# taz.de -- Kommentar Volksinitiative gegen Gefahrengebiete: Eine Frage der Betroffenheit
       
       > Gefahrengebiete gegen Migranten gibt es schon lange. Erst, seit sie sich
       > auch gegen die weiße Mehrheitsgesellschaft richten, wird Protest laut.
       
 (IMG) Bild: Gefahrengebiete gibt's in Hamburg schon lange. Nur, dass bisher nicht die weiße Mehrheitsgesellschaft betroffen war
       
       Das Hamburger Gefahrengebiet entwickelt sich zum Hit der politischen
       Saison: Jetzt gibt es nicht mehr nur Proteste gegen das größte
       Gefahrengebiet aller Zeiten in Hamburg, sondern um das polizeiliche
       Instrument als solches: Linke und Grüne stellen es in der Bürgerschaft zur
       Disposition, parallel dazu startet eine Volksinitiative. Gut so.
       
       Beziehungsweise: lange überfällig. Schon seit 2005 darf die Polizei sich
       die Sonderzonen mit erweiterten Befugnis sen genehmigen. Davon hat sie
       reichlich Gebrauch gemacht. Proteste gab es kaum, weil sie zu einem großen
       Teil gegen Migranten gerichtet waren. Ob in Neuwiedenthal, wo 2010 der
       Konflikt zwischen Einwanderern und Polizei eskalierte, in Bergedorf, wo die
       Polizei russischstämmige Jugendliche in die Schranken weisen wollte, oder
       im Schanzenviertel, wo monatelang fast jeder Schwarze wegen des Verdachts
       auf Drogenhandel kontrolliert wurde – die weiße Mehrheitsgesellschaft
       konnte sich unbehelligt, und vor allem: nicht gemeint fühlen.
       
       Das war in den vergangenen Wochen anders: Die Polizei hat das
       Gefahrengebiet zum Revanchefoul gegen die linke Szene genutzt – und dabei
       ein paar zigtausend Bürger als Geiseln genommen. Und es sind nicht
       irgendwelche: Gentrifizierung sei dank, wohnen in den alten
       Arbeitervierteln mittlerweile Angehörige politisch wohl artikulierter
       Milieus, die sich nicht alles gefallen lassen. Man könnte sagen: Dieses
       Gefahrengebiet hat die Richtigen getroffen. Das polizeiliche
       Beruhigungsmittel ist in dieser Melange zum Bumerang geworden. Angesichts
       eines gefühlten Besatzungszustands haben sich weite Teile der
       Anwohnerschaft mit der linken Szene solidarisiert.
       
       ## Maßnahme auf tönernen Füßen
       
       Dazu hat beigetragen, dass die Begründung der Maßnahme immer noch auf
       tönernen Füßen steht: Die Darstellung, ein Polizist sei beim Angriff von
       Autonomen auf eine Polizeiwache schwer verletzt worden, musste die Polizei
       zurücknehmen. Jetzt schloss das Landeskriminalamt die Beteiligung Autonomer
       aus. Dass der Angriff überhaupt stattgefunden hat, bestreiten Augenzeugen.
       
       Diese Vorgeschichte belegt, dass nicht gut ist, wenn die Polizei selbst
       über ihre Befugnisse entscheidet. Ob das Gefahrengebiet deswegen fällt? Im
       Parlament sicher nicht, da stehen SPD und CDU fest geschlossen. Und bei
       einem Volksentscheid? Laut Umfragen haben die meisten Hamburger das jüngste
       Gefahrengebiet gebilligt. Vieles wird davon abhängen, ob ihnen das Thema
       wichtig genug ist, um ihre Stimme abzugeben. In St. Pauli jedenfalls wird
       die Beteiligung alle Rekorde brechen.
       
       20 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Kahlcke
       
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