# taz.de -- Kommentar Anschlag in Paris: Fromme Wünsche
       
       > Hand in Hand gegen die Terroristen? Diese Einheit ist vergänglich.
       > Solidarität darf nicht den Blick auf Realitäten vernebeln.
       
 (IMG) Bild: „Charlieberté“ – am Place de la République in Paris.
       
       PARIS taz | Wie lange wird diese „union sacrée“, die „heilige“ nationale
       Einheit, anhalten, die Frankreich angesichts der terroristischen Barbarei
       beschwört und am Sonntag mit einer eindrücklichen Massenkundgebung
       zelebriert? Hollande demonstriert mit Merkel, Cameron und Renzi, Valls
       marschiert mit Sarkozy, und Marine Le Pen lässt solidarisch grüßen und
       wünschte eine schriftliche Einladung.
       
       Dass ausnahmslos alle gegen die Barbarei und für die Meinungsfreiheit sind,
       ist in einer solchen dramatischen Situation tröstlich. Es ist das Mindeste.
       Hand in Hand gegen die Terroristen. Das ist das Gebot der Stunde, es
       entspricht auch bestimmt einem tief empfundenen Wunsch der Menschen, die in
       Frankreich schockiert sind von diesem unvermittelten und brutalen Einbruch
       des Kriegs mitten in ihre Alltagsroutine.
       
       Machen wir uns aber keine Illusionen. Diese Einheit wird sehr vergänglich
       sein. Obschon die Leute fordern: Jetzt müssen wir alle gegen den
       gemeinsamen Feind zusammenstehen und dürfen uns nicht spalten lassen.
       Vielleicht tönt diese scheinbare Einstimmigkeit von Anfang an ein bisschen
       falsch; so wie die eindringlichen offiziellen Appelle, jedes Amalgam
       zwischen dem radikalen Islamismus und dem Islam zu vermeiden. Der
       konservative Sarkozy kommt bereits wieder mit der reaktionären Leier vom
       „Krieg der Zivilisationen“, und FN-Chefin Le Pen wird die Kampfzone des
       Abendlands auf die Immigration aus muslimischen Ländern ausweiten wollen.
       
       Wenn Sarkozy mit der Linken und Le Pen neben den französischen Muslimen in
       Paris für Toleranz auf die Straße gehen, ist Wachsamkeit angesagt. Nicht
       nur wegen des offensichtlichen Versuchs der Politiker, die Empörung und die
       Solidarität instrumentalisieren zu wollen.
       
       „Wir sind alle Charlie!“, erschallt von jeder Seite der Ruf.
       
       Auch morgen und übermorgen, wenn der Rassismus, der Antisemitismus, die
       Islamophobie, Gewalt gegen Frauen, gegen Minderheiten oder Andersdenkende
       und die Intoleranz bekämpft werden muss, wie dies Charlie Hebdo auf seine
       unersetzbare Manier immer gemacht hat?
       
       Man würde ja so gern hoffen, dass das alles nicht bloß fromme Wünsche sind.
       Und dann kneift man sich den Arm. Nicht aus Defätismus, sondern weil die
       Solidarität nicht den Blick auf Realitäten vernebeln darf.
       
       10 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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