# taz.de -- Kommentar Justizversagen Ouri Jalloh: Rechtsstaat, was machst du?
       
       > Der Justiz kann man nicht in jedem Fall vertrauen. Sollen die Bürger
       > jetzt immer Gutachter privat bezahlen, damit sie gezwungen wird, ihre
       > Arbeit zu machen?
       
 (IMG) Bild: Wer nicht an einen Selbstmord glaubte, wurde verprügelt, angeklagt oder zu Geldstrafen verurteilt
       
       Ein gefesselter Afrikaner verbrennt in einer deutschen Polizeizelle – und
       Polizisten sollen ihn angezündet haben? Es ist verständlich, das nicht
       wahrhaben zu wollen. Ja, Polizei und Justiz wollten und konnten sich so
       eine Tat noch nicht einmal vorstellen. Die Justiz muss das Unvorstellbare
       sicher ausschließen.
       
       Im Fall Oury Jalloh hat sie das nicht getan, wie sie jetzt selbst zugibt.
       Sie hat statdessen einseitig ermittelt und zusätzlich die ins Visier
       genommen, die ihren Tunnenblick kritisierten. Wer nicht an einen Selbstmord
       glaubte, dies öffentlich gesagt oder geschrieben hat oder ein
       entsprechendes T-Shirt trug, wurde des Gerichtssaales verwiesen oder
       geräumt, verprügelt, angeklagt oder zu Geldstrafen verurteilt; auch die
       Betreiber von entsprechenden Homepages wurden ausfindig gemacht und mit
       Strafe bedroht.
       
       Jetzt liegt ein neues Gutachten auf dem Tisch, das jene beschafft haben,
       die wegen ihrer Kritik an der Arbeit der Justiz von dieser kriminalisiert
       worden waren. Bilder von Oury Jallohs Leiche sind in der Welt, sie sind
       drastisch, der Erklärungsdruck groß, Medien von Berlin über London bis nach
       New York interessieren sich wieder für den Fall.
       
       Und jetzt spricht die Staatsanwaltschaft von „überraschenden“, „ernsten“
       und „teilweise erschreckend Informationen“, als sei plötzich ein lange
       verschollenes Beweisstück aufgetaucht. Was für eine Heuchelei.
       
       Denn die Zweifel der Oury Jalloh-Initiative hätte die Staatsanwaltschaft
       selbst haben müssen. Wie plausibel ist denn die These vom Selbstmord eines
       gefesselten Mannes, vom Feuerzeug das bei der Durchsuchung der Zelle
       übersehen und erst Tage später gefunden wird? Was sagt uns die Tatsache,
       dass die Asche aus der Zelle nicht untersucht wurde, der entscheidende Teil
       des Tatortvideos verschwand, Einträge im Dienstprotokoll der Wache gelöscht
       wurden, die Polizisten sich vor Gericht widersprachen?
       
       Und jetzt? Auch jetzt gibt es keinen Grund, der Justiz zu vertrauen: Der
       von ihr beauftragte Pathologe gab die Leiche frei, ohne die Brüche im
       Schädel festgestellt zu haben. Erst ein von einem Unterstützerkreis Jallohs
       durchgesetzte und bezahlte zweite Obduktion brachte diese ans Licht – und
       hat es überhaupt erst möglich gemacht, eine Ahnung davon zu bekommen, was
       vielleicht in diesem Polizeirevier passiert sein könnte. Das gleiche gilt
       für das neue, wiederum privat bezahlte Gutachten zum Brandverlauf. Auch das
       hätte die Staatsanwaltschaft ganz von alleine schon vor acht Jahren in
       Auftrag geben müssen. Aber sie hat es nicht getan.
       
       13 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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