# taz.de -- Rede von Christian Lindner: Ach gucken Sie mal, die FDP
       
       > Eine „Wutrede“ von Parteichef Christian Lindner wird zum Internet-Hit.
       > Das Video kommt an, weil Schwarz-Rot nach eineinhalb Jahren langweilig
       > wird.
       
 (IMG) Bild: „So, das hat Spaß gemacht.“ Christian Lindner genießt seine „Wutrede“.
       
       Der Zuruf kommt dem Mann am Rednerpult gerade recht. Christian Lindner
       spricht im Düsseldorfer Landtag seit mehr als zwanzig Minuten von
       „Gründungskultur“ und „Zukunftsvertrauen“. Eher pflichtbewusst als
       leidenschaftlich betont er die Bedeutung der Gründerszene für die Schaffung
       von Arbeitsplätzen. Rhetorischer Alltag für den FDP-Vorsitzenden. Da
       unterbricht ihn ein Zuruf aus den Reihen der SPD: Mit dem Thema Gründungen
       habe Lindner ja so seine eigenen Erfahrungen gemacht. Der Mann am Pult
       lächelt und sagt: „Ach, gucken Sie mal da. Na, das ist ja interessant.“
       
       In den folgenden zweieinhalb Minuten entsteht das, was im Internet in den
       folgenden Tagen als „Wutrede“ kursieren wird. Ja, er habe „in der Hochphase
       der New Economy ein Unternehmen gegründet“, sagt Lindner in Richtung des
       Zwischenrufers, dem SPD-Fraktionsgeschäftsführer Volker Münchow. „Und
       dieses Unternehmen war damals nicht erfolgreich.“
       
       Tatsächlich war der heute 36-Jährige bis April 2001 einer von drei
       Gesellschaftern einer Firma namens Moomax. Ein halbes Jahr später meldete
       das Unternehmen, das Software entwickeln sollte, Insolvenz an. Mehrere
       Millionen Mark von der KfW-Bank sollen dabei verloren gegangen sein.
       
       ## „Das hat Spaß gemacht“
       
       Lindner holt zum Gegenangriff aus: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
       (SPD) habe doch selbst gerade gefordert, Pionieren solle ihr Scheitern
       nicht ein Leben lang als Stigma vorgehalten werden. Immer wieder zeigt er
       ins Plenum: „Übrigens sind es immer meistens solche Sozialdemokraten, die
       das ganze Leben im Staat gearbeitet oder vom Staat selbst gelebt haben, die
       anderen unternehmerisches Engagement vorwerfen.“ Am Ende knöpft Lindner
       sein Jackett zu und sagt: „So, das hat Spaß gemacht.“
       
       Was macht die temperamentvolle Abweichung vom Redemanuskript in einer
       Landtagsdebatte deutschlandweit interessant? Warum greifen Medien sie auf?
       Bild.de titelt „Lindner wütet gegen SPD-Zwischenrufer“ und urteilt
       zufrieden: „Treffer versenkt“. Stern.de schreibt: „Wutrede im NRW-Landtag:
       Christian Lindner flippt aus und wird zum Hit“. Und Focus.de jubelt „FDP
       unter Strom“. Die Antwort hat weniger mit einem Wandel der FDP oder ihres
       Bundesvorsitzenden zu tun. Und mehr mit einer gewandelten Öffentlichkeit.
       
       Eineinhalb Jahre nach dem historischen Rauswurf aus dem Bundestag kämpft
       die Partei weiter um ihre Existenz. Die AfD etabliert sich als Stimme der
       Verbitterten, und Schwarz-Rot regiert laut Umfragen zur Zufriedenheit der
       Mehrheit. Die FDP findet bislang kaum Gehör. Doch nach rund fünfhundert
       Tagen großer Koalition wirken ihre Rhetorik-Versatzstücke von Engagement
       und individuellem Einsatz auf manche wieder originell.
       
       ## Die Wutrede als Etappe des Marathonlaufs
       
       Der Wirbel um die „Wutrede“ passt in Lindners Plan zur Rettung seiner
       Partei. Der FDP-Chef setzt darauf, dass eine interessierte Öffentlichkeit
       im Bundestagswahljahr 2017 seine Freidemokraten als willkommene Alternative
       wahrnehmen wird. Ein Marathonlauf. Verpflegung sollen kleinere Wahlerfolge
       liefern, beispielsweise in Hamburg am übernächsten Sonntag.
       
       Die „Wutrede“ könnte zum Beginn der nächsten Etappe dieses Laufs werden.
       Dem blendenden Rhetoriker Lindner eröffnet sie die Möglichkeit, das
       Altbekannte als neu zu verkaufen. Einst schalt Guido Westerwelle die
       vermeintlichen Besitzstandswahrer von oben herab. Heute stellt sich sein
       Nachfolger als einen durch Reue Gereiften dar: Er hat zwar verloren, aber
       zumindest etwas gewagt.
       
       Die Attitüde des Underdogs lenkt den Blick ab vom Umstand, dass das
       FDP-Angebot im Kern gleich geblieben ist. Nicht der Inhalt ist neu, sondern
       die Art der Präsentation. FDP Classic.
       
       So könnte die „Wutrede“, die keine ist, Lindner seinem Ziel näher bringen,
       das Alte als neu schmackhaft zu machen: Ach, gucken Sie mal da. Na, das ist
       ja interessant.
       
       2 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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