# taz.de -- Alte Krautrock-Alben, neu veröffentlicht: Die Magie des Maschinellen
       
       > Zwischen Krautrock, Esoterik und Techno: Harald Großkopfs Soloalben
       > „Synthesist“ und „Oceanheart“ sind wieder zugänglich.
       
 (IMG) Bild: Seine Synthesizer-Sequenzen flirren oft wie in entgrenzter Trance: Harald Großkopf auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1981.
       
       Als Vorreiter elektronischer Tanzmusik zu gelten, ist schon mal kein
       geringes Verdienst. Der Schlagzeuger Harald Großkopf hat zudem eine
       Karriere vorzuweisen, die im (Kraut)-Rock ziemlich einzigartig ist. In
       seiner Person verbinden sich die Anfänge der kommerziell erfolgreichsten
       deutschen Hardrock-Band, experimenteller Progrock, drogenvernebelte
       kosmische Musik, Elektronik, Neue Deutsche Welle und Techno.
       
       Doch hierzulande ist der 1949 geborene Musiker nahezu unbekannt. Großkopf
       kann man derzeit mit seinen ersten beiden Soloalben „Synthesist“ und
       „Oceanheart“ neu kennenlernen. Die 1980 und 1986 erschienenen Werke wurden
       vor Kurzem von dem in Sachen Krautrock unermüdlichen Hamburger Label Bureau
       B wiederveröffentlicht
       
       Sein elektronisch-minimalistischer Proto-Techno-Entwurf, der in den
       achtziger Jahren floppte, erweist sich dabei als erfreulich zeitbeständig.
       Eine Generation junger Künstler hat ihn inzwischen für sich entdeckt. So
       etwa das japanische DJ-Duo Force of Nature, das von dem Großkopf-Stück „So
       weit, so gut“ derart angetan war, dass es einen äußerst dezenten Remix
       anfertigte und unter dem Titel „Supernova“ 2006 als eigene Nummer
       herausbrachte.
       
       Was Großkopf wenig begeisterte, als er davon erfuhr. Mit seinem vollsten
       Einverständnis erschien dagegen 2011 eine Vinyl-Neuauflage von „Synthesist“
       beim New Yorker Label RVNG Intl. und dazu ein komplettes Remix-Album als
       Beigabe. Davon zeigte sich Großkopf schwer beeindruckt, auch als er
       daraufhin zu Auftritten nach New York eingeladen wurde: „Das war wunderbar:
       Nur Youngster, und die kannten meine Sachen! Ich war ganz überrascht.“ Um
       ein Haar wäre Harald Großkopfs musikalischer Werdegang entschieden
       konventioneller verlaufen.
       
       ## Knapp vorbei am Hardrock
       
       Denn hätte sich einer seiner Kindergartenfreunde als zuverlässiger
       erwiesen, Großkopf wäre womöglich dauerhaft im Hardrock gelandet. Der
       Freund heißt Rudolf Schenker und seine Band Scorpions sind ein hartnäckiger
       Exportschlager.
       
       Mitte der Sechziger hatte Großkopf des öfteren bei ihnen ausgeholfen. „Nach
       meinem Zivildienst wollte ich 1970 bei den Scorpions fest einsteigen. Ich
       wartete dreimal vor dem Probenraum, und es kam niemand. Da habe ich mir
       gedacht: Jetzt reicht’s.“
       
       Stattdessen wurde Großkopf bei der Progrockband Wallenstein vorstellig,
       einer Band um den Sänger und Keyboarder Jürgen Dollase, der heute
       vornehmlich als Gastronomiekritiker tätig ist. Vier Jahre lang blieb er bei
       Wallenstein und zog dafür aus dem niedersächsischen Sarstedt nach
       Mönchengladbach. Nebenher hatte Großkopf sporadisch Kontakt zur „Berliner
       Schule“ des Krautrock um Manuel Göttsching und Klaus Schulze. Er wirkte
       zusammen mit ihnen an den Aufnahmen des so wegweisenden wie verstrahlten
       Projekts „Cosmic Jokers“ mit.
       
