# taz.de -- Überwachung durch Werbedienstleister: Cookies sind tot, es lebe Canvas
       
       > Weil viele Menschen Cookies blockieren, wird eine neue Technik
       > eingesetzt, um Nutzern nachzuspüren. Prominente deutsche Websites sind
       > betroffen.
       
 (IMG) Bild: Nicht ganz genau, aber wahrscheinlich nah genug dran: ein Bild vom Nutzer.
       
       BERLIN taz | Eine Webseite aufrufen, für den Nutzer ist das heute einfach.
       Doch im Hintergrund läuft eine Vielzahl komplexer technischer Prozesse ab –
       und davon lassen sich einige auch missbrauchen, um die Nutzer fast
       eindeutig zu identifizieren. Bisher taten sie das mit „Cookies“, kleinen
       Dateien, die Websites auf den Rechnern der Nutzer speicherten, die aber
       deshalb auch einfach von Nutzern gelöscht werden können. Nun haben sich
       Werbedienstleister eine neue Technik einfallen lassen, eine die kaum
       abgewehrt werden kann.
       
       Die neue Technologie funktioniert so: Auf den besuchten Webseiten läuft ein
       kleines Programm, das über den Browser und die Art, wie er mit Inhalten wie
       Bildern umgeht, einen digitalen Fingerabdruck erstellt. Da fast jeder
       Nutzer einen etwas anders eingerichteten Computer hat, entsteht so eine
       Signatur – „Canvas“ genannt – und die wird beim Werbedienstleister
       gespeichert. Surft der Nutzer danach weiter, wird die Prozedur wiederholt –
       und der Rechner des Nutzers wird wiedererkannt.
       
       Neu ist, welche enormen Anstrengungen die Anbieter dabei unternehmen. „Die
       Nutzer haben nur begrenzten Einfluss darauf, diese Gefahren einzugrenzen“,
       schreiben Forscher der Universitäten Berkeley und Leuven [1][in einer
       aktuellen Studie]. Knapp sechs Prozent der beliebtesten 100.000 Seiten im
       Web setzen die digitale Fingerabdruck-Technologie ein. Das Ziel der
       Anbieter: möglichst genau sagen zu können, wer wo surft – um den Nutzern
       dann passende Werbung einzublenden.
       
       Auch [2][25 deutsche Webangebote] setzten die digitale
       Fingerabdruck-Technologie ein, fanden die Forscher heraus, darunter auch
       große Seiten wie T-Online und die IT-News-Seite Golem.de. Doch die Schuld
       liegt wohl nicht direkt bei den Betreibern, sondern bei den von ihnen
       beauftragten Werbedienstleistern.
       
       In den meisten Fällen der betroffenen deutschen Webseiten handelt es sich
       um den Werbedienstleister Ligatus. Der erklärt, dass man die Technik
       ausschließlich zu Testzwecken eingesetzt habe, „ohne Rückschlussmöglichkeit
       auf konkrete User“. [3][Golem.de erklärte], dass sie vom Einsatz der neuen
       Technik nicht informiert worden seien. Laut Ligatus ist der Test beendet
       worden, alle Daten seien gelöscht und ein weiterer Einsatz nicht geplant.
       
       ## 1,7 Milliarden digitale Fingerabdrücke
       
       Ein zweites Unternehmen, das auf die Nachspür-Methode setzt, ist die Firma
       AddThis: Sie stellt für Webseitenbetreiber ein kleines Programm zur
       Verfügung, mit dem die Nutzer Inhalte ganz leicht in Social-Media-Dienste
       wie Twitter, Facebook oder Instagram verteilen können. Dass sie dabei auch
       eine Menge über die Nutzer und deren Interessen erfahren, dürfte für
       AddThis bares Geld wert sein – denn AddThis verdient sein Geld unter
       anderem damit, dass es diese Daten Werbetreibenden zur Verfügung stellt:
       Für 1,7 Milliarden individuelle Browserprofile hat AddThis laut eigener
       Aussage digitale Fingerabdrücke gesammelt. Unter anderem auf 48
       Regierungswebseiten, darunter [4][whitehouse.gov] – das digitale Zuhause
       des US-Präsidenten.
       
       Gegen diese digitalen Fingerabdrücke sind die Nutzer derzeit fast machtlos:
       Wenn Javascript ausgeschaltet ist, funktionieren sie nicht aber auch
       beliebte Websites wie Facebook gehen dann nicht mehr. Und die Debatte
       darum, welche Werbetechniken im Netz zulässig sind, ist damit noch längst
       nicht am Ende. Die nächste Runde steht schon an: Werbedienstleister [5][wie
       die Firma Krux] versprechen, dass mit ihren Datenbanken Anwender selbst bei
       der Nutzung verschiedene Geräte wie Computer, Smartphone und Tablet
       identifizierbar wären. Das konnten bislang nicht einmal die nun von den
       US-amerikanischen und belgischen Forschern identifizierten digitalen
       Fingerabdruck-Sammler.
       
       23 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://bit.ly/1rrQILi
 (DIR) [2] http://bit.ly/WyTLX0
 (DIR) [3] http://www.golem.de/news/privacy-unsichtbares-tracking-mit-bildern-statt-cookies-1407-108049.html
 (DIR) [4] http://www.whitehouse.gov/
 (DIR) [5] http://www.krux.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Falk Steiner
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Cookies
 (DIR) Online-Werbung
 (DIR) Internet
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Cookies
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tracking auf Nachrichtenseiten: Das Lesen der Leser
       
       Onlinejournalismus hat ein Problem: die Werbung. Mit ihr sammeln
       Trackingsysteme Daten über das Leseverhalten der Besucher von Newsportalen.
       
 (DIR) Browser-Erweiterung „Lightbeam“: Das Ende des Cookies
       
       Der Widerstand gegen neugierige Onlinedienste zwingt die Werbeindustrie,
       beim Schnüffeln kreativ zu werden. Neuester Schrei: der digitale
       Fingerabdruck.
       
 (DIR) „Guardian“ will Drittanbieter enttarnen: Wie man die Schnüffler beschnüffelt
       
       Drittanbieter-Cookies und andere Web-Spione sammeln fleißig Daten über
       Internetnutzer. Nun will die britische Tageszeitung „Guardian“ die Sammler
       enttarnen.
       
 (DIR) Streit um Datenschutz bei Internet Explorer: Seltene Netzkekse
       
       Microsoft wirft Google vor, die Datenschutz-Vorkehrungen beim Internet
       Explorer umgangen zu haben. Google konterte mit dem Vorwurf, der Browser
       setze eine sehr seltene Technik ein.