
       Christopher Brownings Buch über das 1942/43 in Polen und Russland wütende
       Reserve-Polizeibataillon 101, unter dem Stichwort des „Bösen“ mit
       Täterpsychologie zu befassen versucht und dabei unfreiwillig eine recht
       vollständige Anthologie zweifelhafter Verfahren des Geschichtsdokugenres
       erstellt. Wer künftig nachschlagen will, was man diesbezüglich alles falsch
       machen kann, muss keine Mediatheken konsultieren, sondern greift einfach
       zum komprimierten Standardwerk: „Das radikal Böse“.
       
       Ausgelassen wird fast nichts: Neben den bizarr ästhetisierten,
       pseudodistanzierten Reenactments, in denen fesche Komparsen in historischen
       deutschen Uniformen herumalbern oder elegisch Sonnenbäder nehmen, lässt
       Ruzowitzky auch einige Experten in assoziativ verbundenen
       Talking-Heads-Schnipseln zu Wort kommen – darunter einen unglaubliche
       Plattitüden von sich gebenden Psychologen der US-Militärakademie West
       Point, aber auch den bedauernswerten Browning selbst, der sich gewundert
       haben muss, dass 22 Jahre nach Erscheinen seines Buches jemand kommt und
       Fragen stellt, als hätte es seitdem keine kontroverse Rezeptionsgeschichte
       gegeben.
       
       Dass man mit NS-„Wochenschau“-Material vorsichtig und reflektiert umgehen
       sollte, hatte sich letztlich sogar bis in die ZDF-Redaktion von Guido Knopp
       herumgesprochen. Ruzowitzky ist aber auch hier noch mal ganz unbefangen,
       arbeitet konsequent dekontextualisierend und illustrativ – ob es sich nun
       um Propagandamaterial handelt oder um Reinhard Wieners viel diskutierte
       Aufnahmen einer Exekution in Libau, die gedankenlos mit Nachstellungen
       deutscher Mörder in Badehosen geremixt werden.
       
       Damit es nicht langweilig wird, schickt Ruzowitzky das Material durch
       sinnfreie Split-Screen-Anordnungen oder stellt die Komparsen vor Leinwände
       und projiziert ihnen Ausschnitte aus „Der ewige Jude“ auf die kernigen
       Gesichter. Auf so einen Unfug muss man erst mal kommen. Zeitzeugen werden
       in der ukrainischen Stadt Bibrka oberflächlich befragt, bevor dann wieder
       Freizeitszenen und Elektromucke übernehmen.
       
       Die ohnehin enorm reformbedürftige Filmbewertungsstelle hat die
       Gute-Kameraden-Bilderserie als „besonders wertvoll“ eingestuft und erkannt,
       hier soll es um „die Schicksale der Täter“ gehen, die „Opfer eines System
       wurden“. Schon wieder faszinierte Nahaufnahmen „unserer Väter“ (diesmal
       ohne Mütter), die überall unfreiwillige Verstrickung, aber kaum noch Täter
       sehen? Den Eindruck kann man haben.
       
       20 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simon Rothöhler
       
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