# taz.de -- Flüchtlingsunterkünfte in Niedersachsen: Es war nicht alles falsch
       
       > Oliver Junk (CDU) wollte mehr Flüchtlingen Obdach geben. Die Initiative
       > des Goslarer Bürgermeisters wurde von SPD, Kirche und Flüchtlingsverein
       > gestoppt.
       
 (IMG) Bild: Schwere Kette, innovative Ideen: Goslars Bürgermeister Oliver Jung
       
       GOSLAR taz | Mitte November sorgte Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk
       (CDU) mit einem ungewöhnlichen Hilfsangebot bundesweit für Schlagzeilen.
       Sein von Abwanderung und demografischem Wandel geplagtes
       50.000-Einwohner-Städtchen im Harz könne und solle viel mehr Flüchtlinge
       aufnehmen als bislang, schlug der CDU-Mann vor.
       
       Auch in anderen Orten im Oberharz stünden Wohnungen, kleine Hotels und
       Pensionen leer, in denen Asylbewerber unterkommen könnten. Größere
       Nachbarorte wie die Universitätsstadt Göttingen, in denen Wohnraum knapp
       und teuer ist, würden so entlastet. Doch jetzt, knapp drei Wochen später,
       bleibt von Junks Vorstoß nicht viel übrig: Eine Allianz aus evangelischer
       Kirche, Sozialdemokraten und Flüchtlingsvereinen hält den Vorschlag des
       CDU-Manns für unausgegoren und hat Junks Initiative vorerst gestoppt.
       
       Das Echo auf Junks Angebot war von Beginn an geteilt. Die kommunalen
       Spitzenverbände signalisierten zunächst Zustimmung. „Das entlastet alle
       anderen“, sagte etwa Heiger Scholz, Geschäftsführer des niedersächsischen
       Städtetages.
       
       Auch der Städte- und Gemeindebund im Bundesland hatte keine Einwände. Das
       SPD-geführte Innenministerium in Hannover dagegen reagierte zurückhaltend
       und verwies auf den gültigen Verteilerschlüssel. Danach müssen zunächst die
       Länder je nach Einwohnerzahl und Steueraufkommen eine bestimmte Zahl von
       Flüchtlingen aufnehmen. Innerhalb der Bundesländer wiederum werden sie den
       Kommunen je nach deren Bevölkerungszahl zugewiesen.
       
       Die evangelische Kirche in Goslar begrüßte zwar zunächst die von Junk
       angestoßene Diskussion, eine Willkommenskultur für Flüchtlinge lasse sich
       jedoch nicht auf deren vorübergehende Unterbringung reduzieren, hieß es
       dann: „Da sie länger bleiben, geht es auch um die Frage Arbeit“, sagte
       Propst Thomas Gunkel. Goslar verfüge nur über eine vergleichsweise geringe
       Wirtschaftskraft, warnte der Kirchenmann, „das macht die Sache nicht
       einfacher“.
       
       ## Abkapselung droht
       
       Noch deutlicher war die Kritik des Goslarer Vereins Leben in der Fremde,
       der sich vor Ort um die Integration von Flüchtlingen kümmert. Zwar habe
       Junk mit seiner Rede ein „wirklich tolles“ Zeichen gesetzt, doch die
       Flüchtlinge einfach in leer stehende Hotels zu verfrachten bringe gar
       nichts. „Das entwickelt ein Eigenleben, die Menschen kapseln sich dann ab“,
       so die Vereinsvorsitzende Susanne Ohse. Das gelte erst recht, wenn die
       Unterkunft weitab von der Stadt liege und Asylbewerber aus dem Oberharz für
       Behördengänge und Einkäufe erst mit dem Bus nach Goslar fahren müssten.
       
       Äußerst verärgert zeigte sich der Landrat des Kreises Goslar, Thomas Brych
       (SPD). Er warf Junk „Aktionismus“ vor. Der Oberbürgermeister überschreite
       seine Kompetenzen. Er spreche für den Kreis Goslar, vertrete dabei aber nur
       eine von acht Kommunen im Kreis. Eine „Grenze überschritten“ habe Junk
       zudem durch sein Treffen mit der Göttinger Sozialdezernentin. „Es ist nett,
       dass Herr Dr. Junk mich über das Gespräch informieren will“, ätzte Brych,
       aber ich gewinne den Eindruck, dass er dabei vergisst, in welcher Funktion
       er hier unterwegs ist.“
       
       Vorigen Donnerstag trafen sich die beiden Verwaltungsspitzen bei
       Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) zum
       Vermittlungsgespräch. Ergebnis: Alles bleibt erst mal beim Alten. Es sei
       nicht daran gedacht, den Verteilerschlüssel zu ändern, sagte Brych nach dem
       Treffen. Auch mit der von Junk vorgeschlagenen Unterbringung in Hotels wird
       es wohl nichts. Der Landkreis halte am Prinzip der dezentralen
       Unterbringung fest.
       
       ## Bau einer neuen Unterkunft
       
       Zu den Voraussetzungen für eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge zählten
       Betreuung, Sprachkurse und tägliche Begleitung, sagte Brych: „Wir sind uns
       einig, dass nachhaltige Integration nur mit einer intensiven und
       individuell abgestimmten Betreuung funktionieren kann.“
       
       Junk sieht sich gleichwohl nicht als Verlierer. Der SPD-Innenminister
       immerhin habe erklärt, seine Idee könne durchaus „als Blaupause“ für
       Niedersachsen dienen. Das zeige, dass nicht alles falsch sei, was er gesagt
       habe, findet Junk. In Göttingen setzt man derweil nicht darauf, dass in
       absehbarer Zeit Flüchtlinge in den Harz weitergeschickt werden: Die
       Stadtverwaltung kündigte vergangene Woche den Bau einer neuen Unterkunft
       für Asylbewerber an.
       
       7 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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