# taz.de -- Streit um Schoko-Test: Voll auf die Nuss
       
       > Die Stiftung Warentest räumt nach der Niederlage gegen Ritter Sport ihren
       > Fehler ein. Doch die meisten ihrer Untersuchungen sind grundsolide.
       
 (IMG) Bild: Voll-Nuss-Schokolade: Ist das Aroma künstlich oder natürlich?
       
       Mein E-Bike kann angeblich irgendwann brechen, das Handy soll in bestimmten
       Positionen nicht richtig funken, und meine Biokartoffelchips würden nicht
       schmecken. Sagt die Stiftung Warentest. Aber bisher war ich mit all den
       Produkten zufrieden. Die testen doch bloß schlecht, damit sie mehr Hefte
       verkaufen. Oder?
       
       Wer schon immer den Zeitschriften test und Finanztest der Stiftung
       misstraut hat, kann sich jetzt ein Stück weit bestätigt fühlen. Denn
       vergangenen Dienstag hat das Oberlandesgericht München geurteilt: Das
       Testergebnis „mangelhaft“ in der Rubrik „Deklaration“ für die
       Vollnussschokolade von Ritter Sport darf die Stiftung nicht weiter
       verbreiten.
       
       Und sie darf nicht mehr behaupten, dass Ritter die Verbraucher irregeführt
       habe, weil das Vanillearoma Piperonal in der Tafel „chemisch hergestellt“
       sei, obwohl auf der Packung „natürliches Aroma“ steht. Das hatte die
       Vorinstanz schon vor Monaten entschieden, aber oft siegt die Stiftung
       Warentest im Berufungsverfahren. Dieses Mal nicht.
       
       ## Nicht der erste Irrtum
       
       Deshalb muss sich Hubertus Primus, Alleinvorstand der Stiftung, jetzt
       kritische Fragen gefallen lassen. War es gerechtfertigt zu schreiben, die
       Tester hätten in der Schokolade „den chemisch hergestellten Aromastoff
       Piperonal nachgewiesen“, obwohl sie gar keine entsprechende Laboranalyse
       hatten? „Die Formulierung ist sicherlich etwas unglücklich“, antwortet
       Primus der taz. Es handele sich um eine „sprachliche Ungenauigkeit“. Von
       einem inhaltlichen Fehler will er nichts wissen. Auch das Gericht habe ja
       nicht entschieden, ob das Piperonal nun natürlich oder chemisch sei. „Uns
       wurde nur gesagt, wir hätten das journalistisch nicht sorgfältig
       aufbereitet.“
       
       Tatsächlich legte die Stiftung im Artikel nicht offen, wie sie in
       Wirklichkeit zu ihrer Angabe gekommen war: Weil ihnen kein natürliches
       Herstellungsverfahren bekannt war, schlossen die Tester darauf, dass das
       Piperonal in der Ritter-Sport-Schokolade künstlich sei. Primus will nun am
       Zusammenspiel der Redakteure, die Artikel schreiben, mit Projektleitern,
       die die Tests organisieren, „arbeiten“. Personelle Konsequenzen schließt er
       aus.
       
       Es spricht aber einiges dafür, dass die Warentester auch in der Sache
       unrecht haben. Ritter hat der taz mehrere Patente über Verfahren vorgelegt,
       „mit denen aus Lorbeergewächsen Piperonal auch in industriellem Maß auf
       natürlichem Weg gewonnen werden“ könne. Das Lebensmittelüberwachungsamt des
       niedersächsischen Landkreises Holzminden, wo der Hersteller Symrise sitzt,
       bestätigt, dass es die Kennzeichnung des Aromastoffes ausführlich überprüft
       hat. Ergebnis: „Wir haben diese Ausweisung nicht beanstandet“, sagt die
       Sprecherin der Behörde. Dennoch bleiben Zweifel, weil Symrise das
       Herstellungsverfahren nicht komplett offenlegt – damit es die Konkurrenz
       nicht kopieren kann, wie es heißt.
       
       Es wäre nicht das erste Mal, dass die Stiftung irrt. In der test-Ausgabe
       von Juni 2013 etwa behauptete sie, vier der für einen Artikel geprüften
       Fahrräder mit Elektromotoren überschritten Grenzwerte für
       elektromagnetische Strahlung so stark, „dass sie Funkdienste von Polizei,
       Feuerwehr und Rettungskräften stören können“.
       
