# taz.de -- Entschleunigung der Schule: Erste Partei sägt am Turbo-Abi
       
       > Die CDU macht der Volksinitiative für das Abitur nach Klasse 13 ein
       > Angebot: Gymnasien sollen selbst entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Jetzt doch: Schulen sollen nach dem Willen der CDU zwischen G8 und G9 entscheiden dürfen
       
       HAMBURG taz | Es ist eine dieser Ideen, mit der Hamburgs
       BildungspolitikerInnen einen Volksentscheid zu verhindern suchen: Die
       Gymnasien sollen selbst entscheiden, ob sie das Abitur weiter nach Klasse
       12 anbieten wollen, also nach acht Jahren Lernzeit (G8), oder zurückkehren
       zum Abschluss nach Klasse 13 (G9). Das hat am Donnerstag die
       CDU-Bürgerschaftsfraktion auf den Diskussionstisch gelegt – gerichtet an
       die Volksinitiative „G9-HH-Jetzt“. Bis Ende Oktober müssten sich die
       Schulen demnach festlegen, um dann in 2015 neu zu starten.
       
       Dass die Initiative ausschließlich mit der alleinregierenden SPD
       verhandelt, sei ein Fehler, sagte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich. Es
       müssten alle Parteien beteiligt werden, um den Schulfrieden zu erhalten.
       „Hamburg droht ein neuer Schulstrukturstreit“, sagte der frühere
       Schulsenator, ja – man sei eigentlich schon mittendrin.
       
       Mit ihrem Vorstoß vollzieht die CDU eine radikale Wende: Sie hatte ja 2002
       gemeinsam mit der FDP das Turbo-Abitur in Hamburg eingeführt. Und noch im
       Februar diesen Jahres hatte die CDU-Bildungszuständige Karin Prien erklärt:
       Wer in Hamburg die Rückkehr zum G9 wolle, der mache die Gymnasien „auf
       Dauer zur Einheitsschule“.
       
       Gegen das spätere Abitur hatten sich auch die anderen
       Bürgerschaftsfraktionen positioniert. Inzwischen bröckelt diese Front –
       weil Niedersachsen zum G9 zurückkehrt und das einer Erhebung des Hamburger
       Abendblatts zufolge 70 Prozent der HamburgerInnen auch wollen. So schlug
       die Grünen-Abgeordnete Stefanie von Berg in der taz vor, den Schulen die
       Entscheidung über G8 oder G9 zu überlassen. Die SPD hat für die kommende
       Woche einen „konkreten Vorschlag“ an die Initiative angekündigt – und will
       CDU und Grüne an einer Lösung beteiligen.
       
       Im Kleingedruckten unterscheiden sich deren Ideen indes erheblich: So will
       die CDU die Stadtteilschule „stärken“, wie sie schreibt – und dafür die
       flächendeckende Inklusion behinderter Kinder stoppen: Unter den
       Stadtteilschulen soll es stattdessen einige „gut ausgestattete
       Leuchtturmschulen“ geben. Damit würden im Prinzip neue Förderschulen
       geschaffen, kritisieren SPD und Grüne, Kinder mit Förderbedarf könnten
       wieder gegen ihren Willen dorthin abgeschoben werden.
       
       Aus Sicht der CDU soll das G9-Gymnasium nicht zu viel Zuspruch erhalten,
       also keine „Einheitsschule durch die Hintertür“ werden. Das sei auch das
       Anliegen der G9-Volksinitiative.
       
       Diese möchte, dass an allen Gymnasien G8- oder G9-„Züge“ angeboten werden,
       damit Eltern wählen können. Ini-Sprecherin Mareile Kirsch zollte der CDU am
       Donnerstag erstmal Respekt. Es sei „ein Zeichen von Glaubwürdigkeit“, so
       Kirsch, „wenn man sagt: Da korrigieren wir uns.“ Konkret verhandele man
       aber derzeit nur mit der SPD. Den Hamburger Schulfrieden nannte Kirsch
       „eine Nebelwolke. Es gibt ihn nicht mehr“.
       
       Maximale Eltern-Wahlfreiheit, wie sie „G9-HH-Jetzt“ will, gilt in
       Behördenkreisen als schwer umsetzbar. Auch die Idee, die Entscheidung den
       Schulen zu überlassen, stößt dort allerdings auf Skepsis. Gelassen
       reagierten Elternvertreter. „Wir sind der Meinung, dass G9 völlig normal
       ist“, sagt Robert Schneider von der Gemeinschaft der Elternräte an
       Stadtteilschulen (GEST). „Schließlich haben wir unsere Kinder auf Schulen,
       die sie in neun Jahren zum Abitur bringen.“ Laut Schulgesetz hätten
       G9-Gymnasium und Stadtteilschule den gleichen Bildungsauftrag, so
       Schneider: Verlängere man die Lernzeit an den Gymnasien, „kann man sie auch
       Stadtteilschulen nennen“.
       
       ## taz.nord SEITE 21
       
       20 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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