# taz.de -- Grenzen des Rohstoffabbaus: Wenn der Phosphor ausgeht
       
       > Viele große Phosphatminen sind weitgehend ausgebeutet. Ersatz für den
       > Dünger gibt es nicht. Forscher suchen nach Recyclingverfahren.
       
 (IMG) Bild: Hier fliegt der Phosphor mit der Gülle-Schleuder durch die Gegend.
       
       Schon einmal machte die Substanz Schlagzeilen, als phosphathaltige
       Reinigungsmittel zur Eutrophierung ganzer Seen führte. Heute werden in
       Putzmitteln umweltfreundliche Zeolithe anstatt Phosphat verwendet, das
       Problem gehört der Vergangenheit an. Für Phosphor im Dünger gibt es jedoch
       keine Alternativen. Und darum ist Phosphor nun wieder im Gespräch. Diesmal,
       weil es weltweit immer knapper wird und darum die Nahrungsmittelproduktion
       in Zukunft gefährden könnte.
       
       Eigentlich ist das chemische Element Phosphor weit verbreitet. Es ist
       lebensnotwendiger Bestandteil aller Organismen und auch in Böden und
       Gewässern zu finden. Über viele Millionen Jahre hat es sich als Phosphat im
       Sediment von Meeresböden angereichert, sodass große Mengen heute als
       Phosphaterzminen vorliegen. Und hier wird es aus dem Fels gerissen, um in
       nahe gelegenen Düngemittelfabriken durch Verbrennung zu Phosphorpentoxid
       weiterverarbeitet zu werden.
       
       Doch das Phosphor in Wasser und Böden ist meist zu verdünnt und darum
       wirtschaftlich nicht von Interesse. Und die großen Phosphorlager, gelegen
       in Marokko, China, Südafrika, Jordanien und USA, sind zu großen Teilen
       ausgebeutet.
       
       Einige Wissenschaftler glauben, dass bereits im Jahr 2034 ein „peak“
       erreicht sein könnte, das heißt, dass dann die maximale
       Phosphorproduktionsrate erreicht wäre.
       
       ## Vorbeugen ist besser
       
       Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
       sind da optimistischer: Bei einem derzeitigen Phosphorvorkommen von 67
       Milliarden Tonnen und einer Jahresförderung von 207 Millionen Tonnen wären
       die Reserven in rund 320 Jahren erschöpft, rechnet das BGR in einem Papier
       aus dem Jahr 2013 vor.
       
       „Ein sogenannter Peak Phosphor ist in naher Zukunft nicht zu erwarten“,
       schreiben die Experten. Trotzdem müsse man sich gegen eine drohende
       Knappheit wappnen. Schließlich ist das Phosphaterz in vielen Lagerstätten
       immer häufiger mit Schwermetallen sowie Uran vergesellschaftet und die
       Minen hinterlassen triste Mondlandschaften. Abbau und Transport sind zudem
       energieaufwendig.
       
       Obendrein bereitet das Phosphor-Thema geopolitische Probleme, da einige
       Exportländer sehr instabil sind. So verfügen Marokko, China, Algerien,
       Syrien, Jordanien und Südafrika über 90 Prozent der Ressourcen. Marokkos
       Bodenschätze liegen etwa in der Westsahara, ein Gebiet, das laut UN den
       nomadisch lebenden Sahrauis gehört und ungerechtfertigt von Marokko
       okkupiert wurde.
       
       Auf der anderen Seite besitzen große Industrienationen wie Indien,
       Brasilien und die Europäische Union kaum Vorkommen und sind daher
       hochgradig abhängig von Phosphor. Wenn der Preis also in ungeahnte Höhen
       steigt, wie im Jahr 2008, hängt die Nahrungsmittelproduktion von einzelnen,
       teils zwielichtigen Staaten ab.
       
       ## Mögliche Engpässe
       
       Dana Cordell von der Linköping University in Stockholm, die den Begriff
       „peak phosphor“ angelehnt an „peak oil“ prägte, rät darum Ländern mit
       geringen Reserven, sich auf mögliche Phosphor-Engpässe vorzubereiten. Vor
       allem das Recycling sei eine gute Sache.
       
       Bei uns kam Phosphat neben mineralischem Dünger lange Zeit als
       Klärschlammdünger auf die Felder. Diese Praxis gerät aber immer mehr in
       Verruf, da sich im Klärschlamm zahlreiche großteils unbekannte Chemikalien
       tummeln können. Die Bundesregierung setzt darum auf Phosphor-Recycling und
       hat verschiedene Forschungs-Förderprogramme aufgelegt.
       
       Mit Erfolg: Deutschland ist Vorreiter in Sachen Forschung und Entwicklung
       bei der Phosphatrückgewinnung. Laut einer Studie des Umweltbundesamts (UBA)
       aus dem Jahr 2012 stammen von 50 derzeit bekannten Recycling-Verfahren mehr
       als die Hälfte aus deutscher Feder.
       
