# taz.de -- Gazakonflikt: Israel lehnt Waffenstillstand ab
       
       > Vorgesehen war eine einwöchige Feuerpause ab Sonntag, doch Israel lehnt
       > den Vorschlag zur Waffenruhe von US-Außenminister Kerry ab.
       
 (IMG) Bild: Israel schießt weiter auf den Gazastreifen
       
       JERUSALEM taz | Israels Regierung lehnt das Waffenstillstandsangebot von
       US-Außenminister John Kerry ab. Der Zwei-Stufen-Plan sah eine einwöchige
       Feuerpause ab Sonntag vor – die Möglichkeit für Israel, während dieser Zeit
       weiter geheime Tunnel zu suchen und Garantien an die Hamas für ein Ende der
       achtjährigen Gazablockade. Erst nach Einstellen der Kampfhandlungen sollte
       mit Vermittlung der USA und Europas über die endgültigen
       Waffenstillstandsregelungen verhandelt werden.
       
       Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu berief am Freitag Nachmittag das
       Sicherheitskabinett ein, das am Abend einstimmig gegen den Vorschlag John
       Kerrys entschied. Jetzt einem Waffenstillstand zuzustimmen, wäre für Israel
       ein „schlechtes Ergebnis“, meinte der national-religiöse
       Wirtschaftsminister Naftali Benett. Auch aus Netanjahus Likud-Partei wurde
       Kritik gegen Kerry laut. Unterdessen greift die Gewalt zunehmend auch auf
       das Westjordanland über. Bei den heftigsten Auseinandersetzungen seit
       mindestens zehn Jahren starben bis Freitag Nachmittag sechs
       palästinensische Demonstranten. Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt.
       
       Begonnen hatten die Unruhen am Kalandia-Kontrollpunkt, dem Grenzübergang
       zwischen Jerusalem und Ramallah, wo es in der Nacht zum Freitag die beiden
       ersten Toten gab. Etwa zehntausend Palästinenser waren dem Aufruf der
       Fatach zum „48.000-Marsch“ gefolgt, der in den Versuch von Demonstranten
       mündete, die israelischen Grenzanlagen zu durchbrechen. Zum ersten Mal seit
       Jahren wurden auch von palästinensischer Seite Schüsse auf die israelischen
       Sicherheitskräfte abgefeuert.
       
       Den letzten Anstoß, sich in die Demonstrationen einzureihen, dürfte für
       viele der israelische Angriff am Donnerstag Vormittag auf eine UN-Schule in
       Gaza gegeben haben, bei dem 15 Menschen versehentlich zu Tode kamen und
       Dutzende verletzt wurden. Bei etwa zwei Drittel der bislang insgesamt über
       880 Todesopfer im Gazasollen soll es sich um Zivilisten handeln.
       
       Aus Sorge vor neuen Unruhen auf dem Tempelberg ließ die Polizei nur Frauen
       sowie Männer im Alter von über 50 Jahren zum Freitagsgebet in der
       Al-Aqsa-Moschee zu. Am palästinensischen „Tag des Zorns“, zu dem die Fatach
       aufgerufen hatte, sollten die Demonstranten „überall dorthin gehen, wo
       Soldaten postiert sind“, wie eine Mitveranstalterin telefonisch mitteilte.
       
       Schon am Freitag Nachmittag starben in Nablus und bei Hebron drei weitere
       Palästinenser. Die größten Proteste wurden erst für die Nacht erwartet. 16
       Stunden dürfen die Muslime an den langen Tagen des Julis während des
       Fastenmonats Ramadan nichts essen und trinken. Viele legen sich erschöpft
       schon am frühen Nachmittag schlafen und schließen sich den Demonstrationen
       erst nach dem Fastenbrechen wieder an.
       
       Den Palästinensern im Westjordanland geht es darum, Solidarität mit Gaza zu
       signalisieren und den eigenen Teil zum Blutzoll im Kampf gegen die
       Besatzungstruppen beizutragen. Die Proteste unterstützen zudem der Einheit
       des Volkes, gerade jetzt, wo sich auch die Führungen der Fatach und der
       Hamas auf die Beilegung des innerpalästinensischen Konflikts einigten. Das
       Westjordanland und der Gazastreifen gehören untrennbar zusammen,
       demonstrieren die jungen Palästinenser. Wenn man hinten am Schwanz zieht,
       so scheint es, riskiert man, von vorn gebissen zu werden.
       
       Die Demonstrationen finden unter der Schirmherrschaft der Fatach statt. Die
       Stadtverwaltung in Ramallah spendete Palästinaflaggen und auch die
       „Jassir-Arafat-Stifung“, so sagt Mitorganisatorin Lina Ali, hat den
       Veranstaltern finanziell unter die Arme gegriffen. Die palästinensische
       Führung könnte die Wogen glätten. Palästinenserpräsident Machmud Abbas, der
       sich zur Zeit im Ausland aufhält, appellierte lediglich an die
       Palästinenser, Blut für die Verletzten zu spenden.
       
       Eine Einigung über eine Feuerpause im Gazastreifen wäre mehr als hilfreich,
       um die erhitzten Gemüter auch im Westjordanland wieder abkühlen zu lassen.
       Das Weiße Haus warnte beide Seiten, den Kompromissvorschlag abzulehnen.
       Kerry werde nicht ewig im Nahen Osten bleiben, hieß es.
       
       Israel hatte gleich zu Beginn der Bodenoffensive vor gut einer Woche dem
       ersten Waffenstillstandsangebot aus Kairo zugestimmt. Das Ausmaß der
       geheimen Tunnel, durch die Terrorkommandos aus dem Gazastreifen nach Israel
       gelangen könnten, kam für Israel überraschend. Allein in der ersten Woche
       der Bodenoffensive entdeckten die Soldaten über 30 dieser Tunnel. Die Armee
       „wäre glücklich über mehr Zeit“, so schrieb der militärische Korrespondent
       der Ha'aretz Amos Harel diese Woche, um die Zerstörung der Tunnel zu Ende
       zu bringen, bevor die Truppen wieder aus dem Gazastreifen abgezogen werden.
       
       Die Hamas reagierte bis zum Freitag Nachmittag nicht auf den
       Kompromissvorschlag des US-Außenministers. Ginge es nach Khaled Mashal, dem
       Chef des Hamas-Politbüros, hätte die Reihenfolge umgestellt werden müssen:
       erst die Öffnung des Grenzübergangs Rafach in Richtung Ägypten und erst
       anschließend eine Feuerpause.
       
       25 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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