# taz.de -- Femen und die muslimische Frau: Gut gemeint
       
       > Die Aktivistinnen von Femen wollen die muslimische Frau befreien. Was die
       > dazu sagt, spielt dabei keine Rolle. Wie aus einer guten Sache eine
       > hässliche wird.
       
 (IMG) Bild: Was soll das? Femen protestiert vor der Berliner Ahmadiyya-Moschee.
       
       Mit erhobenen Fäusten und nacktem Oberkörper protestierten vorige Woche
       Aktivistinnen der Gruppe Femen aus Solidarität zu Amina Tyler. Die
       Tunesierin hatte Bilder von sich online gestellt, auf denen sie barbusig
       mit der Aufschrift „Fuck your Morals“ und „Mein Körper gehört mir und ist
       nicht Quelle von irgendjemandes Ehre“ zu sehen war.
       
       Damit hatte Tyler eine Kontroverse in Tunesien entfacht. Als konservative
       Prediger Peitschenhiebe und gar die Steinigung der jungen Frau forderten
       und Tyler für mehrere Tage von der Bildfläche verschwand, kündigte Femen
       den internationalen „Topless Jihad Day“ an.
       
       So weit komme ich noch mit. So weit stünde ich auch voll hinter den
       Protesten, wenn sie beispielsweise vor dem tunesischen Konsulat stattfinden
       würden. Denn das Konsulat ist ein Symbol staatlicher tunesischer Macht.
       
       Lächerlich und sinnbefreit wird es allerdings, wenn sich die Femen-Frauen
       barbusig und mit den Aufschriften „Fuck your morals“, „Fuck Islamism“,
       „Arab Women Against Islamism“ und „Free Amina“ vor eine Ahmadiyya-Moschee
       stellen, wie das letzte Woche in Berlin geschah. Vor die Moschee einer
       religiösen Minderheit also, die in vielen islamischen Ländern verfolgt
       wird. Was war die Idee? Das sind alles Muslime, wird schon irgendwie
       passen? Es passt nicht.
       
       ## Unkenntnis und Ignoranz
       
       Aus den Protesten sprechen Unkenntnis und Ignoranz. Und dabei geht es nicht
       darum, dass ich mich nicht ausziehen würde, um für meine Ziele zu kämpfen.
       Die Mittel sind das eine, viel wichtiger ist die Frage: Welches Ziel will
       ich mit ebendiesen Mitteln erreichen? Wen will ich mit meinen Angriffen
       treffen?
       
       Und da wird es finster: Eine Femen-Aktivistin wickelte sich in den USA ein
       Handtuch als Turban über den Kopf, hängte sich einen Bart ins Gesicht und
       malte die Brauen zusammen, um dann in Gebetsstellung und barbusig zu
       posieren. Warum? Weil alle Turbanträger Muslime sind? Und
       zusammengewachsene Brauen stehen dann für …? In Paris verbrannten
       Aktivistinnen eine Flagge mit dem islamischen Glaubensbekenntnis vor der
       großen Pariser Moschee. Die Medien stehen drauf.
       
       Und schon vor einem Monat hatten Femen-Aktivistinnen in Schweden den Islam
       zum Thema, damals protestierten sie gegen das Kopftuch und riefen: „Nein
       zum Kopftuch! Das Kopftuch ist keine Wahl!“
       
       Der „Topless Jihad Day“ mag zwar als Solidaritätsakt für Amina Tyler und
       andere Frauen, die sich gegen das islamische Wertesystem auflehnen,
       gestartet sein. Letztlich reiten die Femen-Frauen aber nur erfolgreich auf
       antiislamischen Ressentiments, gebrauchen rassistische und islamophobe
       Stereotype und vor allem: Sie zeigen jenen muslimischen Frauen, die sich
       seit Jahrzehnten für Frauenrechte in islamischen Ländern einsetzen, den
       großen Mittelfinger.
       
       ## Muslimische Feministinnen
       
       Ja, muslimische Feministinnen. Die gibt es. Ein Ding, oder? Mit Kopftuch.
       Ich zähle mich selbst dazu, wenn mir die Damen das gestatten mögen. Nicht?
       Mir auch egal.
       
