# taz.de -- Kommentar Verfassungsschutzbericht: Extremisten der Mitte
       
       > Nicht nur gewaltbereite Rechte vergiften die Gesellschaft. Auch Sarrazin,
       > Pirinçci und etliche Politiker befeuern Ressentiments und bestärken
       > Neonazis.
       
 (IMG) Bild: Dumme Mitte-Extremisten futtern Hirne: antifaschistischer Protest in Würzburg.
       
       Die Ermittlungen zum NSU-Verfahren haben die Szene von NPD bis Autonome
       Nationalisten nicht eingeschüchtert. Der höhere Ermittlungsdruck durch die
       Sicherheitsstrukturen ebenso wenig. Am Mittwoch mussten Bundesinnenminister
       Thomas de Maizière (CDU) und Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen
       erklären, dass die rassistischen Übergriffen im Vergleich zum Vorjahr um
       20,4 Prozent gestiegen sind.
       
       2012 registrierten sie 393 Straftaten, im vergangenen Jahr 473. Der Anstieg
       darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Beratungsstellen von Opfern
       rechtsmotivierter Gewalt von einem großen „Dunkelfeld“ rassistischer und
       rechtsextremer Straftaten ausgehen.
       
       Kein Fakt spricht für eine andere Entwicklung. Im Gegenteil: Die Debatten
       um die NSU-Ermittlungen haben nicht in allen Bereichen der
       Sicherheitsapparate zu einer größeren Sensibilität bei solchen An- und
       Übergriffen geführt.
       
       Nur ein aktuelles Beispiel: Im Mai diesen Jahres verhandelte das
       Landgericht Magdeburg den Angriff auf den Imbissbetreiber Abdurrahman E.,
       den neun Männer, begleitet mit Beleidigungen wie „Scheißtürke“, fast tot
       prügelten. Die Staatsanwaltschaft wollte keine rassistischen Motive
       erkennen, das Gericht ein politisches Motiv mit „erforderlicher Sicherheit“
       nicht feststellen. Das Urteil fiel entsprechend milde aus. Die Hemmschwelle
       zur Gewalt dürfte es nicht erhöht haben.
       
       Ganz besorgt mache de Maizière auch, dass die „rechte Szene“ versuche, „die
       Stimmung gegenüber Fremden zu vergiften, indem sie Ängste und Vorurteile
       gegen Asylsuchende schürt“. Eine Sorge, das legt die Wortwahl nahe, die den
       gesellschaftlichen Kontext von rassistischer Gewalt nicht beachtet.
       
       ## Fatale Wirkung
       
       Die Stimmung „gegenüber Fremden“ vergiften nicht alleine die „Extremisten
       von rechts“. Die Extremisten aus der Mitte giften verstärkt mit. Die
       Diskussionen um die Bestellerautoren Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci
       wirken in der gesellschaftlichen Mitte. Die Debatte von Politikern
       verschiedenerer Parteien über die sogenannte Armutseinwanderung in die
       Sozialsysteme befeuert die Ressentiments. Diese komplexe Wechselwirkung
       muss nicht bloß im Wohlstandschauvinismus münden – dessen Wirkung schon
       fatal ist.
       
       Eine Studie der Universität Leipzig zeigte gerade, dass „die Wut“ gegen
       Asylsuchende, Muslime, Roma und Sinti massiv gestiegen ist. Diese Diskurse
       können auch die Hemmschwelle der Gewalt durch „Extremisten der Rechten“
       sinken lassen – sie fühlen sich durch die „Extremisten der Mitte“ bestärkt.
       
       18 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
       
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