# taz.de -- Provenienzen: Irrwege der Kunst
       
       > Die Kunsthalle zeigt den Forschungsstand zur Herkunft ihrer im
       > Nationalsozialismus erworbenen Werke.
       
 (IMG) Bild: Geschäftsmann und Maler: Arnold Blome in seiner Wohnung im Bremer Viertel, um 1966.
       
       BREMEN taz | Die Kunsthalle kann sich glücklich schätzen über das Ergebnis
       ihres Drei-Jahres-Projekts zur Provenienzforschung. Bei einem Drittel der
       untersuchten Kunstwerke sei die Herkunft lückenlos geklärt und „völlig
       unbedenklich“. Sie stammen also nicht aus dem Besitz in der NS-Zeit
       enteigneter JüdInnen oder anderer Opfer des Nationalsozialismus – lediglich
       ein Gemälde musste bislang restituiert und anschließend neu erworben
       werden. Die übrigen zwei Drittel eines Konvoluts von 500 als potenziell
       verdächtig ausgewählten Werken werden noch geprüft.
       
       Doch zunächst sind die bislang erforschten Werke nun zusammen mit ihren
       „Biografien“, Aufschlüsselung ihrer Vorbesitzer, in einer Ausstellung zu
       sehen. „Eine Frage der Herkunft: Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer
       Bilder im Nationalsozialismus“ gibt Einblicke in die Arbeitsweise der
       Forschung – und in die Lücken, die da noch klaffen: „Es gibt noch viel zu
       tun“, so lautet das nur vorläufige Schlusswort.
       
       Viele der rund 120 Exponate der Ausstellung sind berühmte Arbeiten.
       Meisterwerke von Max Beckmann, Otto Dix oder Karl Schmidt-Rottluff.
       Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden hingegen ihre Rückseiten:
       Einige Gemälde hängen nicht an der Wand, sondern ragen auf Sockeln stehend
       in den Raum. So lässt sich Ernst Willers’ Ölgemälde „Eiche im Hasbruch“
       umrunden: Hinter dieser Waldszene in leuchtend sattem Grün sind auf dem
       schmucklosen Rahmen Stempel zu entdecken, schief aufgeklebte Etiketten und
       kryptische Notizen. Vielleicht Katalog-Nummern vergessener Ausstellungen
       oder Auktionen. Vielleicht aber auch Preise – endgültig zu klären war das
       nicht. Mit Spuren wie diesen haben sich die Provenienzforscher in den
       vergangenen Jahren beschäftigt.
       
       Auf vielen Bildern ist der Name Arnold Blome zu lesen. Dem Bremer
       Kunstsammler und Kunsthändler verdankt die Kunsthalle Hunderte der Werke
       ihres Bestandes. Seine großzügigen Spenden galten als verdächtig, da Blome
       auf Zwangsversteigerungen auch auf Kunstwerke aus dem Besitz von JüdInnen
       geboten hat, die ermordet wurden, oder die ihr Eigentum auf der Flucht in
       Deutschland zurücklassen mussten. Einige wenige solcher Werke sind auch in
       der Kunsthalle aufgetaucht. Eine Kreidezeichnung von Giacomo Cavedone wurde
       etwa den Erben der Enteigneten zurückgegeben und dann erneut von der
       Kunsthalle gekauft.
       
       Die Verbrechen scheinen Blome nicht sonderlich gekümmert zu haben.
       Zumindest hat er keine Skrupel geäußert. Dennoch war Blome mehr als ein
       unmoralischer Geschäftsmann. Er hat sich nicht in erster Linie persönlich
       an den geraubten Werken bereichert, sondern sie Museen wie der Kunsthalle
       als Leihgaben zur Verfügung gestellt. Nach dem Tod seiner Frau hat Blome
       sogar begonnen, seine Sammlung großzügig zu verschenken. Das war ein
       politischer Akt der Vergesellschaftung.
       
       Solchen Widersprüchen in der Figur des skrupellosen Kunsthändlers
       nachzugehen, ist das Aufregendste an der Ausstellung. Das gilt neben Blome
       auch für Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze, deren Beschaffungen ebenfalls
       geprüft wurden. Die drei Händler sind hier die Hauptfiguren – fast
       wichtiger noch als die Kunst. Die Exponate sind nach ihren Spendern
       sortiert, nicht etwa nach Stilrichtung oder Alter.
       
       Blome war nach dem Krieg nicht nur in der Kunstszene Bremens bekannt. Als
       sein Wohnhaus Vor dem Steintor 25 abgerissen werden sollte, stellte sich
       Blome quer und verweigerte den Auszug. Die Presse griff den Fall auf und
       portraitierte den eigenwilligen Besetzer als „Bremer Original“ in seiner
       Wohnung voller Kunstwerke. Seine umfangreiche Privatsammlung, aber auch
       eigene Werke.
       
       Denn Blome war selbst Maler. ein sozialistischer dazu, was die ganze Sache
       noch komplizierter macht. Ein Raum der Ausstellung zeigt rund 30 seiner
       Arbeiten, die bisher kaum bekannt waren. Er orientierte sich an
       verschiedenen Avantgarde-Strömungen seiner Zeit, kombinierte Zeichnung mit
       Schrift und fertigte Collagen aus Werbung und Zeitungsartikeln an:
       abstrakt, regimekritisch und pazifistisch. Das wurde im Nationalsozialismus
       nur deshalb nicht als „entartete Kunst“ verfolgt, weil Blome seine Bilder
       nicht verkauft oder ausgestellt hat.
       
       Allein schon wegen dieser Bilder lohnt sich ein Besuch der Ausstellung. Und
       weil sich hier eine Forschungsrichtung kennenlernen lässt, die Bremen noch
       eine ganze Weile beschäftigen dürfte. Denn es geht bereits weiter: 600
       Gemälde sollen untersucht und die Zusammenarbeit mit anderen
       Provenienzforschern soll intensiviert werden. Gerade in der vergangenen
       Woche hat sich auf einer internen Tagung in der Kunsthalle der Verein
       „Arbeitskreis Provenienzforschung“ gegründet, um die Professionalisierung
       der Disziplin zu fördern. Die öffentliche Aufmerksamkeit scheint gesichert:
       Ein Vortrag über Hildebrand Gurlitt, den wohl bekanntesten Akteur des
       NS-Kunsthandels, war restlos ausverkauft.
       
       23 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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