       Mit ihren provokativen und inhaltsfreien Inszenierungen zeigen die
       Femen-Aktivistinnen, was sie von muslimische Frauenrechtlerinnen halten,
       die tatsächlich an der Basis arbeiten: nichts. Sie sind nicht die Einzigen,
       leider gilt für so manche westliche FeministIn: Was nicht in ihr Bild
       passt, wird auch nicht für voll genommen.
       
       In den vergangenen Tagen protestieren Hunderte muslimischer Frauen, die
       sich von Femen bevormundet fühlten, mit dem Hashtag #MuslimahPride auf
       Facebook, Twitter und anderen sozialen Medien. Sie stellten Bilder von sich
       online mit Plakaten, auf denen „Du brauchst mich nicht befreien, ich bin
       schon frei“ oder „Das Kopftuch ist meine Wahl“ stand.
       
       Auch in Berlin standen nach dem Femen-Protest Musliminnen vor der
       Ahmadiyya-Moschee. Betül Ulusoy, Iniatorin der Aktion, hielt ein Schild
       hoch: „Kämpfe für mich! Lass mich so sein, wie ich es will, nicht so, wie
       du es für richtig hältst.“ Inna Shevchenko, prominente Femen-Aktivistin,
       reagierte darauf in einem Artikel unter anderem mit dem Satz: „Wie ihr
       wisst, haben über die gesamte Geschichte der Menschheit hinweg alle Sklaven
       bestritten, dass sie Sklaven sind.“
       
       Bevormundung und Absprechen des Verstands – war es nicht das, wogegen
       FeministInnen eigentlich kämpfen?
       
       9 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kübra Gümüsay
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Femen
 (DIR) Islam
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Das Tuch
 (DIR) Femen
 (DIR) Femen
 (DIR) Tunesien
 (DIR) Femen
 (DIR) Femen
 (DIR) Femen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Afghanistans neues Scharia-Strafgesetz: Rückkehr zur Steinigung droht
       
       Menschrechtler warnen: In Afghanistan gibt es Pläne, für Ehebruch die
       Todesstrafe durch öffentliches Steinigen wieder einzuführen.
       
 (DIR) Kolumne Das Tuch: Die deutschen Haustürken
       
       Wir haben die Deutungshoheit über unsere Leute. Ich könnte jeden
       Schwachsinn erzählen, ich würde immer Menschen finden, die ihn bereitwillig
       glauben.
       
 (DIR) Muslimische Frauen gegen Femen: „Du brauchst mich nicht zu befreien“
       
       Die Femen-Aktivistinnen protestieren für die Frauenrechte – auch von
       islamischen Frauen. Einige Muslima fühlen sich bevormundet und wehren sich.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Halb erfrorene Hoden
       
       Vergessen Sie die Oben-Ohne-Aktivistinnen von Femen. Die Organisation Hemen
       demonstriert unten ohne.
       
 (DIR) Nacktprotest in Tunesien: Amina fürchtet um ihr Leben
       
       Nachdem sie aus Protest Nacktbilder auf Facebook hochgeladen hatte, war die
       tunesische Aktivistin Amina verschwunden. Nun hat sie sich erstmals wieder
       gemeldet.
       
 (DIR) Nach Moscheeprotest: Femen spaltet Feminismus
       
       Bei einer Diskussion mit der Frauenrechtsgruppe Femen fliegen die Fetzen.
       Selbst „Faschismus“ werfen andere Frauen den Protestlerinnen vor. Lob gibt
       es aber auch.
       
 (DIR) Femen-Bewegung in Tunesien: Nackte Brüste lösen Wut aus
       
       „Mein Körper gehört mir, er ist niemandes Ehre.“ Das schrieb sich eine
       tunesische Schülerin auf ihre Haut. Jetzt wird sie von Salafisten bedroht.
       
 (DIR) Die Femen-Frauen in Deutschland: Inglourious Breasterds
       
       Sie ziehen blank, malen mit Acryl Parolen auf ihre Brüste und schreien
       „Fuck off NPD!“ Die Femen-Frauen sind in Deutschland angekommen.
       
 (DIR) Berliner Femen-Aktivistinnen: „Keine naiven nackten Frauen“
       
       Sie wollen das Patriarchat zerstören, indem sie ihre Brüste zeigen:
       Alexandra Schewtschenko und Theresa Lenoard bauen die Femen-Gruppe in
       Berlin auf.