# taz.de -- Kommunikation Forschung und Medien: Mäuschen mit Stummelschwanz
       
       > Eine Expertengruppe wollte die Kommunikation zwischen Wissenschaft,
       > Medien und Öffentlichkeit verbessern. Doch ihre Ergebnisse sind
       > mangelhaft.
       
 (IMG) Bild: Wissenschaftliche Explosion.
       
       Der Berg kreißte gewaltig und gebar ein Mäuschen mit Stummelschwanz.
       Zweieinhalb Jahre befasste sich eine Expertengruppe der deutschen
       Wissenschaftsakademien mit der „Kommunikation zwischen Wissenschaft,
       Öffentlichkeit und den Medien“. Als die „WÖM“-Gruppe unter Vorsitz des
       Bielefelder Soziologen Peter Weingart jetzt ihre Empfehlungen vorstellte,
       schwankten die Reaktionen bei Wissenschaftsjournalisten zwischen
       Kopfschütteln und Belustigung. „Thema verfehlt“, lautete einer der milderen
       Kommentare. Wie konnte es zu dem akademischen Beratungsunfall kommen?
       
       Dabei machte der Ansatz durchaus Sinn. Das Bild, das die Wissenschaften in
       der gesellschaftlichen Öffentlichkeit abgeben, wie auch ihre Darstellung
       durch die Medien, ist derzeit kein ungetrübtes. Plagiatsfälle und
       Forschungsbetrug auf der einen Seite, der Trend zur Skandalisierung und
       unausgewogenen Berichterstattung andererseits. Man sehe, so WÖM-Gutachter
       in ihrer Selbstbeauftragung, „einige derzeitige Entwicklungen in
       Wissenschaft und Medien mit Besorgnis“. Beide Seiten seien gehalten,
       „dringend einen aktiveren Beitrag zu leisten“, um die „Qualität der
       allgemein zugänglichen Information“ – sei es das wissenschaftliche Wissen
       oder journalistische Produkte – sicherzustellen. Aber wie?
       
       So machte sich die zehnköpfige Arbeitsgruppe – acht Professoren und zwei
       Journalisten – an die Arbeit. Auftraggeber waren die Nationalakademie
       Leopoldina, die Akademie für Technikwissenschaften Acatech und die Union
       der deutschen Wissenschaftsakademien.
       
       Über zwei Jahre zog sich die Gruppe in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm
       zurück, traf sich mehrmals im Jahr, hörte ausgewählte Sachverständige an
       und gab Gutachten in Auftrag. Strikt wurde darauf geachtet, dass die
       Beratungen über eine bessere Öffentlichkeit nur unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit stattfanden. Auch Anfragen der taz nach Themen der
       Expertisen wurden abschlägig beschieden – Geheimhaltungsstufe eins.
       
       ## Social Media ignoriert
       
       Was herauskommt, wenn wissenschaftliche Beschäftigung mit
       gesellschaftlicher Kommunikation ohne Beteiligung der Gesellschaft
       stattfindet, ließ Teilnehmern der Abschlusspräsentation Mitte Juni in den
       Berliner Räumen der Leopoldina dann doch den Atem stocken.
       
       Social Media, die Internetkommunikation der jungen Generation, kam in den
       Empfehlungen überhaupt nicht vor! „Wir haben die Neuen Medien
       ausgeklammert“, verteidigte sich Peter Weingart, „weil es die Kapazitäten
       der Gruppe überfordert hätte.“ Der Gebrauchswert der WÖM-„Empfehlungen vor
       dem Hintergrund aktueller Entwicklungen“, so der wörtliche Untertitel, hat
       sich durch das absichtliche Ausblenden aktueller Medienentwicklungen
       beträchtlich verringert. Eine angekündigte Fortsetzung der WÖM-AG soll den
       Lapsus beheben.
       
