# taz.de -- taz begutachtet AfD: Streng öffentlich
       
       > Innenministerium und Geheimdienst zögern ein neues AfD-Gutachten hinaus,
       > obwohl die Partei offensichtlich rechtsextrem ist. Lesen die keine
       > Zeitung?
       
 (IMG) Bild: Die taz wartet nun schon seit geraumer Zeit auf das AfD-Gutachten…
       
       Berlin taz | Bisher galt in der AfD der Grundsatz: Wer sich distanziert,
       verliert. Ob Lucke, Petri oder Meuthen – alle Parteichef*innen, die
       sich für Deradikalisierung einsetzten, verließen entmachtet die Partei.
       Oder sie schwenkten auf Fundamentalopposition um: [1][Parteichefin Alice
       Weidel] wollte Höcke einst wegen NS-Nähe ausschließen, mittlerweile nutzt
       sie seinen Kampfbegriff Remigration und nennt Hitler einen Kommunisten.
       
       Anders als die NPD, die sich in ihrem Parteiprogramm offen
       antidemokratisch, rassistisch und NS-verherrlichend positioniert, macht die
       AfD das ein bisschen subtiler. Die Partei bekennt sich offiziell zu
       Grundgesetz und Demokratie, spielt aber zugleich mit rechten
       Kampfbegriffen, die sie dann wieder verharmlost und umdeutet.
       
       Der Partei Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen, [2][ist trotzdem
       möglich], wie Gerichtsurteile immer wieder zeigen. Denn dort zählt nicht
       nur das, was die Partei sich ins Programm schreibt – sondern auch das, was
       ihre Politiker sagen, was sie auf Instagram und Tiktok posten – und wovon
       sie sich eben nicht glaubhaft distanzieren. Hinzu kommt das, was sie in
       internen Chatgruppen und parteiintern als Ziel ausgeben.
       
       Ebenso müssen Gerichte und Behörden sich nicht blind stellen: Der
       völkisch-nationalistische „Flügel“ von Höcke wurde zwar aufgelöst, ist
       aber in der Partei aufgegangen und ideologisch dominant, wie sich gerade an
       der Übernahme des Begriffs Remigration ins Wahlprogramm zeigt. Ähnliches
       deutet sich bei der Neugründung der als gesichert rechtsextrem eingestuften
       Jugendorganisation Junge Alternative an.
       
       ## Warten auf Verfassungsschutz hat schon fast Tradition
       
       [3][Trotz fortgesetzter Radikalisierung] lässt ein neues
       Verfassungsschutzgutachten auf sich warten. Das hat schon fast Tradition.
       Die Beobachtung der AfD bremste lange der ehemalige Behördenchef Hans-Georg
       Maaßen, der sich selbst während und nach seiner Amtszeit mit
       rechtsradikalen Äußerungen als AfD-nah entlarvte. Danach folgte die
       Beobachtung der Partei als eines rechtsextremen Prüffalls und 2021 die
       Hochstufung zum Verdachtsfall. Die AfD klagte erfolglos dagegen.
       
       Der Verfassungsschutz kündigte ein aktualisiertes Gutachten für Ende 2024
       an. Viele rechnen mit einer Hochstufung zur „erwiesen extremistischen
       Bestrebung“. Für einen AfD-Verbotsantrag wäre eine Hochstufung zwingende
       Voraussetzung. Möglich, wenn auch falsch wäre es, die AfD auf Bundesebene
       weiter als Verdachtsfall zu führen. Offiziell ist das Gutachten nicht
       fertig.
       
       Tatsächlich verzögerte sich die Veröffentlichung erst wegen der
       vorgezogenen Bundestagswahl, dann, weil der Posten des
       Verfassungsschutzchefs vakant ist, nachdem Behördenleiter Haldenwang
       unbedingt für den Bundestag kandidieren wollte. Sein kommissarischer
       Nachfolger Sinan Selen gilt als entscheidungsschwach.
       
       Innenministerin Nancy Faeser (SPD) drängt nicht gerade auf eine
       Veröffentlichung, obwohl sogar CDU-Politiker wie Roderich Kiesewetter diese
       mittlerweile lautstark fordern. Ein Problem unter Schwarz-Rot könnte
       Innenminister und CSU-Chef Dobrindt werden – falls er einen Maaßen 2.0 an
       die Spitze des Geheimdienstes setzt und dann wieder die rechte Augenklappe
       aus dem Raum mit dem Aktenschredder hervorgekramt wird.
       
       Die taz hat schon mal vorgearbeitet, streng öffentlich, versteht sich.
       Sechs Punkte, um den Behörden auf die Sprünge zu helfen.
       
       ## Bezüge zu Rechtsterror
       
       Die jüngste Rechtsterrorgruppe mit AfD-Bezügen ist letzten September
       aufgeflogen: Bei den [4][Sächsischen Separatisten] machten auch drei
       AfD-Funktionäre mit. Die arbeiteten nicht nur in Abgeordnetenbüros, sondern
       planten ein nationalsozialistisches Regime sowie ethnische Säuberungen und
       horteten Waffen. Die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete [5][Birgit
       Malsack-Winkemann] ist derzeit als Teil einer Reichsbürger-Gruppe
       angeklagt, die ebenfalls einen gewaltsamen Putsch und mit lokalen Gruppen
       Säuberungen durchführen wollte.
       