       ## Geld vom Bund
       
       In einem Film auf der Website zeigte die Stiftung sogar, wie ein E-Bike,
       das an einem Funkgerät vorbeifährt, plötzlich nahezu blockiert und der
       Fahrer fast vom Rad fällt. Dabei war im Artikel gar nicht von Blockieren
       die Rede. Dort hieß es lediglich, dass bei manchen Rädern infolge von
       Funkstörungen der Elektroantrieb allenfalls ausfällt. Der Motor treibt die
       Räder aber nicht allein an, er unterstützt nur das Treten.
       
       Mehrere Hersteller wehrten sich. Am Ende gestand die Stiftung ein, dass
       eine Störung etwa des Polizeifunks „unwahrscheinlich ist“. Sie hatte das
       Risiko übertrieben. Das Video wurde geändert. Pressesprecherin Heike van
       Laak räumt ein: Aus dem Film auf der Internetseite ging nicht klar hervor,
       dass die Szenen gestellt waren.
       
       Doch solche Fehler sind Einzelfälle. „Etwa fünf bis sechs Klagen“ im
       Zusammenhang mit der Berichterstattung bekomme die Stiftung pro Jahr, sagt
       Vorstand Primus. Weit über 90 Prozent der Prozesse habe sie gewonnen. „Ich
       vermute, dass zirka 5 Prozent mit einem Vergleich geendet haben.“ Extrem
       selten hätten Testergebnisse geändert werden müssen. Rechtskräftig zu
       Schadenersatz verurteilt worden sei die Stiftung noch nie. Aber sie hat
       sehr wohl schon mal im Rahmen eines Vergleichs gezahlt.
       
       Fünf bis sechs Klagen – das ist wenig im Verhältnis zu den mehr als 2.000
       Produkten, die die Stiftung pro Jahr testet. Die niedrige Quote erreicht
       sie auch dadurch, dass sie so gründlich arbeitet wie keine andere
       Institution in Deutschland, die Tests für Verbraucher veröffentlicht.
       
       ## Kein Schadenersatz
       
       Anders als die Stiftung konsultieren Fachzeitschriften beispielsweise für
       Computer vor ihren Tests keine Fachbeiräte, in denen Vertreter von
       Konsumenten, Herstellern und anderen Gruppen das Prüfprogramm diskutieren.
       Die Magazine kaufen meist auch nicht anonym, um Manipulationen an den zum
       Testen vorgesehenen Geräten auszuschließen. Im Gegenteil: Viele beziehen
       etwa Digitalkameras kostenlos von den Herstellern.
       
       Ganz abgesehen davon, dass diese Redaktionen von Werbeeinnahmen der Branche
       abhängig sind. Da wird dann auch schon mal ein Hersteller weggelassen, weil
       seine Produkte nicht über die Preissuchmaschine erhältlich sind, mit der
       die Zeitschrift viel Geld verdient. Das wäre bei der Stiftung undenkbar:
       Sie bekommt 6,6 Millionen Euro jährlich vom Bund vor allem, damit sie keine
       Anzeigen veröffentlichen muss.
       
       Thomas Seeger, den Pressesprecher von Ritter Sport, überzeugt das alles
       nicht. „Bei mir persönlich ist die Glaubwürdigkeit der Stiftung massiv
       beschädigt“, sagt er. Zu lange hat die Stiftung auf der jetzt verbotenen
       Formulierungen beharrt. Zu groß war die Empörung von Verbrauchern.
       
       Ritter fordere jetzt, dass die Tester die Entscheidung des
       Oberlandesgerichts in einer offiziellen „Abschlusserklärung“ anerkennen,
       sagt Seeger. „Wenn sie nicht kommt, werden wir Klage im Hauptsacheverfahren
       erheben.“ Bisher verlangt der Schokoladehersteller keinen Schadenersatz.
       Seeger räumt ein, dass es keine Absatzeinbrüche gegeben hat – auch wenn das
       Image gelitten habe. Aber von einem Imageschaden konkrete
       Schadenersatzsummen abzuleiten, das ist extrem schwierig.
       
       12 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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