# taz.de -- Kommentar Mütterrente: Teuer und rückwärtsgewandt
       
       > Die Mütterrente, die nun in Kraft tritt, belohnt das Dasein als Hausfrau
       > und bestraft ein Arbeitsleben. Und sie zementiert Ost-West-Unterschiede.
       
 (IMG) Bild: Träumt Ministerin Andrea Nahles davon, die Mütterrente wieder aus dem Paket zu nehmen?
       
       Die Mütterrente, die ab Dienstag gilt, ist ein Erfolg. Findet die Union.
       Sie hat um sie gekämpft, wie eine Mutter um ihr Baby kämpfen würde. Aber
       die Mütterrente ist kein Erfolg. Sie ist genau das Gegenteil: ungerecht,
       teuer und rückwärtsgewandt. Und sie zementiert einen Ost-West-Unterschied,
       der 25 Jahre nach dem Mauerfall aufgehoben sein sollte.
       
       Wenn die Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, demnächst auf ihren
       Rentenbescheid schauen, sollte da ein höherer Betrag für einen zusätzlichen
       Rentenpunkt stehen. Für Mütter im Westen bis zu 28,61 Euro im Monat mehr
       für jedes Kind, im Osten bis zu 26,39 Euro. So weit die Theorie.
       
       Stellt sich zunächst jedoch die Frage, warum die Leistung einer Mutter im
       Westen 2,22 Euro mehr wert ist als die Leistung einer Mutter im Osten. Hat
       Frau W. aus Wetzlar ihre Kinder mehr geliebt als Frau O. in Oschatz? Hat
       sie ihnen öfter bei den Hausaufgaben geholfen und sie regelmäßiger zum
       Klavierunterricht und zum Fußballtraining gefahren?
       
       Der Grund für die Ost-West-Diskrepanz liegt nach wie vor in der
       „unterschiedlichen Wirtschaftskraft“, sagt eine Sprecherin der Deutschen
       Rentenversicherung: Das Rentenniveau sei immer noch nicht angeglichen.
       
       Die Bundesregierung hat die Mütterrente einst mit dem Slogan beworben:
       „Nicht geschenkt, sondern verdient“. Der Satz stimmt nicht. Es ist eher
       genau andersrum: Diejenigen Mütter, die nichts verdient haben, weil sie
       nicht berufstätig waren, bekommen genau dafür etwas geschenkt. Und
       diejenigen, die etwas verdient haben, nämlich ihr eigenes Geld, bekommen
       deswegen noch lange nichts geschenkt.
       
       Und das geht so: Jene Mütter, die wegen der Kinder und des Mannes längere
       Zeit oder ganz auf ein Erwerbsleben verzichten und dadurch nur wenig oder
       nie in die Rentenkasse einzahlen, bekommen die volle Mütterrente. All jene
       jedoch, die schon früher an später denken, arbeiten und die Rentenkasse
       bestücken, bekommen nicht unbedingt die volle Summe. Nämlich dann nicht,
       wenn ihr Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Ihre
       Mütterrente wird mit der Rente, die sie sich selbst erarbeiten, verrechnet.
       Die Mütterrente belohnt also ein Hausfrauendasein und bestraft ein
       Arbeitsleben.
       
       Und das in einer Zeit, in der die SPD-Familienministerin mehr für die
       Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun will und immer mehr Männer
       Vätermonate nehmen. In der immer mehr Mütter in Politik, Wirtschaft und
       Gesellschaft durchstarten und das Institut der deutschen Wirtschaft
       feststellt, dass Arbeit insbesondere Frauen glücklich macht. Zumindest sind
       diejenigen mit einer geregelten Arbeit zufriedener als jene ohne Job.
       
       ## Sieben Milliarden Euro zusätzlich
       
       Nun muss man vorsichtig sein, man darf Mütter nicht gegeneinander
       ausspielen. Jede Mutter – und jeder Vater – verdient es, Anerkennung zu
       bekommen. Egal, wo und wie sie ihre Kinder großzieht.
       
       Teuer ist die Mütterrente auch noch. Rund 9,4 Millionen Rentnerinnen und
       Rentner sollen laut Bundesregierung davon profitieren. Doch wie lange?
       Diese Rentenerhöhung kostet etwa 7 Milliarden Euro zusätzlich jedes Jahr.
       Zunächst wird die Summe aus der Rentenkasse bezahlt. Damit finanzieren also
       auch jene Frauen, die gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben,
       die Mütterrente von Frauen, die als Hausfrauen nie etwas eingezahlt haben.
       Unabhängig davon, dass sie nicht einmal die volle Summe ausbezahlt bekommen
       – siehe oben.
       
       Und später, wenn die Überschüsse in der Rentenversicherung aufgebraucht
       sind, die sich in den vergangenen Jahren angesammelt haben, müssen die
       Steuerzahlerinnen und -zahler die Mütterrente begleichen. Auch hier zahlen
       wieder jene, die arbeiten. Die profitierenden Hausfrauen zahlen nichts:
       keine Erwerbsarbeit, kein Einkommen, keine Steuerleistungen.
       
       Übrigens: Die Rentenversicherung selbst spricht von der Mütterrente nicht
       als Lebensleistungsrente, so wie das die Regierung tut. Sondern von einer
       Mindestrente. Die Lebensleistungsrente ist etwas komplett anderes: eine
       Aufstockung der Altersrente für all jene, die trotz lebenslanger Arbeit
       eine geringe Rente bekommen, die zum Leben nicht reicht.
       
       1 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Mütterrente
 (DIR) Andrea Nahles
 (DIR) Rentenversicherung
 (DIR) Altersarmut
 (DIR) Mütterrente
 (DIR) SPD
 (DIR) Familie
 (DIR) Rente
 (DIR) Rentenpaket
 (DIR) Rente
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rentenpaket der Bundesregierung: Her mit der Reichensteuer
       
       Das Kabinett hat am Mittwoch ein Rentenpaket beschlossen, aber ohne echte
       Reformen. Dabei gibt es genug Ideen, die Rente langfristig abzusichern.
       
 (DIR) Kommentar Streit um die Rente: Volkspartei und Opferkonkurrenz
       
       Konzepte gegen die Altersarmut sind gefragt. Doch auch die von der SPD
       favorisierte Lebensleistungsrente ist keine Lösung. Sie ist eine
       Mogelpackung.
       
 (DIR) Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Wege aus der Hölle
       
       Kinder und Karriere lassen sich einfach nicht vereinbaren. So seufzen
       derzeit viele Autoren. Warum das nicht weiterhilft.
       
 (DIR) Debatte Renten: Im freien Fall
       
       Die SPD hat ihr Ziel aufgegeben, für eine zukunftssichere Altersversorgung
       zu streiten. Den Preis dafür zahlen die Jüngeren und viele Frauen.
       
 (DIR) Rentenbeschluss des Bundestags: Mehr Geld für Muttern
       
       Das Rentenpaket ist durch, Milliarden Beitragszahler-Euro werden
       umverteilt. Wer arm oder Akademiker ist, hat aber nichts davon.
       
 (DIR) Koalition korrigiert Rentenpaket: Die Lebensleistung der Mütter
       
       Die abschlagsfreie Rente mit 63 kommt, und die Mütterrente wird
       ausgeweitet. Darauf haben sich die Regierungsparteien in Berlin geeinigt.