# taz.de -- IS-Kämpfer aus Deutschland: Reisezweck Selbstmordattentat
       
       > Die Terrormiliz IS mordet mit deutscher Unterstützung. Islamisten reisen
       > ins Kriegsgebiet und sprengen sich dort in die Luft.
       
 (IMG) Bild: Faszination „Islamischer Staat“: Parade der Terrormiliz im irakischen Mossul im Juni 2014
       
       BERLIN taz | Rashid B. trägt ein braunes Gewand, den Kopf mit einem
       schwarz-weißen Tuch vermummt. Der 27-Jährige steht vor einem grünen
       Militärwagen, sein Blick richtet sich direkt in die Kamera. Er habe einen
       Traum gehabt, sagt Rashid B. Einen Traum, in dem er zum Märtyrer geworden
       sei.
       
       Aus dem Traum wurde Realität. Anfang August verbreitete die Terrorgruppe
       „Islamischer Staat“ (IS) das Video mit Rashid B., der sich dort „Abu Ayyub
       al-Maghribi“ nennt. Nach der Anfangssequenz zoomt die Kamera ins Innere des
       Wagens, zeigt weiße Sprengstoffkanister. Dann sieht man, wie der Wagen in
       ein Gebäude steuert, offenbar im irakischen Ramadi. Ein Feuerball steigt
       auf.
       
       Nicht lange zuvor war Rashid B. noch Student in Frankfurt am Main. 2013
       reiste er nach Syrien aus, wurde zum IS-Kämpfer – und zum
       Selbstmordattentäter. Rashid B. ist kein Einzelfall mehr. Laut
       Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen gab es inzwischen fünf
       deutsche Selbstmordattentäter in Syrien und dem Irak, weitere seien „nicht
       auszuschließen“. Geprüft werden derzeit offenbar vier weitere Fälle. Mehr
       als hundert Menschen sollen die Deutschen in den Tod gerissen haben.
       
       In den deutschen Sicherheitsbehörden herrscht inzwischen große Unruhe. „Wir
       wollen nicht, dass aus Deutschland der Tod in den Irak gebracht wird“,
       sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Dass junge Menschen
       sich so schnell radikalisieren und das Leben anderer und das eigene
       wegwürfen, sei eine „unvorstellbare Aktion“.
       
       ## 26-jähriger Konvertit
       
       Im Januar hatte sich der Solinger Robert B. in Syrien in die Luft gesprengt
       – es war wohl der erste deutsche Selbstmordanschlag in dem Kriegsgebiet.
       Laut seinen Kampfgefährten tötete der 26-jährige Konvertit 50 „Ungläubige“.
       Sicherheitsbehörden zweifeln an der Zahl.
       
       Dennoch sind die Opfer der deutschen Attentäter beträchtlich. Besonders
       viele Menschen tötete Ahmet C.: Mitte Juli soll er in einem Auto in Bagdad
       54 Menschen in den Tod gesprengt haben. Der 21-Jährige lebte zuvor
       unauffällig im kleinen Ennepetal in Nordrhein-Westfalen.
       
       Das Bundesland ist Schwerpunkt der deutschen Attentäter: Allein vier
       IS-Selbstmörder kommen laut dem dortigen Innenminister Ralf Jäger (SPD) aus
       NRW. Er bestätigte am Mittwoch der taz, dass es einen weiteren Attentäter
       gibt, den das Bundesamt für Verfassungsschutz bislang nicht aufgelistet
       hat.
       
       In NRW war der Dinslakener Philip B., ein früherer Pizzabote, der
       Wortführer. In Videos warb er, ihm in den Dschihad zu folgen. Im August
       soll auch er sich in einem Anschlag getötet haben. Laut Sicherheitskreisen
       war er mit einem Lastwagen, beladen mit fünf Tonnen Sprengstoff, in einen
       Peschmerga-Stützpunkt gefahren. Auch hier soll es mehr als zwanzig Tote
       gegeben haben.
       
       ## „Almani“ – das Anhängsel für „den Deutschen“
       
       Der letzte Anschlag mit deutscher Beteiligung erfolgte erst Ende August: Im
       irakischen Kirkuk sollen zwei Männer mit den Kampfnamen „Abu Jassir
       al-Almani“ und „Abu Ibrahim al-Almani“ 23 Menschen in den Tod gerissen, 127
       verletzt haben. .
       
       Laut Experten sind die Selbstmordattentäter fast immer Westler. Diese sind
       meist radikalisierter und haben mit ihrer Ausreise oft den eigenen Tod
       einkalkuliert. Zudem sind sie ungeschult im Umgang mit Waffen – und damit
       in Kämpfen oft schlicht nicht zu gebrauchen.
       
       „Kanonenfutter“ nennt NRW-Innenminister Jäger die Deutschen. „Vieles
       spricht dafür, dass der IS auch Druck auf die westlichen Ausländer ausübt,
       damit sie sich zu solchen Taten bereit erklären.“ Der Dinslakener Philip B.
       soll sich schon kurz nach seiner Ankunft in Syrien verletzt haben. Für ein
       Selbstmordattentat aber reichte es noch. Für die IS, so Jäger, hätten die
       Anschläge enormen Wert: „Für die Propaganda sind die Attentäter aus
       Deutschland wichtig, weil sie zeigen, dass sie aus der Mitte unserer
       Gesellschaft kommen.“
       
       Fast alle der Selbstmörder haben sich innerhalb kürzester Zeit
       radikalisiert. Zur Gewalt werden sich etwa von dem deutschen
       IS-Propagandisten Dennis Cuspert, einst Rapper in Berlin, angeheizt. „Ich
       zünd die Bombe inmitten der Menge“, singt dieser in einem Kampflied, das
       große Verbreitung fand. „Mit einem Lächeln direkt zu meinem Schöpfer.“
       
       ## Hilflose Sicherheitsbehörden
       
       Verhindern lassen sich die Anschläge kaum. So war im Fall Rashid B. den
       Sicherheitsbehörden zwar bekannt, dass der Frankfurter in salafistischen
       Kreisen verkehrte – viel mehr aber auch nicht. Ohne konkrete Hinweise aber
       stehen die Sicherheitsbehörden hilflos da. 
       
       Zudem steigt ihre Sorge, dass die inzwischen extreme Gewaltbereitschaft
       zurück nach Deutschland schwappt. „Wir tun alles, was möglich ist, um einen
       Anschlag zu verhindern, nutzen unsere operativen Möglichkeiten“, sagt
       Verfassungsschutzchef Maaßen. Allein werde man das Problem aber nicht
       lösen. Da sei „die gesamte Gesellschaft gefragt“.
       
       Viele der 400 deutschen Islamisten, die bisher nach Syrien und den Irak
       ausgereist sind, werden aber wohl nicht mehr zu erreichen sein. „Wir wollen
       für Allah sterben“, schrieb der Dinslakener Philip B. vor seinem Tod auf
       sein Facebookprofil. „Denn das Jenseits ist für die Gläubigen die wahre
       Wohnstätte.“
       
       17 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
 (DIR) Konrad Litschko
       
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