# taz.de -- Nach den Todesschüssen in Missouri: „Hands up – don't shoot“
       
       > In New York verlief eine Demonstration gegen Polizeigewalt friedlich. In
       > Ferguson steht die Beerdigung Michael Browns bevor.
       
 (IMG) Bild: Demonstrant in New York.
       
       NEW YORK taz | „Bin ich der nächste?“, hat ein junger Mann auf sein Schild
       geschrieben. Neben ihm geht eine Frau, auf deren Rücken zu lesen ist:
       „Unbewaffnete Zivilistin“. Hinter den beiden trägt jemand das Transparent:
       „Schwarze Leben zählen“.
       
       Tausende sind am Samstag mit der Fähre zu einer Demonstration gegen
       Polizeigewalt nach Staten Island gekommen. In dem New Yorker Stadtteil,
       südlich von Manhattan gelegen, ist am 17. Juli der Zigarettenverkäufer Eric
       Garner im (offiziell verbotenen) Würgegriff eines Polizisten gestorben. Der
       Polizist musste anschließend zwar seine Dienstwaffe abgeben, blieb aber im
       Dienst.
       
       Die Aufklärung über Garners Tod war das ursprüngliche Motiv der
       Demonstration. Doch in der Zwischenzeit ist 1.440 Kilometer weiter
       südwestlich, in Missouri, auch noch Michael Brown von einem Polizisten
       erschossen worden. Wieder war das Opfer unbewaffnet und schwarz und der
       wieder war der Täter weiß.
       
       In Staten Island benutzen die DemonstrantInnen die letzten Worte und Gesten
       der Totens. Sie rufen: „Ich kann nicht atmen“ und: „Hands up – don't
       shoot“. Neben den beiden jüngsten Opfern listen sie zahlreiche frühere auf.
       Darunter Ramarley Graham, den die Polizei im Bad seiner Oma in der Bronx
       erschossen hat. Sean Bell, den die Polizei vor einer Disko in Queens
       erschoss. Und Amadou Diallo, den die Polizeikugeln auf offener Straße in
       der Bronx trafen.
       
       Die Mütter von mehreren Toten treten ans Mikrofon. Sie verlangen, dass die
       Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Und sprechen über eine
       Angst, die alle Mütter von schwarzen Söhnen kennen: eine fatale Begegnung
       mit der Polizei.
       
       ## „Wir unterstützen die Rebellion in Ferguson“
       
       Wie in Ferguson sind auch in Staten Island die weißen DemonstrantInnen eine
       kleine Minderheit. Als wäre die Polizeigewalt in den USA kein Problem der
       ganzen Gesellschaft. „Das ist das Maximum an weißen Leuten, das wir
       mobilisieren können“, erklärte eine Demonstrantin: „die Leute reagieren
       erst, wenn es ihnen persönlich passiert. Wenn es ihnen selbst passiert.“
       
       „Killer-Cops ins Gefängnis“, skandieren sie. Und: „Stoppt den Irrsinn“. Der
       Hauptredner des Tages, der Bürgerrechtler und Prediger Reverend Al
       Sharpton, will, dass die „verdorbenen Äpfel“ aus der Polizei herausgeholt
       werden. Und betont zugleich mehrfach: „Dies ist keine Demonstration gegen
       die Polizei insgesamt“. Ein Mann ruft dazwischen: „Doch!“ Andere schwenken
       ein Transparent: „Wir unterstützen die Rebellion in Ferguson“.
       
       Die OrganisatorInnen an diesem Samstag in Staten Island sind nervös. In
       Ferguson hat es nach dem Tod von Michael Brown in mehreren Nächten im
       Anschluss an Demonstrationen Plünderungen gegeben. „Rassenunruhen“, heißt
       das in den US-Medien. Und manche Zeitungen haben vor einer Wiederholung
       solcher Szenen in New York gewarnt. Die meisten Geschäfte an der
       Demonstrationsroute haben an diesem Samstag geschlossen.
       
       ## Demonstration in Ferguson
       
       Aber die Polizisten in Staten Island treten an diesem Samstagnachmittag
       freundlich auf. Es gibt weder nächtliche Ausgangssperren noch Kriegsgerät,
       DemonstrantInnen und JournalistInnen werden nicht schikaniert, es gibt
       keine starren Regeln wie die Pflicht zur permanenten Bewegung und die
       Beschränkung des Demonstrationsraums auf die Bürgersteige.
       
       Am Mikrofon lösen sich in schneller Abfolge BürgerrechtlerInnen,
       christliche und muslimische Geistliche, GewerkschafterInnen und ein
       pensionierter Detektiv der New Yorker Polizei ab. Und viele
       DemonstrantInnen sind mit mehreren Generationen gekommen. Eine Frau erklärt
       ihren Kindern, dass sie dabei ist, die Arbeit ihrer Großeltern aus den 60er
       Jahren fortzusetzen.
       
       Gleichzeitig bereiten in Missouri Angehörige und Bürgerrechtler die
       Beerdigung von Michael Brown mit einer Trauerfeier am Montag in St Louis
       vor. In Ferguson ziehen am Samstag Nachmittag 1.000 Menschen durch den
       Stadtteil, in dem Michael Brown gelebt hat und gestorben ist und verlangen,
       dass der Todesschütze vor Gericht kommt. Ein weißer und ein schwarzer
       Polizist gehen am Anfang der Demonstration mit.
       
       ## Polizisten suspendiert
       
       Aber die Stimmung bleibt explosiv. Schon in den Vortagen sind mehrere
       Polizisten vom Dienst suspendiert worden. Einer hat mit dem Gewehr auf
       DemonstrantInnen und JournalistInnen gezielt und sie verbal bedroht. Am
       Samstag wird ein weiterer Polizist vom Dienst suspendiert, weil er in Reden
       extrem rechte Thesen vertreten hat. Gleichzeitig findet, vor einem Pub in
       St Louis, erneut eine Demonstration zugunsten von Darren Wilson statt, der
       Michael Brown erschossen hat.
       
       Die meist weiblichen und weißen DemonstrantInnen wollen ihre Namen nicht
       nennen. Aber sie kritisieren die angeblich „starke Voreingenommenheit“
       gegen Darren Wilson. Bei Sammlungen im Internet für den Todesschützen sind
       bereits mehr als 300.000 Dollar zusammen gekommen. Eine Sammlung für
       Michael Browns Angehörige brachte bislang nur 200.000 Dollar.
       
       Von seinem Urlaubsort in Massachusetts aus, kündigt Barack Obama an, dass
       das Weiße Haus die Ausstattung von lokalen Polizeieinheiten mit Waffen aus
       dem Pentagon „überprüfen“ werde. In den letzten Jahren ist Kriegsgerät im
       Wert von Milliarden Dollar auf diesem Wege verteilt worden. „Es gibt einen
       großen Unterschied zwischen unserer Polizei und unserem Militär“, sagt der
       Präsident. „Wir wollen diese Trennlinien nicht verwischen.“
       
       24 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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