# taz.de -- Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt: Mit Erfolg gewehrt
       
       > Ein Vermieter muss in Berlin 30.000 Euro an türkischstämmige Mieter wegen
       > Diskriminierung zahlen. Es ist eine wegweisende Entscheidung.
       
 (IMG) Bild: Nur am Klingelbrett sind alle gleich
       
       BERLIN taz | Ein Vermieter muss einer türkischen Familie 30.000 Euro
       Schadensersatz wegen ethnischer Diskriminierung zahlen. Das entschied das
       Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg in erster Instanz ([1][Urteil als PDF]).
       Verurteilt wurde der Vermieter, weil er erstens die Mieten für türkische
       und arabische Mieter stärker erhöht hatte als für europäischstämmige
       Mieter. Zweitens hatte er freiwerdende Wohnungen nur an europäischstämmige
       Mieter vergeben.
       
       Seit 20 Jahren wohnte die Familie von Hassan E. (Name geändert) in einer
       Anlage mit insgesamt 44 Sozialwohnungen im Fanny-Hensel-Kiez in Kreuzberg.
       Im Januar 2010 wechselte der Eigentümer mit der Adresse Schöneberger Straße
       5/5a. Der Käufer der Wohnungen, die „Elfte emc asset management GmbH & Co.
       KG“, erhöhte die Mieten wenige Wochen später einheitlich von 5,33 Euro
       nettokalt auf 7,04 Euro nettokalt.
       
       ## Extra-Mieterhöhung für Türken und Araber
       
       Doch bei der Familie E. und zweier anderer Mietparteien blieb es nicht
       dabei. Ausschließlich bei diesen türkisch- und arabischstämmigen Familien
       wurde die Mieten ab Mai 2010 erneut erhöht: auf 9,62 Euro. Die Familie E.
       gab auf und zog aus - reichte zusätzlich aber Klage wegen Diskriminierung
       ein.
       
       Diese Extra-Mieterhöhung ausschließlich für türkische und arabischstämmige
       Mieter wertete das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg als verbotene ethnische
       Diskriminierung. Hinzu kam: Bis September 2011 zogen in die Anlage 28 neue
       Mietparteien ein, darunter war niemand arabischer/türkischer Herkunft. Auch
       das war ein Indiz für das Gericht: "Für eine verbotene Diskriminierung
       sprechen auch statistische Erwägungen", heißt es in dem Urteil. "Aus der
       Zusammensetzung der Bevölkerung Berlins, insbesondere des Bezirks
       Kreuzberg, ergibt sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für Wohnungsbewerber
       nichteuropäischer Herkunft." Aus den Zahlen ergebe sich der "aufdrängende
       Eindruck, dass Mieter türkischer oder arabischer Abstammung durch die
       Beklagte [Vermieterin] zukünftig nicht gewünscht sind".
       
       ## "Krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit"
       
       Die Kernsätze des Urteils: Die Vermieterin habe "den Klägern durch ihr
       Verhalten zu verstehen gegeben, dass diese aufgrund ihrer Herkunft und dem
       hiermit im Zusammenhang stehenden kulturellen Hintergrund nicht in das
       Miet- und Wohnkonzept passen. Es entsteht der Eindruck, die Beklagte
       [Vermieterin] fürchte durch Mieter türkisch-orientalischer Herkunft
       beziehungsweise arabischer Herkunft eine Abwertung der Wohnanlage, die
       durch Mieter europäischer Herkunft nicht zu befürchten sei. Die damit
       vermittelte krasse Abwertung, Ausgrenzung und massive Ungerechtigkeit
       greift als erheblich verletzend in den Kernbereich des
       Persönlichkeitsrechts ein. Es wird so nicht nur deutsches Verfassungsrecht
       verletzt, sondern auch tragende europäische Rechtsgrundsätze."
       
       Das Gericht geht auch auf die Kinder der Mieter ein. Es weist darauf hin,
       dass "nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Erfahrung auf Dauer
       negativ auf ihre besonders sensible persönliche Entwicklung sowie auf das
       Bild von sich selbst und ihrer Rolle in der Gesellschaft der Bundesrepublik
       auswirken wird".
       
       ## Das Ziel: Die Mieter sollen kündigen
       
       Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) und das Netzwerk Mieterstadt
       gaben die Entscheidung am Mittwoch bekannt. Auch wenn das Urteil noch nicht
       rechtskräftig ist, ist man sich einig: Es ist eine wegweisende
       Entscheidung. Noch nie sei ein Fall von Wohnungsdiskriminierung so deutlich
       geahndet worden, sagte Eva Andrades, Projektleiterin des
       Antidiskriminierungsnetzwerks des TBB am Mittwoch.
       
       Solche Praktiken sind nach Angaben des Netzwerks Mieterstadt kein
       Einzelfall. Das Ziel: Die Mieter sollen kündigen, weil die Miete zu hoch
       ist.
       
       Vermieter, die türkische und arabische Familien diskriminieren, müssen nun
       teure Prozesse fürchten. Erleichtert werden solche Prozesse insbesondere
       dadurch, dass das Gericht auch statistische Methoden als Indiz für
       Diskriminierung zuließ. Ein Blick auf das Klingelschild reicht also bei
       größeren Wohnanlagen, um einen ersten Hinweis zu bekommen, ob ein solcher
       Prozess erfolgreich sein könnte.
       
       14 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://blogs.taz.de/hausblog/files/2015/01/Urteil-AGG-13-Jan-15.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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