# taz.de -- Kommentar besetzte Schule Kreuzberg: Jetzt ist Goliath dran
       
       > Die Einigung ist da, aber gelöst ist nichts. Jetzt ist die Landespolitik
       > am Zug, den Flüchtlingen ein Bleiberecht zu gewähren: Sie kann es. Sie
       > muss es.
       
 (IMG) Bild: Das Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin Kreuzberg.
       
       Jetzt hat der Bezirk Berlin-Kreuzberg doch noch gerade so die Kurve
       gekriegt: Die Polizei wird abziehen und die rund 40 Flüchtlinge dürfen in
       einem Teil der Gerhart-Hauptmann-Schule bleiben. Sie haben weiterhin Zugang
       zum Dach, wurden also nicht ihres letzten Druckmittels beraubt. So grausam
       es ist, dass den Flüchtlingen weiter zugemutet wird, im Zweifel wieder ihr
       Leben aufs Spiel zu setzen – es ist ohne Alternative.
       
       Denn jetzt muss Innensenator Henkel unter Druck gesetzt werden. Und ohne
       die weiterhin aufrecht erhaltene Suizidandrohung wird er sich des Themas
       nicht annehmen. Das ist die traurige Wahrheit.
       
       Entsprechend stehen die Unterstützer, der Bezirk, ja alle irgendwie
       humanitär ausgerichtenen Berliner weiterhin in der Verantwortung: ihre
       Solidarität ist gefragter denn je. Wenn sie sich jetzt abwenden, werden die
       Flüchtlinge abgeschoben, und die Gefahr, dass einigen der Freitod die
       bessere Alternative scheint, ist groß.
       
       Henkel kann und muss das Bleiberecht gewähren. Das ist keine Frage von
       Erpressung, wie er gerne sagt, es handelt sich bei den Flüchtlingen nicht
       um Geiselnehmer oder Terroristen. Es ist eine Frage der Anwendung von
       geltendem Recht. Suizidgefahr ist ein rechtlich festgelegter Grund für
       einen Abschiebestopp. Es fehlt also allein der politische Wille. Doch der
       ist bekanntlich beweglich.
       
       ## §23
       
       Anstatt weiterhin auf die Kreuzberger Grünen zu schimpfen, muss sich der
       Protest umgehend auf die Landespolitiker einschießen. Mit der Einigung
       wurde eine neue Phase eingeleitet. Berliner Theater, Intellektuelle und
       Künstler haben sich bereits [1][solidarisch] erklärt, auch die Münchner
       Kammerspiele fordern die Anwendung von Paragraph 23, also die Zuerkennung
       des Bleiberechts. Es müssen weitere folgen.
       
       Flüchtlinge sind kein Problem von Kreuzberg. Dass Menschen aus
       Kriegsländern überhaupt mit ihrem Suizid drohen müssen, ist das Ergebnis
       einer vollkommen verfehlten Asylpolitik – auf allen Ebenen.
       
       Sie zu revidieren, geben uns diese Flüchtlinge jetzt die Chance. Das
       kleine, dilettantische Kreuzberg hat angefangen, die Kriminalisierung von
       Hilfsbedürftigen zu beenden. Niemand hatte damit gerechnet, und erst der
       Protest und die Unterstützung haben es möglich gemacht. Jetzt ist Goliath
       dran.
       
       Und nein, das ist nicht naiv. Deutschland war nämlich schon mal anders.
       Während des Bosnienkrieges hat es 350.000 Flüchtlinge aufgenommen - und ist
       nicht kollabiert. Berlin war damals Vorreiterin.
       
       3 Jul 2014
       
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