# taz.de -- Browser-Erweiterung „Lightbeam“: Das Ende des Cookies
       
       > Der Widerstand gegen neugierige Onlinedienste zwingt die Werbeindustrie,
       > beim Schnüffeln kreativ zu werden. Neuester Schrei: der digitale
       > Fingerabdruck.
       
 (IMG) Bild: Schwupps, und weg ist der Cookie.
       
       Auf den ersten Blick erkennt man nur ein wirres Geflecht aus Kreisen und
       Dreiecken. Die runden Körper geballt in der Mitte, drum herum kreisen
       spitze Pyramiden wie Planeten um die Sonne. Ein Universum aus Websites,
       Cookies und Tracker. Die Grafik zeigt, in welchem Umfang Onlinedienste
       unser Surfverhalten im Netz mitverfolgen und protokollieren. Und sie
       erklärt, warum eine ganze Branche in hellem Aufruhr ist.
       
       Lightbeam, die neue Browser-Erweiterung für den Mozilla Firefox, die seit
       vergangener Woche verfügbar ist, macht sichtbar, wie viele Cookies von
       Dritten auf den Websites, die wir besuchen, verborgen liegen. Auf den
       Startseiten der deutschen Top-100-Seiten entdeckt die Software über 350
       solcher Datensauger. Und es werden mehr, je länger man auf den Seiten
       bleibt. Mit jedem Klick erweitert sich die Galaxie auf dem Bildschirm bis
       zur Undurchdringlichkeit.
       
       An den Knotenpunkten sitzen Top-Tracker wie der Google-Dienst Doubleclick,
       die auf bis zu 70 der 100 Seiten ihre Spione eingebunden haben. So vernetzt
       tragen sie ein vielschichtiges Surfer-Profil zusammen und können
       individuell zugeschnittene Werbung anbieten.
       
       „Mit der Verkettung über Cookies verdienen Unternehmen wie Facebook und
       Google hauptsächlich ihr Geld“, sagt Hannes Federrath, Professor für
       Informationssicherheit an der Uni Hamburg. „Deswegen arbeitet die Branche
       daran, die Verkettungsmethoden umfassend einzusetzen.“ Noch wächst die
       sogenannte Tracking-Industrie rasant, wie der Web Privacy Census der
       kalifornischen Berkeley Law School zeigt. Doch möglicherweise steht ihr
       bald eine komplette Umstellung bevor.
       
       Denn lange konnte die Branche im Verborgenen Daten zu Geld machen. Mit
       Mozillas Lightbeam ist es nun erstmals möglich, parallel zum Surfen am
       eigenen Rechner die komplexen Strukturen einer ganzen Industrie
       auszuleuchten. Mozilla will diese Daten zusammentragen, um die
       Tracking-Industrie umfassend zu entmanteln. Crowd-Sourcing trifft
       Wikileaks.
       
       Was der Werbeindustrie damit drohen könnte, zeigt eine einfache
       Hochrechnung. Denn seit die Firefox-Entwickler Mitte des Jahres eine
       Version auf den Markt brachten, die standardmäßig Dritt-Cookies blockiert,
       haben bereits zwei der vier weltweit führenden Web-Browser der
       Werbeindustrie die Türen zugeschlagen.
       
       ## Kein Ende des Tracking
       
       Potenziell brechen den Onlinediensten demnach 27 Prozent ihrer
       Datenlieferanten weg. Im konsumstarken Europa sind es noch mehr: Über ein
       Drittel der Surfer verwenden Firefox oder den Apple-Browser Safari. In
       Deutschland sogar jeder Zweite. Doch wer glaubt, damit sei bereits das Ende
       der Tracking-Industrie eingeläutet, irrt sich gewaltig.
       
       Martin Rieß, Deutschlandchef der Werbefirma Zanox, empfiehlt der Branche,
       „sich fit zu machen für die Post-Cookie-Ära“. Seine Firma ist einer der
       ersten in Deutschland, die bereits alternative Tracking-Methoden einsetzt –
       ergänzend zu Cookies, wie die Firma in ihrem Webauftritt stolz verkündet:
       Werden diese gelöscht oder durch Browsereinstellung deaktiviert, kann Zanox
       die Surfer auch Tage später eindeutig identifizieren, etwa wenn ein Surfer
       ein Produkt kauft, für das ihm Tage zuvor Werbung auf einer
       Zanox-Partnerseite eingeblendet wurde.
       
       Wie die Wiedererkennung ohne Cookies funktioniert, kann Henning Tillmann
       erklären. Der Informatiker hat in seiner Diplomarbeit an der
       Humboldt-Universität Berlin dargestellt, auf welche Weise jeder Browser
       eine einzigartige Datenspur im Netz hinterlässt. Aus der Kombination
       verschiedener Rechner-Einstellungen – Betriebssystem, Bildschirmauflösung,
       installierte Plugins, die Zeitzone, Hintergrundfarben und Schriftarten –
       entsteht ein unverwechselbarer Fingerabdruck.
       
       Das Verlockende für die Tracking-Industrie: Viele dieser Informationen
       sendet der Browser freiwillig, der Rest lässt sich leicht auslesen. Das
       bedeutet: Tracken ist längst ohne Cookies möglich. Und als Nutzer ist man
       dagegen fast hilflos. Denn das sogenannte Fingerprinting sei nicht nur
       schwer nachzuweisen, man könne sich auch kaum davor schützen, erklärt
       Tillmann. „Werbenetzwerke haben natürlich ein sehr großes Interesse daran.“
       
       ## Anonymisierungsdienste und Cookie-Verbot bringen keinen Schutz
       
       Dass der digitale Fingerabdruck schon längst zur digitalen Spurenlese
       genutzt wird, haben gerade Wissenschaftler der KU Leuven in Belgien
       herausgefunden. Nächste Woche präsentieren sie auf einer IT-Fachmesse in
       Berlin die Ergebnisse seiner Studie. Sie zeigt: Die Industrie kann schon
       ziemlich viel.
       
       Der größte Fingerprinter BlueCava liest auf 250 Seiten umbemerkt die
       Schriftarten der Rechner aus. Das Bemerkenswerte ist, dass das
       Tracking-Skript sich nach dem Einsammeln der Informationen selbst entfernt.
       Ein anderer Dienst, Threat Metrix, kann sogar verschleierte IP-Adressen
       auslesen.
       
       „Dies zeigt, dass weder Anonymisierungsdienste wie Tor noch ein
       gesetzliches Cookie-Verbot wirksamen Schutz bieten können“, fasst
       IT-Experte Federrath die Entwicklung zusammen.
       
       Chefprogrammierer bei Mozilla, Brendan Eich, der auch für Lightbeam
       verantwortlich ist, räumt ein: „Es ist fast unmöglich, Tracking zu
       verhindern. Wenn man sagt, weg mit den Cookies, dann werden die Spione halt
       aus anderen Löchern auftauchen. Und es gibt viele Spione und viele Löcher.“
       
       2 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
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