# taz.de -- Schulkampf im Hamburg: Gymnasien kämpfen ums Turboabi
       
       > Eine Elterninitiative will auch an Gymnasien das Abitur nach neun Jahren
       > zurück haben, aber die Gymnasialschulleiter halten dagegen.
       
 (IMG) Bild: Gegenwind aus den Gymnasien: Mareile Kirsch kämpft für das neunjährige Gymnasium.
       
       HAMBURG taz | Mit dem Rosa-Luxemburg-Zitat „Wer kämpft, kann verlieren, wer
       nicht kämpft, hat schon verloren“ endet ein offener Brief, den die
       Vereinigung der Hamburger Gymnasialleitungen in dieser Woche an Parteien
       der Bürgerschaft schickte. „Wir haben ein bisschen die Notbremse gezogen“,
       sagt der Vorsitzende der Vereinigung, Egon Tegge. Man habe befürchtet, dass
       Hamburgs SPD der Volksinitiative „G 9-Jetzt-HH“ schon bei den jetzigen
       Verhandlungen ein konkretes Angebot zur Rückkehr zum neunjährigen Abitur
       mache.
       
       Damit wäre aus Tegges Sicht viel verloren: Die Vereinigung wirft der
       Politik vor, das erst vier Jahre junge „Zwei Säulen“-System aus Gymnasium
       (Abitur nach acht Jahren, G 8) und Stadtteilschule (Abitur nach neun
       Jahren, G 9) im „vorauseilenden Gehorsam“ aufzugeben. Denn schon die
       Einführung des G 9-Abiturs nur an einigen Gymnasien berge die Gefahr, dass
       Hamburg erneut ein dreigliedriges System bekomme – aus Gymnasien erster und
       zweiter Ordnung und der „Stadtteilschule als Restschule“.
       
       Die Bitte der Schulleiter wurde erhört: SPD-Schulsenator Ties Rabe will nun
       zuerst von allen Schulkonferenzen ein Meinungsbild zu G 9 abfragen.
       Schließlich seien bei den Konferenzen diejenigen vertreten, die eine
       Strukturänderung tragen müssten: Hamburgs Schüler, Lehrer und Eltern.
       
       Die G 9-Initiative ist darüber erbost. Sie hatte ein konkretes Angebot
       erwartet und droht nun, die Verhandlungen abzubrechen. Unterstützt wird sie
       von der Bild-Zeitung. „Schulsenator verhöhnt alle Turbo-Abi-Gegner“, und
       betreibe ein „durchtriebenes Spiel“, schreibt das Blatt. Der böse Verdacht
       liege nahe, dass Rabe sich bei „internen Gremien“ einen „Persilschein“
       holen wolle. Dabei seien zwei Umfragen schon „schallende Ohrfeigen“.
       Gemeint ist eine des Hamburger Abendblatts, nach der 70 Prozent der
       Befragten zum G 9 zurück wollen, und eine der Hamburger Morgenpost, wonach
       sogar 78 Prozent dafür sind.
       
       Man dürfe Schulpolitik nicht allein von „Baugefühl-Mehrheiten“ abhängig
       machen, sondern müsse auch unter denen, die am Gymnasium beteiligt sind,
       einen Konsens finden, hält Rabe dagegen. Mit der Abfrage gewinnt die SPD
       etwas Zeit, doch das passt der Initiative nicht. In den Schulkonferenzen
       säßen ja eh nur G 8-Befürworter wie Schulleiter Tegge, sagt Sprecherin
       Mareile Kirsch. Die Journalistin aus Blankenese kämpft seit Jahren gegen
       die Reform, die ihre beiden Kinder mitmachen mussten.
       
       Die Initiative möchte sich allerdings nicht gegen schnelles Lernen wenden.
       Sie fordert Wahlrecht zwischen G 8 und G 9 „für alle Eltern an Gymnasien“.
       Auch Schülern, die gerade im G 8 sind, soll der Wechsel möglich sein.
       
       Für die Elternkammer, die gewählte Vertretung aller Eltern der Stadt, sind
       diese Vorschläge „unausgegoren“ und „inakzeptabel“. Der Parallelbetrieb von
       G 8 und G 9 bedeute „unzumutbares Schulchaos“. Auch die Lehrerkammer nennt
       die Pläne „weder praktikabel noch schülerfreundlich“. Müssten doch
       bestehende Klassen „willkürlich auseinandergerissen werden“.
       
       Doch seitdem Volksentscheide in Hamburg verbindlich sind, wird Schulpolitik
       nicht mehr nur in Parlament und Schulgremien gemacht. Der verlorene
       Volksentscheid zur Primarschule sitzt allen noch in den Knochen.
       
       Kommt es zu keiner Einigung mit der Initiative, sammelt diese im Herbst für
       die zweite Stufe, das Volksbegehren. Rund 65.000 Unterschriften in drei
       Wochen sind dafür nötig. Im Anschluss käme dann in 2015 der Volksentscheid,
       für den ein Fünftel der Wahlberechtigten stimmen müssten. Ungünstig für die
       Initiative ist, dass der Termin nach der Hamburg-Wahl am 15. Februar 2015
       liegen würde und sie extra an einem Sonntag an die Urnen bitten müsste.
       Aber das hatten die Primarschul-Gegner auch geschafft.
       
       Doch auch schon ein Erfolg der Initiative im Herbst wird die Regierenden
       für weitere Verhandlungen gefügig machen. Denn wäre der Volksentscheid erst
       einmal verloren, müsste die Politik ihn auch umsetzen.
       
       30 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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