       ## Eine innere Stimme
       
       Die Sessions sollten sich als folgenreich für Großkopf erweisen. Dadurch
       fand er zu seinem eigenen Trommelstil und entfremdete sich von den
       herkömmlicheren Spielarten des Rock: „Wenn ich bei Wallenstein spielte,
       habe ich mich stets an anderen Schlagzeugern orientiert und versucht, diese
       zu imitieren. Dann gab es eine Session – wir haben ja auch Drogen
       geschluckt –, und da rief plötzlich so eine innere Stimme: ’Was machst du
       da eigentlich? Wieso bist du denn jetzt der und der? Hör mal hin, was die
       anderen machen!‘“
       
       Nach dieser Erfahrung hatte Großkopf keine Lust mehr auf Rockmusik, lieber
       spielte er in Berlin mit seinen kosmischen Kurieren von der Gruppe Ashra
       und dem Synthesizer-Pionier Klaus Schulze. Aus der Zusammenarbeit mit
       Schulze ging unter anderem das Album „Moondawn“ von 1976 hervor, das als
       Klassiker der Berliner Schule gilt. Und Großkopf hatte bei Schulze abermals
       ein musikalisches Erweckungserlebnis:
       
       „Ich hatte die Synthies im Studio nicht so beachtet. Und dann hat er mir
       das vorgeführt, und ich bekam direkt eine Gänsehaut, weil das so groovte.
       Diese statische Magie, die von Maschinengrooves ausgeht, das ging mir unter
       die Haut.“
       
       ## Im Krefelder Heimstudio
       
       Zu eigener Musik hingegen musste er fast gedrängt werden. Wobei sich an der
       Entstehung von Großkopfs Debütalbum nachvollziehen lässt, dass selbst das
       musikalische Einzelgängertum in den frühen Achtzigern mitunter ein
       sozialerer Prozess war als die oft sehr isolierte Musikpraxis heutiger
       Schlafzimmerproduzenten: Großkopf durfte seine Musik im Heimstudio des
       Krefelder Kollegen Udo Hanten vom Elektronik-Projekt YOU produzieren. Im
       Gegenzug sollte Großkopf ihm sein Acht-Spur-Aufnahmegerät leihen.
       
       Da Großkopf keine Erfahrung im Umgang mit Effektgeräten oder Synthesizern
       hatte, war die Arbeit an „Synthesist“ für den Schlagzeuger zugleich ein
       Technik-Crashkurs. Er näherte sich den elektronischen Geräten mit der
       Naivität eines Anfängers, was sich vorteilhaft auf das Ergebnis auswirkte.
       Seine Synthesizer-Sequenzen flirren oft wie in entgrenzter Trance über
       kompakten Strukturen, denen Großkopf mit seinem zurückgenommenen Spiel
       einen unaufdringlich treibenden Groove hinzufügt.
       
       Bevor das zweite Album „Oceanheart“ folgte, erkundete Großkopf mit der Band
       Lilli Berlin eine Weile die Neue Deutsche Welle. Bei einem Hamburger
       Auftritt wurde er in der Wohnung des angehenden Popstars Joachim Witt
       einquartiert. Man spielte sich gegenseitig eigenes Material vor. Wenige
       Wochen danach erhielt Großkopf die Einladung, Synthesizerspuren zu Witts
       großem Hit „Der goldene Reiter“ beizusteuern.
       
       ## Luftig wie Ambient-Flächen
       
       „Oceanheart“ entstand schließlich unter ähnlichen Homerecordingbedingungen
       wie das Debütalbum, Großkopf suchte diesmal allerdings Anregungen bei der
       Minimal Music, schichtete komplexe Klavier- oder Schlagzeugpatterns
       übereinander, hier und da fließen die Stücke luftig wie Ambient-Flächen.
       
       Esoterik ist ebenfalls mit eingeflossen, da Großkopf seinerzeit Anhänger
       der Transzendentalen Meditation war. „Anfang der Siebziger war man so auf
       diesem Ost-Trip, Asien, Indien, Maharishi, Beatles. Das fand ich
       faszinierend und habe mich da einführen lassen. Ich habe fast 20 Jahre lang
       Transzendentale Meditation gemacht, bis mir das auf den Sender ging.“
       
       Heute habe er mit der TM-Bewegung nichts mehr am Hut. Vermutlich ist diese
       Episode einfach ein Ausdruck seiner prinzipiellen Offenheit. Wer sonst kann
       von sich sagen, in den Neunzigern sowohl in einem Techno-Projekt wie
       N-Tribe als auch bei dem Folk-Kollektiv 17 Hippies gespielt zu haben?
       
       17 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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