# taz.de -- Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Wege aus der Hölle
       
       > Kinder und Karriere lassen sich einfach nicht vereinbaren. So seufzen
       > derzeit viele Autoren. Warum das nicht weiterhilft.
       
 (IMG) Bild: Verursachen Vorbilder, die sieben Kinder und Karriere spielend hinbekommen, Stress? Die Familie von der Leyen
       
       Der Sohn war gut ein Jahr alt, als er zum ersten Mal zwei zusammenhängende
       Sätze sagte. „Mama da“, lautete der erste. Dann: „Papa auch da?“ Eine
       Feststellung, mit dem verwunderten Unterton einer Frage.
       
       Es war die Frage eines Kindes zweier arbeitender, gut organisierter Eltern.
       So gut organisiert, dass sie sich praktisch immer die Klinke in die Hand
       gaben. Kommst du rechtzeitig aus dem Büro, damit ich Sport kann? Bestellst
       du den Babysitter, ich habe noch einen Treffen mit einem Kunden? Alltag im
       Takt des Familienplaners. Mit dem Ergebnis, dass sich der einjährige Sohn
       offenbar fragte, was hier los sei, wenn sich seine Eltern beide
       gleichzeitig mit ihm in einem Raum befanden.
       
       Es sei einer dieser Momente gewesen, der sie habe aufschrecken lassen,
       [1][schreiben] die Autorinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach in ihrem
       gerade erschienenen Buch [2][„Die Alles-ist-möglich-Lüge: Wieso Familie und
       Beruf nicht zu vereinbaren sind“]. Sie erzählen darin von ihren eigenen
       Versuchen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen und kommen zu
       dem Ergebnis: Wir müssen uns eingestehen, dass es einfach nicht geht. Und
       das ist auch keine Frage der Organisation.
       
       Das Wort von der Vereinbarkeitslüge hat in diesem Jahr Karriere gemacht.
       Auf der Onlineseite des Magazins Cicero schreibt Alexander Grau einen
       [3][Artikel] unter demselben Stichwort. Seine These: Die Forderung, Beruf
       und Familie müssen vereinbar sein, komme der Sehnsucht nach einem
       folgenlosen Leben gleich. Eltern müssten Verantwortung für ihre privaten
       Entscheidungen übernehmen und auch die Konsequenzen tragen. In der
       Wochenzeitung Zeit erschien ein [4][vielbeachteter Text], in dem [5][zwei
       Autoren] schreiben, ihr Leben zwischen den Erwartungen ein hervorragender
       Vater und ein hervorragender Journalist zu sein, sei die Hölle.
       
       „Es gibt keinen Ausweg aus diesem Dilemma“, schreiben sie im letzte Absatz
       ihres Textes. „Aber es könnte schon eine Hilfe sein, das einmal
       auszusprechen, statt immer weiter die Vereinbarkeitslüge zu verbreiten.
       Denn auch die produziert wieder nur: Stress.“
       
       Aber kann das ein Fazit sein? Das es einfach nicht geht? Muss es nicht doch
       Wege geben, wie zwei Dinge, die sich Menschen wünschen, zur selben Zeit in
       ein Leben passen? Engagiert arbeiten und erfüllt Kinder erziehen.
       
       ## Zwei Gesetzesvorschläge des Familienministeriums
       
       60 Prozent der Eltern mit Kindern zwischen einem und drei Jahren wünschen
       sich, dass beide Partner gleich viel arbeiten und sich gemeinsam um
       Betreuung und Haushalt kümmern. Nur 14 Prozent geben an, dass das klappt.
       
       Die Titelgeschichte „Kann Verhandeln die Liebe retten?“ der [6][taz.am
       wochenende vom 27./28. September 2014] sucht nach Menschen, denen es
       gelingt, Modelle für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu finden und
       fragt nach ihren Strategien. Dafür porträtieren wir ein Berliner Paar, dass
       vor der Geburt des gemeinsamen Kindes einen Vertrag unterzeichnete: Sie
       wechseln sich mit der Betreuung des Kindes und dem Haushalt tageweise ab.
       Wir besuchen eine IT-Fachfrau bei BMW, die Anfang der neunziger Jahre
       konservative Manager überredete, Geld in eine Kita zu stecken und eine
       Poltikerin in Oslo, die dort die ersten Revolutionen in der Familienpolitik
       mit erkämpfte.
       
       Glück scheint eine Frage der Verhandlung zu sein. In den Beziehungen, den
       Betrieben und der Politik.
       
       Der [7][Bundestag beriet] an diesem Freitag über zwei Gesetzesvorschläge
       des Familienministeriums: den weiteren Kitaausbau und das Elterngeld Plus.
       Das Elterngeld Plus soll besonders ein Modell für Familien schaffen, die
       sich gemeinsam um Kinder kümmern und beide arbeiten wollen. Wenn Eltern
       gleichzeitig in Teilzeit arbeiten, können Eltern in Zukunft doppelt so
       lange Elterngeld ohne das sich die Gesamtsumme des ausgezahlten Elterngelds
       durch das Teilzeitgehalt mindert. Das Gesetz ist für 2015 geplant.
       
       In der Bundestagsdebatte verteidigte Manuela Schwesig auch noch einmal
       ihren [8][Vorstoß einer 32-Stunden-Woche] für Eltern. Als sie die Idee das
       erste Mal äußerte wurde sie noch zurückgepfiffen. Regierungssprecher
       Steffen Seibert nannte den Vorschlag einen „persönlichen Debattenbeitrag“
       der Ministerin.
       
       [9][Wissenschaftlerinnen kritisieren], familienpolitische Maßnahmen
       bevorteilen eine überdurchschnittlich gut ausgebildete Schicht der
       Gesellschaft. In der Diskussion um flexible Arbeitszeiten und ein Ende der
       Präsenskultur redet niemand von der Schichtarbeiterin in der
       Fertigungshalle.
       
       Was meinen Sie: Lassen sich Familie und Beruf vereinbaren? Ist es gut, wenn
       Menschen davon berichten, dass es nicht klappt und so anderen den Druck
       nehmen, dass es an ihnen selbst liegt, wenn sie ständig ausgebrannt
       zwischen Job und Kita hin- und herhetzen? Oder sind Worte wie die von der
       Vereinbarkeitslüge nur Bremsen bei der Suche nach Lösungen? Und wer muss
       die zuerst finden: die Paare selbst, die Wirtschaft oder die Politik? 
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „Kann Verhandeln die Liebe retten?“ lesen sie in der
       [10][taz.am wochenende vom 27./28. September].
       
       26 Sep 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article131970833/Die-moderne-Familie-ist-eine-Orga-Katastrophe.html
 (DIR) [2] http://www.randomhouse.de/Buch/Die-Alles-ist-moeglich-Luege-Wieso-Familie-und-Beruf-nicht-zu-vereinbaren-sind/Susanne-Garsoffky/e451880.rhd
 (DIR) [3] http://www.cicero.de/salon/fetisch-vereinbarkeit-kind-und-karriere-ist-unvereinbar/57158
 (DIR) [4] http://www.zeit.de/2014/06/vereinbarkeit-vaeter-kinder-karriere-luege
 (DIR) [5] http://www.zeit.de/video/2014-01/3122788497001/familie-maenner-leiden-unter-der-vereinbarkeitsluege
 (DIR) [6] /!146678/
 (DIR) [7] http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/tagesordnung_55/277262
 (DIR) [8] /1/archiv/digitaz/artikel/
 (DIR) [9] http://www.theguardian.com/books/2013/apr/27/xx-factor-alison-wolf-review
 (DIR) [10] /!146678/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luise Strothmann
       
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