# taz.de -- Muslime nach „Charlie Hebdo“: Gefühlte Bedrohung
       
       > Deutsche Islamverbände planen nach dem Anschlag in Paris eine Kundgebung
       > gegen den Terror. Einer Umfrage zufolge wächst das Misstrauen.
       
 (IMG) Bild: Alle großen muslimischen Verbände in Deutschland haben die Bluttat aufs Schärfste verurteilt.
       
       BERLIN taz | Noch am Tag des Anschlags, als die ersten Opfer namentlich
       bekannt wurden, machte die Geschichte von Ahmed Merabet auf Facebook die
       Runde. Er war einer der beiden Polizisten, die bei dem Anschlag auf die
       Redaktion von Charlie Hebdo getötet wurden. „Ahmed ist übrigens einer der
       Namen des Propheten Mohammed. Es ist wie die Ironie des Schicksals, dass
       einer der Ermordeten gerade so hieß wie der, für den diese abscheuliche Tat
       angeblich begangen wurde“, schrieb der offenbar muslimische Verfasser eines
       Internetpostings, das im Netz eifrig geteilt wurde.
       
       Der Mord an dem Polizisten zeige, „dass radikale Extremisten nicht zwischen
       Muslimen und Nichtmuslimen unterscheiden. Sie halten nur ihre beschränkte,
       menschenfeindliche Ideologie und ihr pervertiertes Religionsverständnis für
       richtig.“
       
       Die Reaktionen unter Muslimen auf den Anschlag in Paris sind einhellig:
       Alle großen muslimischen Verbände in Deutschland haben die Bluttat aufs
       Schärfste verurteilt. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für
       Religion (Ditib) nannte sie „niederträchtig und absolut inakzeptabel“ und
       sprach von einem „Angriff auf die Menschlichkeit“. „Erschüttert und
       schockiert“ zeigte sich auch der Generalsekretär der Islamischen
       Gemeinschaft Millî Görüs (IGMG), Mustafa Yeneroglu, und die deutsche
       Ahmadiyya-Gemeinde sprach von „unentschuldbarer Barbarei“. Auch die
       säkulare Türkische Gemeinde in Deutschland verurteilte die „äußerst
       abscheuliche Tat“.
       
       „Ich finde sie auch geschmacklos“, gab der Islamwissenschaftler Rauf Ceylan
       von der Universität Osnabrück mit Blick auf manche Karikaturen von Charlie
       Hebdo zu, aber das sei jetzt nebensächlich. „Im Grunde war das gestern ein
       Anschlag auf den Islam selbst, wenn genau das bestätigt wird, was in den
       Karikaturen artikuliert und dargestellt wird.“ Ähnlich hatte es Aiman
       Mazyek vom Zentralrat der Muslime kurz nach Bekanntwerden des Anschlags am
       Mittwoch formuliert: „Heute wurde nicht unser Prophet gerächt, sondern
       unser Glaube verraten und unsere muslimischen Werte wurden in den tiefsten
       Dreck gezogen.“
       
       ## Die Pressefreiheit predigen
       
       Die Reaktionen in Deutschland ähneln denen französischer Muslime. Und so
       wie der Rektor der Großen Moschee von Bordeaux, Tareq Oubrou, dort zu einer
       Massendemonstration für die Meinungsfreiheit aufgerufen hat, planen
       Islamverbände jetzt auch in Deutschland eine Kundgebung gegen den Terror.
       In deutschen Moscheen soll an diesem Freitag in den Predigten die
       Pressefreiheit gepriesen werden.
       
       „Wer den Propheten für seine Taten missbraucht und in seinem Namen Gewalt
       ausübt, begeht nicht nur ein Verbrechen an ihm, sondern ein Verbrechen
       gegen die gesamte Menschheit“, schrieb die Bloggerin Betül Ulusoy auf ihrer
       Facebook-Seite. „Nicht immer mit dem Finger auf die anderen zeigen, sondern
       auch mal innermuslimisch die Gründe suchen, warum es so ist, wie es ist“,
       fordert dagegen der Blogger und Buch-Autor Eren Güvercin („Neo-Muslime“).
       
       „Es geht nicht um eine bloße Distanzierung, sondern eine innermuslimische
       und tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Ideologien, die hinter
       solchen Taten stecken.“ Er reagierte damit auf die ersten Relativierungen
       und Verschwörungstheorien, die sich daran entzünden, dass einer der Täter
       seinen Personalausweis auf der Flucht verloren haben soll.
       
       Unter radikalen Islamisten im Internet findet der Anschlag auf das
       französische Satiremagazin dagegen großen Beifall. „Möge Allah unsere
       französischen Brüder belohnen“, feierte ein Nutzer mit dem Namen „Abu
       Dujana“ im Kurznachrichtendienst Twitter die Attentäter als Helden. Am
       Donnerstag kursierte auch ein Youtube-Film, in dem Bilder von der Bluttat
       mit religiösen Sprechgesängen unterlegt sind. Dschihadisten benutzen diese
       Art von Musik üblicherweise für ihre Terrorvideos. Und manche nutzten den
       Twitter-Hashtag #CharlieHebdo für ihre dschihadistische Propaganda.
       
       ## Moscheen-Dachverband fürchtet erhöhte Gefahr
       
       Der deutsche Moscheen-Dachverband Ditib fürchtet nach dem Anschlag auf
       Charlie Hebdo – wie in Frankreich – auch für islamische Einrichtungen in
       Deutschland eine erhöhte Gefahr. Man müsse „damit rechnen, dass Neonazis,
       Pegida-Aktivisten und Islamhasser diesen schrecklichen Terrorakt zum Anlass
       nehmen, ihre Angriffe zu vermehren“, sagte ihr Vorstandssprecher Bekir
       Alboga.
       
       Die Sorge ist nicht unbegründet: Am Donnerstag hat die Bertelsmann-Stiftung
       ihren regelmäßig erscheinenden „Religionsmonitor“ veröffentlicht. Demnach
       hält inzwischen jeder zweite Deutsche (57 Prozent) den Islam für eine
       Bedrohung, und 61 Prozent meinen, der Islam passe nicht in die westliche
       Welt – mehr als vor zwei Jahren. „Weder die politische Orientierung noch
       das Bildungsniveau üben einen nennenswerten Einfluss auf das Islambild
       aus“, schreiben die Forscher.
       
       Entscheidender seien das Alter und der persönliche Kontakt zu Muslimen. Ein
       Großteil der vier Millionen Muslime in Deutschland fühlten sich dem
       demokratischen Staat und der westlichen Gesellschaft eng verbunden.
       
       8 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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       sie.