# taz.de -- Paris fordert Brüssel heraus: Nicht noch mehr sparen!
       
       > 20 Milliarden Euro weniger. Das ist die Schmerzgrenze für die
       > französische Regierung. Sonst seien ihr die EU-Kriterien egal. Und nun?
       
 (IMG) Bild: Die Franzosen machen auch nicht alles mit, was die Regierung will. So scheiterte Anfang Oktober eine Schwerverkehrsabgabe.
       
       PARIS/BRÜSSEL taz | Krach zwischen Brüssel und Paris: Die EU-Kommission ist
       unzufrieden mit dem Budgetentwurf, den Frankreich am Mittwoch zur Prüfung
       in Brüssel einreichte. Bis zuletzt hatte Noch-Währungskommissar Jyrki
       Katainen gehofft, dass Finanzminister Michel Sapin den Entwurf noch
       korrigieren und das Defizit begrenzen würde. Doch er wurde enttäuscht.
       
       Bis hierher und nicht weiter, erklärte Sapin trotzig. Die Pariser Regierung
       weiß, dass die Prüfer in Brüssel das Budget in der vorliegenden Form nicht
       durchgehen lassen können. Denn einmal mehr respektiert Frankreich die
       europäische Vorgabe beim Defizitabbau und die eigenen Versprechen aus dem
       Vorjahr nicht.
       
       Die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU stagniert derzeit fast, die
       Steuereinnahmen liegen weit unter dem erwarteten Niveau. Da ist es kein
       Wunder, dass in diesem Jahr das Haushaltsdefizit noch 4,4 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen wird; für 2015 und 2016 wird mit 4,3
       und 3,8 Prozent nur wenig Besserung erwartet. Erst 2017 könnte der Wert
       unter die geforderten 3 Prozent sinken.
       
       Niemand soll Sapin aber sagen, Frankreich mache keine ernsthaften und sogar
       schmerzlichen Anstrengungen, um die öffentlichen Finanzen ins Lot zu
       bringen. Allein für 2015 sind Einsparungen in der für Frankreich nie da
       gewesenen Höhe von mehr als 20 Milliarden geplant.
       
       ## Das Sozialmodell ist sakrosankt
       
       Einen Teil davon müssen die Regionen und Kommunen tragen, die vom
       Zentralstaat weniger Mittel erhalten. Heikel bis unerfüllbar ist im Etat
       der Wunsch, das Defizit der öffentlichen Sozialversicherungen abzubauen.
       Kein Politiker möchte in Frankreich das Sozialmodell infrage stellen.
       
       Noch weniger kommt es infrage, die Steuern zu erhöhen, um auf der
       Einnahmenseite das Defizit zu verringern. Die Schmerzgrenze bei den Abgaben
       ist für die meisten Privathaushalte wie für die Unternehmen längst erreicht
       und überschritten. Auf eine geplante Schwerverkehrsabgabe auf Straßen
       außerhalb der gebührenpflichtigen Autobahnen hat die Regierung unter dem
       Druck heftiger Proteste kürzlich verzichtet; diese Kapitulation beschert
       der Staatskasse einen Einnahmenverlust von 1,3 Milliarden Euro pro Jahr,
       dazu kommen Entschädigungen von 1,5 Milliarden Euro für den Vertragsbruch
       mit der beauftragten Firma.
       
       Weil ihr letztlich gar nichts anderes übrig bleibt, will es die Pariser
       Regierung auf eine Kraftprobe mit Brüssel ankommen lassen. Zum Schwur
       dürfte es dabei aber erst im Dezember kommen. Denn die EU-Kommission muss
       den Entwurf zunächst prüfen. Dafür hat sie bis 30. November Zeit. Dann muss
       sie entscheiden, ob sie Nachbesserungen fordert. Das muss binnen zwei
       Wochen geschehen.
       
       Frankreich ist danach frei, die Änderungswünsche zu berücksichtigen – oder
       auch nicht. Erst wenn Paris sich weiter stur stellt, kann es zu einem
       Defizitverfahren mit Strafandrohungen kommen.
       
       15 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Brüssel
 (DIR) Austeritätspolitik
 (DIR) EU
 (DIR) Haushalt
 (DIR) Defizit
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Europa
 (DIR) Europaparlament
 (DIR) EZB
 (DIR) Haushalt
 (DIR) Joschka Fischer
 (DIR) Jugendarbeitslosigkeit
 (DIR) Ratingagentur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Defizitstreit mit Spanien und Portugal: Die Spar-Fraktion verliert
       
       Die EU-Kommission will keine Strafen für die Defizit-Länder Spanien und
       Portugal. Es wird auf die schwierige wirtschaftliche Lage verwiesen.
       
 (DIR) Herbstprognose der EU: Aufschwung nicht schnell genug
       
       Die Belebung verzögert sich, sagt das Gutachten der neuen EU-Kommission.
       Erst 2016 soll die Konjunktur anziehen. Vor allem Frankreich bereitet
       Sorgen.
       
 (DIR) Abstimmung über neue EU-Kommission: GroKo nickt Junckers Team ab
       
       Konservative, Sozialdemokraten und Liberale stimmen für die neue
       EU-Kommission. Linke und Grüne haben Zweifel an den Brüsseler
       Behördenchefs.
       
 (DIR) Debatte Europäische Zentralbank: Viel Geld, das nichts bringt
       
       EZB-Chef Mario Draghi will eine Billion Euro in die Banken pumpen. Es wird
       nicht funktionieren. Trotzdem ist die deutsche Kritik an ihm falsch.
       
 (DIR) Streit um Haushaltskonsolidierung: Sigmar Gabriel hält an Sparkurs fest
       
       Die Konjunktur schwächelt, doch der Wirtschaftsminister möchte keine neuen
       Schulden machen. Der SPD-Chef trotzt damit dem linken Parteiflügel.
       
 (DIR) Joschka Fischers „Scheitert Europa?“: Schwarze Null und grüne Zehn
       
       Bei seiner Buchvorstellung spricht der frühere Außenminister von der
       „neoimperialen Politik“ Russlands und einer EU nach Schweizer Modell.
       
 (DIR) Jugendarbeitslosigkeit in Europa: Mehr Geld oder Geld erst ausgeben?
       
       Merkel und Hollande bleiben bei Strategien gegen die Jugendarbeitslosigkeit
       in Europa uneinig. Frankreichs Präsident geht auf Distanz zu Deutschland.
       
 (DIR) EU verliert Bestnote: Ratingagentur erniedrigt Europa
       
       Standard & Poor's stuft während des Gipfels die Kreditwürdigkeit der EU
       herab. Das könnte die Finanzierung von Krediten erschweren.