# taz.de -- Die Wahrheit: Gorleben für alle
       
       > Die Zukunft strahlt jetzt schon: Endlich wird der weltweite Atomabfall
       > gerecht aufgeteilt: 50 Gramm Atommüll pro Kopf, ab sofort.
       
 (IMG) Bild: Jedem Weltbürger sein Fässchen Atomares – das ist die Lösung.
       
       Es ist eine Menschheitsaufgabe monströser Größe, an der auch Titanen wie
       Ursula von der Leyen, Wladimir Putin oder Oliver Kahn scheitern:
       Mittlerweile gibt es 350.000 Tonnen radioaktiven Müll auf der Erde – und
       niemand weiß, wohin damit. Vernichtendes Ultragift, das noch in 200.000
       Jahren emsig strahlen wird. 200.000 Jahre – das ist hundertmal so lang hin
       wie ein gewisser Jesus Christus schon aufgefahren ist in sein himmlisches
       Zwischenlager. Und jedes Jahr kommen 10.000 Tonnen Strahlenmüll dazu.
       
       Seit Jahrzehnten wird ein sicherer Aufbewahrungsort auf diesem Planeten
       gesucht. Erfolglos. Ein Weltendlager in der Wüste Gobi, im angeblich ewigen
       Eis von Arktis oder Antarktis, im schon verseuchten Kentucky, in
       Granitstollen der Schweiz? Alles geprüft – nichts ergibt Sinn. Jede
       Endlageridee erweist sich als so unsicher wie Gorleben und andere
       Bröckellöcher schon immer waren. Gerade stellten Wissenschaftler fest, dass
       selbst ein rein deutsches Endlagerchen wohl erst in 150 Jahren machbar ist,
       Kosten: 70 Milliarden aufwärts.
       
       Auch der extraterrestrische Transport der Brennstäbe & Co auf den Mars ist
       noch auf absehbare Zeit unwirtschaftlich. Zudem weiß niemand, ob grüne
       Marsmännchen oder gelbe Marsweibchen darunter leiden würden. Oder ob sie
       aus den Aberquintilliarden leckeren Bequerel titanische Kräfte tanken, um
       dann die Erde anderweitig zu bedrohen. „Mars bringt verbrauchte Energie
       sofort zurück“ – Ältere kennen das sicher noch aus der Werbung.
       
       Nun hat ein US-amerikanisches Forscherteam der Stanford University um
       Professor William Burnton II. jr. einen neuen, einigermaßen revolutionären
       Vorschlag gemacht. Die Wissenschaftler empfehlen ein „weltumspannendes
       integratives Strahlensharing“.
       
       ## Strahlenmüll wird menschlich
       
       Auf jeden Erdenbewohner, so Burnton, entfallen ziemlich genau 50 Gramm
       Atommüll. Das, sagt er lässig, breche „die gigantische Tonnenzahl auch für
       Laien nachvollziehbar herunter“. 50 Gramm! Weniger als ein gutes Steak.
       Selbst wenn man Kinder und Greise abzieht, bleibt für jeden erwachsenen
       Müllweltbürger kaum die Menge einer Tafel Schokolade Strahlenschrott.
       
       „Zumutbar“, sagt der engagierte Forscher, „das kann doch jeder mit nach
       Hause nehmen. So ist jeder Weltbürger in der Lage, einen Teil der
       humanoiden Verantwortung zu tragen.“
       
       Burntons Teilen-Szenario ist von bestechender Logik und hat umgehend
       einhellige Zustimmung gefunden, gerade in Deutschland. „Eine ideale
       Gemeinschaftsaufgabe für die partizipative Gesellschaft“, lässt das
       Kanzlerinnenamt verlauten, „wir haben ja auch gemeinsam mit Kernenergie
       geheizt und dank der fleißigen Atomkerne die Lichter nicht ausgehen
       lassen.“ Bürgerstiftungen bewerben sich schon um lokale Patenschaften. Der
       Transportmulti Kühne + Nagel verspricht, „als Wiedergutmachung für eine
       andere Zeit“ die Logistik in Westeuropa unentgeltlich zu übernehmen.
       
       ## Strahlendes für Flüchtlinge
       
       Die CSU schlägt internationale Brücken: Sie will „als Akt der
       Willkommenskultur“, so Parteichef Horst Seehofer, „allen Flüchtlingen ihren
       Anteil beim Betreten der EU, etwa in Lampedusa, überreichen lassen“. Damit
       sie gleich wüssten, ergänzt ein wortspielhöllenerfahrener Staatssekretär,
       „warum bei uns nie die Lampen duster waren“.
       
       Technisch, weiß die geballte Kompetenz deutscher Ingenieure (VDI), gebe es
       keine Probleme: „Die Kühlung kann durch die hauseigenen Sonnenkollektoren
       erfolgen. So können sehr verschiedene Energiesysteme harmonisch miteinander
       leben lernen.“ Der Rest lasse sich mit handelsüblicher Aluminiumfolie in
       den Griff bekommen.
       
       Über die technisch-sozialen Belange hinaus gibt es schon wirtschaftliche
       Hoffnungen. Der IHK-Bundesverband schlägt „schicke Safety-Boxen aus
       strahlungsresistentem Edelstahl vor“. Ein Milliardengeschäft lockt. „Ich
       kann mir sehr formschöne Modelle für das heimische Bücherregal vorstellen
       und für den Kaminsims“, sagt Hauptgeschäftsführer Fritz Prötting.
       
       Auch besondere Wünsche sollen, je nach Verfügbarkeit, möglich sein. „Wer
       zum Beispiel unbedingt einem Stück Original-Tschernobyl ein neues Zuhause
       geben will oder ein paar formschöne Kugeln aus dem Forschungsreaktor Jülich
       durchs Wohnzimmer kullern lassen will“, verspricht die für
       Reaktorsicherheit zuständige Bundesministerin Barbara Hendricks (SPD), „der
       soll solche Spezialstücke auch bekommen dürfen.“ Ein Gebührenmodell
       („Privat-Atomaufbewahrungssetz – PrAtAuBewGes“) sei in Vorbereitung. Da
       werde „sich schnell ein veritabler Markt entwickeln“, verkündet die EU, die
       „die gerechte Verteilung der Müllhäppchen“ europaweit harmonisieren will.
       
       Professor Burnton jedenfalls lässt wissen, er persönlich wolle „mit gutem
       Beispiel vorangehen“ und ein Päckchen aus dem US-Pannenreaktor Three Mile
       Island adoptieren. „Ich freue mich schon auf dieses Stück lebendige
       Technikgeschichte in unserem Hobbykeller.“
       
       22 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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