       In Klärschlamm, Gülle, Lebensmittel- und Schlachtabfällen, Gärresten aus
       der Biogaserzeugung, aber auch im menschlichen Urin stecken zum Teil große
       Mengen an Phosphat. So gelangen pro Person täglich rund zwei Gramm
       Phosphorverbindungen ins Abwasser. Klärschlamm-Asche besteht dann zu etwa
       20 Prozent aus dem knappen Rohstoff. Phosphat lässt sich aber auch schon
       eine Stufe vorher aus dem Abwasserstrom gewinnen – also bevor es in der
       Schlammfraktion endet.
       
       ## Fleischverzicht hilft
       
       So arbeitet etwa die Kläranlage Berlin-Waßmannsdorf mit dem eigens
       entwickelten „Berliner Verfahren“. Dabei wird das Phosphat als
       Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) aus dem Faulschlamm gewonnen. Und zwar
       indem man den pH-Wert abgesenkt und ein Fällmittel zugibt. MAP flockt dann
       aus und kann vom Schlamm abgeschieden werden.
       
       Eine andere Möglichkeit ist die sogenannte Urin-Separierung. Dabei wird der
       Urin nicht mit Wasser in die Kanalisation gespült, sondern über
       Spezialtoiletten getrennt von Kot in Tanks gesammelt. Derzeit wird das
       System von Schweizer Forschern in Südafrika getestet. Bei uns könnten
       Flughafentoiletten oder Bürogebäude mit solchen Tanks ausgestattet werden.
       
       Auch im ökologischen Landbau hat man zunehmend Interesse am P-Recycling.
       Denn Bio-Böden sind vor allem in vieharmen Regionen sehr phosphatarm. Der
       Bioland-Verband mahnte kürzlich gemeinsam mit Wissenschaftlern, den
       Kreislaufgedanken auch beim Phosphor konsequenter umzusetzen und die
       kommunalen Abwässer zu nutzen. Schließlich seien die Schadstoffgehalte in
       Abwässern zum Teil um 90 Prozent zurückgegangen.
       
       Neben dem Recycling haben Wissenschaftler jedoch auch noch andere
       Lösungsmöglichkeiten in petto. So züchtet man Pflanzensorten, die den im
       Boden schlummernden Phosphor effizienter nutzen – teilweise mit
       gentechnischen Verfahren. Zudem könnte Dünger sparsamer eingesetzt werden.
       „Viele Böden weltweit sind schlichtweg überdüngt, so wird Phosphor
       verschwendet“, meint Peter Leinweber, Bodenkundler an der Universität
       Rostock.
       
       Auch die in Industrieländern lebenden Verbraucher könnten den weltweiten
       Phosphorbedarf um rund 45 Prozent senken: Sie müssten allerdings darauf
       verzichten, Fleisch zu essen. Denn die Fleischproduktion verschlingt
       Unmengen an Futterpflanzen, die wiederum gedüngt werden müssen.
       
       8 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kathrin Burger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Düngemittel
 (DIR) Rohstoffgewinnung
 (DIR) Gülle
 (DIR) Wasser
 (DIR) Rohstoffe
 (DIR) Geheimdienst
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Ernährung
 (DIR) Lebensmittel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kläranlagen leiden unter Lieferengpässen: Phospor bedroht Gewässer
       
       Um Abwasser zu säubern, brauchen Kläranlagen Eisensalze. Wegen
       Produktionsengpässen in der Industrie gibt es davon derzeit zu wenig.
       
 (DIR) BDE-Präsident Kurth über Phosphor: „Wertvolle Stoffe gehen verloren“
       
       Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und
       Rohstoffwirtschaft (BDE) fordert, Klärschlamm direkt als Dünger zu nutzen.
       
 (DIR) Indiens Kleinkrieg mit NGOs: Zweiter Sieg für Greenpeace
       
       Proteste gegen Kohle- oder Atomprojekte werden in Indien nicht gern
       gesehen. Da behindert man auch mal Aktivisten. Die Justiz beendet das nun.
       
 (DIR) Biotonnen werden Pflicht: Vergären für den Klimaschutz
       
       Bis zu 40 Prozent biologisch abbaubarer Abfälle landen im Restmüll. Dabei
       stecken da jede Menge Energiepotenzial und wichtige Rohstoffe drin.
       
 (DIR) Weniger Hunger durch weniger Fleisch: Drei Kalorien rein, nur eine raus
       
       In der Fleischproduktion wird Getreide verfüttert, das auch gegessen werden
       könnte. Eine Studie zeigt: Millionen Menschen könnten sich damit ernähren.
       
 (DIR) Phosphat im Essen: Behörden wiegeln ab
       
       Phosphatzusätze in Lebensmitteln stehen neuerdings im Verdacht, auch für
       Gesunde schädlich zu sein. Künstliche Phosphate gehen ins Blut über.