       Was sind nun die Vorschläge? Insgesamt 13 Empfehlungen richtet die
       Expertengruppe an die drei Akteurskreise Wissenschaft, Gesellschaft und
       Medien. Die Wissenschaft solle „ethische Grundsätze“ für die Vermittlung
       ihrer Ergebnisse sowie „ein übergreifendes Qualitätslabel für
       vertrauenswürdige Wissenschaftskommunikation“ entwickeln. Die übertriebene
       Darstellung von Forschungsergebnissen („Hype“) müsse als sittenwidrig
       „entsprechend sanktioniert“ werden, während zugleich die Hochschulen
       aufgefordert sind, in ihren Leistungsbewertungen die Anstrengungen der
       Wissenschaftler zu „wahrhaftiger Kommunikation“ auch zu belohnen. Unter den
       gesellschaftlichen Akteuren wird von der Politik erwartet, diese
       innerwissenschaftlichen Anstrengungen durch „Anreize“ zu fördern, wobei
       unklar bleibt, wie.
       
       Auch über die Sicherung des unabhängigen Qualitätsjournalismus sollten sich
       Regierungen und Parteien Gedanken machen. Als konkrete Maßnahme fällt den
       Wissenschaftlern reflexhaft nur „mehr Forschung“ ein: Studien zur „Zukunft
       und Finanzierung des Qualitätsjournalismus“ seien voranzutreiben. Geld
       könnte dabei von gemeinnützigen Stiftungen kommen.
       
       ## Mehr Information, weniger Unterhaltung
       
       An die Medien – sowohl Verlage, Sender, Verlegerverbände als auch
       journalistische Berufsverbände – wird der „dringende“ Appell gerichtet, die
       „Entwicklung von Qualitätskriterien für die Berichterstattung über
       Wissenschaftsthemen inhaltlich voranzutreiben und finanziell zu
       unterstützen“.
       
       Als Dreh- und Angelpunkt wird die journalistische Aus- und Weiterbildung
       angesehen, ein wachsendes Betätigungsfeld für die Hochschulen und damit
       eine weitere Empfehlung zum eigenen Nutzen. Weiter wird die Einrichtung
       eines „Wissenschaftspresserates“ vorgeschlagen, der „Beschwerden über
       unfaire und fahrlässige Berichterstattung beurteilt […] und eklatante
       Fehlleistungen rügt“.
       
       Auch das Lieblingsthema der deutschen Wissenschaftsjournalisten, die
       Einrichtung eines „Science Media Centers zur Unterstützung der
       Wissenschaftsberichterstattung“ wird befürwortet. Schließlich sollen die
       öffentlich-rechtlichen Sender mehr Information und weniger Unterhaltung
       ausstrahlen.
       
       ## Weniger positive PR?
       
       Vor allem die Öffentlichkeitsarbeiter in den Wissenschaftseinrichtungen
       sind über die Vorschläge der Professoren-Gruppe nachhaltig irritiert.
       Hatten sie doch vor wenigen Wochen mit dem „Siggener Aufruf:
       Wissenschaftskommunikation gestalten“ den Anlauf unternommen, sich selbst
       zur künftig zentralen Kontaktstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft
       aufzuschwingen. Aber bei den WÖM-Beratungen blieben auch sie außen vor.
       
       Wie viel Druck im Kessel ist, zeigte sich Anfang Juli bei einem Treffen von
       Wissenschaftskommunikatoren auf Einladung der Volkswagenstiftung in
       Hannover. Die dort vertretene These der Kommunikationsforscher Frank
       Marcinowski (Uni Münster) und Matthias Kohring (Uni Mannheim), wonach das
       System Wissenschaft am besten in Abgeschiedenheit von der Gesellschaft
       gedeihe und zu viel einseitig-positive Wissenschafts-PR die
       gesellschaftliche Akzeptanz für Wissenschaft untergraben könne, traf die
       Hochschul-Pressesprecher wie ein Dampfhammer. Etliche sahen gar ihre
       Existenz in Frage gestellt.
       
       Auch wenn es so weit nicht kommen wird: Zündstoff für die nächste
       Diskursrunde über Wissenschaft und Öffentlichkeit gibt es genug.
       
       8 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manfred Ronzheimer
       
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