# taz.de -- Zum 125. Geburtstag von Kurt Tucholsky: „Heitere Schizophrenie“
       
       > Mit Witz, Verstand und Satire: Kurt Tucholsky benannte die Fehler der
       > Weimarer Republik und wetterte gegen Militarismus und Untertanengeist.
       
 (IMG) Bild: Das Kurt Tucholsky Literaturmuseum im Schloss Rheinsberg erinnert an das Werk des Autors.
       
       BONN kna | Das eine große Werk hat der Schriftsteller und Journalist Kurt
       Tucholsky nicht geschaffen. Aber dafür hat er ein umfangreiches,
       vielgestaltiges Oeuvre hinterlassen aus Geschichten, Gedichten, Liedern,
       Glossen, Satiren, kleinen Romanen und Rezensionen.
       
       Vieles von dem, was er vor allem als Journalist geschrieben hat, ist nur zu
       verstehen vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Weimarer Republik,
       den er mit seinem Witz und seinem analytischen Verstand erhellte.
       Weitsichtig wie sonst keiner hat er die Fehlentwicklungen der ersten
       Demokratie auf deutschem Boden benannt und das Heraufziehen des
       Nationalsozialismus vorausgesehen. Am Ende, als das Gefühl der Ohnmacht
       stärker war als das Vertrauen in die Kraft des Wortes, hat er, dessen
       Bücher von den Nazis verbrannt wurden, sein eigenes Leben ausgelöscht.
       
       Am Freitag vor 125 Jahren kam Kurt Tucholsky als ältestes Kind eines
       jüdischen Bankkaufmanns zur Welt. Da der Vater nach seinem recht frühen Tod
       der Familie ein beträchtliches Vermögen hinterließ, konnte sein
       Erstgeborener neben dem Jurastudium ohne materiellen Druck seinen
       literarischen Neigungen nachgehen.
       
       Als er 1915 in Jena die juristische Doktorprüfung ablegte, hatte er bereits
       seinen ersten Bestseller vorgelegt, den heiter-ironischen Liebesroman
       „Rheinsberg - Ein Bilderbuch für Verliebte“ (1912). Und er schrieb für „Die
       Schaubühne“, die Theaterzeitschrift seines Freundes Siegfried Jacobsohn,
       die 1918 in „Die Weltbühne“ umbenannt wurde.
       
       ## Vier Pseudonyme
       
       Den Ersten Weltkrieg überstand er auf einem Schreiber- und
       Feldredakteursposten im Baltikum, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Als
       Hauptbeiträger der „Schaubühne“ hatte er sich drei Pseudonyme zugelegt,
       Ignaz Wrobel, Peter Panter und Theobald Tiger, 1918 kam noch Kaspar Hauser
       dazu.
       
       Tucholsky selbst bezeichnete es „als heitere Schizophrenie“, die sich auch
       noch als nützlich erwies, „denn wer glaubt in Deutschland einem politischen
       Schriftsteller Humor? Dem Satiriker Ernst? Dem Verspielten Kenntnis des
       Strafgesetzbuches, dem Städteschilderer listige Verse? Humor
       diskreditiert.“ Tucholsky rechnete ab mit dem deutschen Militarismus,
       wetterte gegen den Untertanengeist und geißelte als gelernter Jurist eine
       reaktionäre Justiz, die auf dem rechten Auge blind war.
       
       1924 zog er nach Paris, um Abstand zu gewinnen: „Die Kinder lärmen auf den
       bunten Steinen./Die Sonne scheint und glitzert auf ein Haus./Ich sitze
       stille und lasse mich bescheinen/ und ruh von meinem Vaterlande aus.“ Die
       Idylle, die er in dem Gedicht „Park Monceau“ aufscheinen lässt, währte
       nicht lange. Kurzzeitig kehrte er Ende 1926 nach Berlin zurück, um nach dem
       Tod Jacobsohns die Leitung der „Weltbühne“ zu übernehmen, die er aber bald
       an Carl von Ossietzky abgab.
       
       1929 wanderte er nach Schweden aus. Obwohl ihm der Erfolg weiterhin treu
       blieb, wuchs seine Verbitterung über die Entwicklung in Deutschland, das
       Heraufziehen des Nationalsozialismus und die Zerstrittenheit der linken
       Parteien, die Hitler nichts entgegenzusetzen hatten. In der Textcollage
       „Deutschland, Deutschland über alles“ (1930) mit Bildmontagen von John
       Heartfield fuhr er noch einmal das ganze Arsenal seiner literarischen und
       journalistischen Ausdrucksformen auf. Danach verstummte er als politischer
       Publizist.
       
       ## Gegengift „Schloss Gripsholm“
       
       Wie ein Gegengift mutet die Erzählung „Schloß Gripsholm“ (1931) an, mit der
       er überraschenderweise noch einmal an der Erfolg seines ersten Bestsellers
       „Rheinsberg“ anknüpfte und ganz nebenbei seinen Ruf als notorischer
       Frauenheld auffrischte. Tucholsky war zweimal verheiratet und hatte
       unzählige Affären, obwohl er, schon früh zur Korpulenz neigend, nicht
       gerade dem klassischen Bild eines Casanovas entsprach. Aber auch das
       Ewigweibliche konnte ihn nicht erlösen, als er, von chronischen
       Magenbeschwerden geplagt, eine tödliche Überdosis Schmerztabletten nahm. Er
       starb am 21. Dezember 1935 in einem Krankenhaus in Göteborg.
       
       Noch immer gibt es Revuen und Soloprogramme, in denen eher die
       unterhaltsamen Seiten seines Werks aufbereitet werden. Seine spöttischen
       Bonmots wie „Es wird nach einem Happyend jewöhnlich abjeblendt“ werden
       immer wieder gern zitiert. Und seine aus dem zeitgeschichtlichen
       Zusammenhang gerissene Feststellung „Soldaten sind Mörder“ beschäftigte vor
       etwa 20 Jahren die deutschen Gerichte, bis hin zum
       Bundesverfassungsgericht.
       
       9 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Kohl
       
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