# taz.de -- Doku über das Verbrechen Vergewaltigung: „Einfach mal Macht haben“
       
       > In der Reportage „Vergewaltigung. Macht und Ohnmacht“ sprechen nicht nur
       > Opfer. Männer erzählen, warum sie zu Vergewaltigern wurden.
       
 (IMG) Bild: Auch Psychologinnen erzählen im Film, wie Täter therapiert werden können.
       
       Klaviermusik, dramatisch auf uns zu schwebende Zahlen, weiß auf schwarzem
       Grund. Alle drei Minuten wird eine Frau in Deutschland zum Opfer eines
       Vergewaltigers. Und Nadine Mierdorf, die Reporterin von N24 hat nebst
       einigen ExpertInnen zwei Opfer und zwei Täter gefunden, die vor der Kamera
       sprechen. „Vergewaltigung. Macht und Ohnmacht“ heißt der Film.
       
       Dass es diese ProtagonistInnen gibt, ist trotz nervender Dramatisierung
       erstmal verdienstvoll, weil Vergewaltigung abseits einzelner Spektakel wie
       dem Kachelmann-Prozess ein wenig wahrgenommenes Verbrechen ist. Viele
       Frauen zeigen nicht an, und wenn sie es tun, werden die Angeklagten oft aus
       Mangel an Beweisen freigesprochen. Also ist es eine gute Idee, das Thema
       auf den Bildschirm zu heben.
       
       Nicht ganz so gut ist die Idee, Nadine Mierdorfs
       „Ich-bin-ein-unbestechlicher-Profi-Gesicht“ dabei so ausgiebig in Szene zu
       setzen. Lange Gegenschnitte auf ihre betont kritische Miene, Großaufnahmen,
       man beginnt sich zu fragen, warum die schöne Reporterin da diese Narbe hat
       – das alles lenkt einfach nur ab.
       
       Die Reportage selbst ist interessant, auch wenn sie nur auf einer Ebene
       bleibt. Frauen erzählen, was ihnen passiert ist: die Tat, das Verdrängen,
       der Zusammenbruch, die immer wiederkehrenden Angstattacken und die
       körperlichen Veränderungen, die plötzlich ganz greifbar werden: Die
       Krankenkasse will nicht für die Entfernung der durch heftige
       Gewichtsschwankungen entstandenen Hautlappen zahlen. Immer wenn Julia in
       den Spiegel guckt, wird sie an die Tat erinnert.
       
       Die Männer erzählen, stockend und mit verfremdeten Stimmen, warum sie zu
       Vergewaltigern wurden. Die Kränkungen, die dem vorausgingen: „Ich wollte
       auch einfach mal die Macht über eine andere Person haben“, erklärt einer
       freiweg. Psychologinnen erzählen, wie Täter therapiert werden können: Dass
       es nicht gehe, wenn man nicht auch ihr Leid anerkenne. Der Kriminologe
       Christian Pfeiffer berichtet von Kindheitstraumata der Vergewaltiger. Dann
       geht es um die Beweisnot vor Gericht und die Möglichkeit der anonymen
       Spurensicherung, wenn eine Frau sich nicht sicher ist, ob sie den Täter
       anzeigen will.
       
       Nordrhein-Westfalen hat zudem das Projekt „Gobsis“ entwickelt, das auch
       HausärztInnen und GynäkologInnen in die Beweissicherung einführt und ihnen
       Kontakte zur Rechtsmedizin vermittelt. Viele vergewaltigte Frauen vertrauen
       sich eher einer Ärztin an, als zur Polizei zu gehen. Eine andere Art, mit
       der Ohnmacht umzugehen hat Jasmin gefunden: Ihr Vergewaltiger wurde nie
       gefasst, die Ermittlungen eingestellt. Aber sie selbst fahndet auf Facebook
       weiter und hat dabei eine Menge Facebookfreunde auf ihrer Seite: raus aus
       der Isolation.
       
       Einiges geht der Doku aber ab: Vergewaltigte Männer kommen nicht vor, dass
       drei Viertel der Frauen von ihren Partnern oder Freunden vergewaltigt
       werden, spiegelt sich nicht in der Auswahl der ProtagonistInnen wieder, bei
       denen das Verhältnis genau umgekehrt ist.
       
       Richtig schade ist, dass die Soziologie des Verbrechens Vergewaltigung so
       gar nicht vorkommt. Warum glauben 160.000 Männer in Deutschland pro Jahr
       (Schätzung von Terre des Femmes), dass sie sich Sex mit Gewalt nehmen
       können? Warum zeigen so wenige Frauen die Tat an? Woher kommt es, dass es
       immer weniger und weniger Verurteilungen gibt?
       
       Mit anderen Worten: Fragen nach gesellschaftlichen Zusammenhängen bleiben
       ungestellt. Fragen, die etwa die Twitterkampagne „Ichhabnichtangezeigt“
       aufwarf, bei der Hunderte von Frauen und Männern beschrieben, warum sie
       sexuelle Übergriffe nicht verfolgen ließen. Man muss natürlich nicht immer
       auf diese Ebene wechseln. Interessant wäre das dennoch gewesen.
       
       20 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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