# taz.de -- Verbrecherjagd mit der Net Gun: „Netzen“ statt schießen
       
       > Sie wird als Waffe gepriesen, die nicht tötet. Zudem ist sie leise beim
       > Abschuss. Die Netzpistole wird in den USA und China immer beliebter.
       
 (IMG) Bild: Das Netz breitet sich mit einer Fläche von bis zu 16 Quadratmetern über dem Verfolgten aus.
       
       PEKING/BERLIN taz | Fall Ferguson, USA: [1][Ein Polizist erschießt einen
       Jugendlichen.] Laut eigener Aussage, weil er eine potenzielle Gefährdung
       sah. Es ist nicht der erste Fall dieser Art, und die Welt diskutiert
       empört, wie so etwas künftig verhindert werden könnte. Eine Petition
       fordert zum Beispiel, Sicherheitskräfte mit Videokameras auszustatten, um
       sie durch das Filmen ihres Handelns von verfrühter Waffengewalt
       abzuschrecken.
       
       Es gibt aber auch eine andere Lösung, nämlich Polizeieinheiten gar nicht
       erst mit tödlichen Waffen auszustatten, sondern zum Beispiel mit einem
       Fangnetz. Das ist heute nicht mehr nur für Spiderman attraktiv, denn die in
       der Jagd bekannte Technik wird vermehrt auch auf Menschen angewendet.
       
       Der Effekt ist ein doppelter: Der Täter kann auf Distanz gehalten werden,
       und der Polizist muss keine Gewalt anwenden. Tödliche Verletzungen bei
       Einsätzen könnten somit effektiv verhindert werden. In den USA ist die net
       gun bereits seit 2006 auf dem Markt.
       
       Die Netzpistole sieht aus wie eine große Taschenlampe. Anstelle von
       Schießpulver wird mit Druckluft gefeuert. Oder eben „genetzt“. Das Netz ist
       am treffsichersten aus fünf bis zwölf Metern Abstand. Einmal abgeschossen,
       breitet es sich mit einer Fläche von bis zu 16 Quadratmetern über dem oder
       der Verfolgten aus. Es lässt sich mehrmals verwenden und kostet in den USA
       um die 500 Dollar.
       
       ## Fliehen oder kämpfen
       
       Das Material aus Nylon lässt sich zwar theoretisch mit einem Messer
       zerschneiden, in der Realität sei das aber von innen kaum möglich. Dass
       jedenfalls versichert Daniel Sherman, Erfinder der Super Talon Net Gun, des
       meistverbreiteten Fangnetzes in den USA. Als Beweis fordert er dazu auf,
       [2][das Video eines gefangenen Emus] anzuschauen: Der Laufvogel verheddert
       sich sofort und verliert das Gleichgewicht. So ähnlich funktioniere es beim
       Menschen, da sich die Gefangenen bei jeder Bewegung mehr im Netz
       verhedderten. „Je stärker eine Person sich wehrt, desto eher bringst du sie
       unter Kontrolle“, erklärt Sherman.
       
       Gerade entwickelt seine Firma ein neues Modell: ein Netz mit integriertem
       Pfefferpulver. So werden die Gejagten gefangen und gleichzeitig unter
       Kontrolle gebracht. „Früher hatte man nur zwei Möglichkeiten, einer
       Aggression zu begegnen: entweder kämpfen oder fliehen“, so Sherman. Mit der
       net gun komme eine dritte dazu.
       
       Verbreitet sind die Netzwaffen laut Sherman vor allem bei Grenzpatrouillen,
       Gefängniswärtern oder Verfolgungsjagden aus dem Auto. Der
       US-Internetanbieter [3][net-gun.com] gibt an, etwa 50 Prozent der
       Netzpistolen an Sicherheitskräfte zu liefern. Die andere Hälfte gehe zum
       Beispiel an Krankenhäuser (gewalttätige psychisch Kranke), Warenhäuser
       (Ladendiebe) oder Privatmenschen (statt einer Pistole).
       
       ## Dicke Kolben in China
       
       Auch in China sind Personenfangnetze seit einigen Jahren weit verbreitet.
       In der Hafenstadt Qingdao etwa stehen Polizisten mit diesen Geräten vor
       Bushaltestellen. Die dicken Kolben baumeln am Gürtel der Beamten und
       erfüllen ihren Zweck, auch ohne zum Einsatz zu kommen. Rüpelhafte
       Passagiere sollen einem lokalen Zeitungsbericht zufolge schon beim bloßen
       Anblick der dicken Netzpistolen aufhören zu drängeln.
       
       In der Stadt Dalian wiederum geht die Polizei bereits seit einigen Jahren
       mit Fangnetzen auf Verbrecherjagd. Ein dortiger Einsatzleiter hatte seine
       gesamte Mannschaft mit Netzpistolen ausstatten lassen, nachdem er bei sich
       zu Hause Erfahrung mit einem Einbrecher machen musste. Als der altgediente
       Polizist den unerwünschten Gast bereits im Schwitzkasten hatte, biss der
       Einbrecher ihn in den rechten Arm und floh. Mit einer Netzpistole werde ihm
       das nicht wieder passieren, wird der Polizeichef zitiert.
       
       Schwer erhältlich sind die Waffen in China nicht. Im Gegenteil, im Internet
       tummeln sich gleich mehrere Dutzend Anbieter. Auf Alibaba, der inzwischen
       größten Onlinehandelsplattform der Welt, gibt es Netzpistolen sogar im
       Hunderterpack.
       
       Offiziell geben die Anbieter auf ihren Bestellformularen an, dass nur
       staatliche Institutionen und amtlich zertifizierte Sicherheitsdienste diese
       Pistolen erwerben dürften. Doch so genau nehmen sie es mit den Nachweisen
       nicht. „Setzen Sie irgendeinen Namen in den dafür vorgesehenen Abschnitt
       ein“, antwortet eine freundliche Verkäuferin auf telefonische Nachfrage.
       „Das prüft eh keiner.“
       
       In Deutschland dagegen scheint die Technik noch weitestgehend unbekannt.
       Marcel Kuhlmey, Professor für Polizei und Sicherheitsmanagement an der
       Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sieht die Netzwaffe als
       indiskutabel für Deutschland an. PolizistInnen müssten ohnehin viele Waffen
       mit sich herumtragen. Außerdem sei die Rechtslage hierzulande anders.
       „Gegen Ladendiebe zum Beispiel gibt es den Kaufhausdetektiv, und der darf
       streng genommen nicht einmal Handschellen mit sich führen“, erklärt
       Kuhlmey.
       
       Zwar räumt er ein, dass in Fällen wie dem am Berliner Neptunbrunnen eine
       Netzpistole hilfreich gewesen wäre. [4][Dort erschoss 2012 ein Polizist
       einen verwirrten Mann], der ihn mit einem Messer bedroht haben soll. Aber
       nur für solche Ausnahmefälle eine zusätzliche Waffe mitzuführen erscheint
       ihm als umständlich. Auch sieht er in ihr keine Alternative zur
       herkömmlichen Pistole.
       
       Ein modernes Hightechgerät à la Spiderman ist die Netzwaffe aber nicht,
       bereits die römischen Gladiatoren kämpften mit Dreizack, Kurzschwert und
       Wurfnetz.
       
       23 Aug 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!s=Ferguson/
 (DIR) [2] http://www.youtube.com/watch?v=A4JfPpC0r0A
 (DIR) [3] http://net-gun.com/
 (DIR) [4] /Tod-vor-dem-Roten-Rathaus/!118985/
       
       ## AUTOREN
       
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