# taz.de -- Workshop zu Marguerite Duras: Liebe ist immer „mit ohne“
       
       > Denn die Liebe enthält eine Einwilligung in das Aufgeben des Objekts: Die
       > Psychoanalytische Bibliothek erinnerte an die Schriftstellerin Marguerite
       > Duras.
       
 (IMG) Bild: "Mann und Frau sind absolut unversöhnlich", fand Marguerite Duras.
       
       „Man muss die Männer sehr lieben. Sehr, sehr. Sehr lieben, um sie lieben zu
       können. Sonst ist es nicht möglich, sonst kann man sie nicht ertragen.“ Die
       Schriftstellerin Marguerite Duras, von der diese eher unvorteilhafte
       Einschätzung des anderen Geschlechts stammt, hat es sich in ihrem Leben mit
       den Männern nicht leicht gemacht.
       
       Yann Andréa, ihr letzter Liebhaber, war homosexuell, was für Duras schwer
       zu akzeptieren war. Ihre Beziehung verarbeitete sie mehr oder minder offen
       in ihren Werken, etwa in dem kurzen Text „Hure der normannischen Küste“,
       der Gegenstand eines Workshops war, mit dem die Psychoanalytische
       Bibliothek Berlin am Samstag an die Schriftstellerin erinnerte.
       
       Der Psychoanalytiker Michael Meyer zum Wischen stellte seine eigene
       Übersetzung des Texts vor, in dem Duras schildert, wie sie fast
       verzweifelte beim Versuch, ihre Erzählung „Die Krankheit Tod“ für eine
       Inszenierung am Deutschen Theater umzuschreiben. Zugleich erzählt die „Hure
       der normannischen Küste“ von ihrer Beziehung zu Yann Andréa, davon, wie er
       oft herumgeschrien habe, „um ihr Buch zu verhindern“, oder, im weißen
       Anzug, in den Lobbys der Golfhotels an der normannischen Küste gesessen
       habe, um Männer kennenzulernen.
       
       ## Dem Tod abgerungen
       
       In der Diskussion über Duras stehe meistens die Destruktivität ihres Werks
       im Mittelpunkt, so Michael Meyer zum Wischen. Er wolle stattdessen das
       Leben herausstellen, „das Duras dem Tod abgerungen hat“. Man könne Duras
       nicht lesen ohne diese Seite des Lebens.
       
       Noch weniger kann man Duras aber anscheinend ohne das antagonistische
       Verhältnis der Geschlechter zueinander lesen. In der „Hure der
       normannischen Küste“ sah Meyer zum Wischen ein „Duell zwischen Mann und
       Frau“, einen Geschlechterkrieg. Statt einer destruktiven Beziehung werde
       jedoch ein Prozess der „Entdeckung der eigenen Ignoranz in Sachen Liebe“
       beschrieben.
       
       Deren Verstrickungen nahm sich die französische Psychoanalytikerin
       Françoise Samson in ihrem Vortrag an, der mit starkem Tobak einsetzte: „Die
       Heterosexualität ist ein unglaublicher Versuch, die Dualität des Begehrens
       zu erreichen. Darum ist sie, was mich angeht, viel eindrucksvoller, viel
       weitgehender und sie ist mir viel näher als die Homosexualität. Ich glaube,
       dass die Homosexuellen es ahnen, seien sie Mann oder Frau. Sie sprechen
       aber nicht davon, weil sie dann Fremde würden. Die Homosexualität ist eine
       Lösung, während es in der Heterosexualität keine Lösung gibt. Mann und Frau
       sind absolut unversöhnlich“, zitierte Samson aus dem in diesem Jahr in
       Frankreich postum erschienenen Band „Le livre dit“ von Duras.
       
       ## Nichts Gemeinsames
       
       Samson deutete diese Zeilen nicht als „Kritik“ an der Homosexualität – für
       Duras waren die Männer alle homosexuell, „sie wissen es nur noch nicht“ –,
       sondern als Illustration der These des Psychoanalytikers Jacques Lacan, die
       da lautet: „Es gibt keinen Geschlechtsverkehr.“ Zwischen Männern und Frauen
       habe Duras denn auch nichts Gemeinsames gesehen. Wie Samson eingestand, sei
       der Künstler, in diesem Fall Duras, dem Analytiker immer voraus: „Der
       Psychoanalytiker soll sich vom Künstler belehren lassen.“
       
       Samson veranschaulichte die „Unmöglichkeit“ der Heterosexualität mit Duras’
       Romanen, in denen sich die Liebe zwischen Männern und Frauen als ravage
       gestalte, als eine Verwüstung und Qual in einem. Die Figuren wüssten dabei
       immer, dass der andere unerreichbar ist, ihr Los sei eine „kosmische
       Einsamkeit“. So enthalte die Liebe eine Einwilligung in das Entsagen, in
       das Aufgeben des Objekts: „Liebe ist eben ’mit ohne‘“, wie Samson unter
       Rückgriff auf die Jugendsprache formulierte.
       
       20 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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