       Bezüge zu rechtem Terror sind eine Konstante in der AfD-Geschichte: Die
       2016 für Sprengstoffanschläge verknackte Gruppe Freital traf sich in der
       Bar eines AfD-Mitglieds. [6][Franco-A.]-Komplize Maximilian T. war
       AfD-Gemeinderat und arbeitete im Bundestag. AfD-Leute waren Mitglieder in
       mehreren völkischen Preppergruppen, die sich auf Tag X vorbereiteten. Der
       Mörder von Lübcke war Wahlkampfhelfer und spendete an die AfD. Der
       Hanau-Attentäter sah sich am Abend vor der Tat eine Höcke-Rede an.
       
       ## Verletzung der Menschenwürde
       
       Die AfD verletzt mit ihrer Politik und ihren Forderungen regelmäßig die
       Menschenwürde und damit den ersten Artikel des Grundgesetzes. Sie verletzt
       mit geforderten Pauschalverboten des Minarett- und Moscheebaus die
       Religionsfreiheit, diskriminiert Menschen wegen deren Glaubens,
       Geschlechts, Herkunft und politischer Weltanschauung.
       
       In diesem Punkt fand das Oberverwaltungsgericht Münster die über 10.000
       Seiten starke Belegsammlung des Verfassungsschutzes zur Einstufung als
       Verdachtsfall sehr überzeugend, bestätigte bei Muslimfeindlichkeit einen
       „starken Verdacht“ und gab damit im Grunde einen Freifahrtschein für eine
       Hochstufung als verfassungsfeindlich. Diskriminierende Widerwärtigkeiten
       reichen von „Messermännern und Kopftuchmädchen“ über „Invasoren“ und
       „Eindringlinge“ bis hin zu „Parasiten“ und Islam als „totalitäre
       Ideologie“. Das Gericht nannte diskriminierende Äußerungen gegenüber
       Ausländern und Muslimen eine charakteristische Grundtendenz der Partei.
       
       ## Rassistischer Volksbegriff
       
       Die AfD spricht nicht nur deskriptiv von „Biodeutschen“, sondern verknüpft
       einen rassistischen Volksbegriff mit politischen Zielsetzungen.
       AfD-Politiker reden von „Volkstod“, „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“
       sowie „schleichendem Genozid an der deutschen Bevölkerung“. Sie planten auf
       dem [7][Potsdamer Remigrationstreffen] diskriminierende staatliche
       Maßnahmen gegen Minderheiten. Sie bezeichnen die Fußballnationalmannschaft
       als „nicht mehr deutsch“, fordern gar ein „Wahlrecht nach Abstammung“ und
       nutzen allerhand rassistische Beschimpfungen gegen Nichtweiße.
       
       Zugleich fahren sie eine zweigleisige Kommunikationsstrategie: Erst
       beschließt die AfD Bayern eine Remigrationsresolution gegen den „Niedergang
       autochthoner Völker“, die bestimmten Deutschen die Staatsbürgerschaft
       aberkennen will und „Remigration im Millionenbereich“ fordert. Kurz
       darauf behauptet die AfD-Führung dann, mit Remigration seien Abschiebungen
       vollziehbar Ausreisepflichtiger gemeint – das wären 40.000.
       
       ## Demokratie und Rechtsstaat untergraben
       
       Hier greift die klassische Opfererzählung: Als Höcke mehrfach verurteilt
       wird für die bewusste Verwendung einer verbotenen SA-Parole,
       instrumentalisiert er seine Verurteilung, führt sie auf einen „politischen
       Schauprozess“ zurück und kündigt Vergeltung gegen das Gericht an: „Wenn die
       AfD an der Regierung ist, werden die politischen Schauprozesse
       aufgearbeitet werden, dann wird es wieder eine neutrale Justiz geben.“
       
       In Parlamenten ist die AfD für Obstruktion berüchtigt, etwa im Fall des
       Thüringer AfD-Alterspräsidenten Jürgen Treutler, der bis zum Beschluss des
       Landesverfassungsgerichtshofs die Konstituierung des Parlaments blockierte.
       Danach griff die AfD planmäßig das Landesverfassungsgericht an – immer
       streng nach autoritärem Playbook. Nicht umsonst nennt die AfD [8][Viktor
       Orbán] und dessen zurückgebaute, illiberale Demokratie ein Vorbild. Mit
       weiteren Vorbildern ist die AfD ebenfalls eng vernetzt, ob Russland, China
       oder Broligarchen wie dem Techmilliardär Elon Musk aus den USA.
       
       ## NS-Verharmlosung und Geschichtsrevisionismus
       
       [9][Weidel] behauptete jüngst im Talk mit dem rechtsdrehenden Elon Musk,
       Hitler sei ein Kommunist gewesen. Chrupalla hat ebenso wie Krah unlängst
       die SS verharmlost. AfD-Abgeordnete machen Urlaubsfotos mit Hand auf dem
       Herz an Hitlers „Wolfsschanze“, veranstalten Heldengedenken. Zugleich gibt
       es [10][Angriffe auf zivile Erinnerungsinitiativen und Gedenkkultur.] Ein
       AfD-Kommunalpolitiker bedrohte kürzlich bei einer KZ-Gedenkveranstaltung
       Antifaschisten sogar mit dem Messer.
       
       Die Partei greift auf allen Ebenen und systematisch die Erinnerungskultur
       an, wie es Rechtsextreme seit Jahrzehnten tun. Das zielt natürlich auf
       Schuldabwehr, um sich für mehr Nationalismus freischwimmen zu können.
       Geschichtsklitterung zieht sich wie ein roter Faden durch die
       AfD-Geschichte: vom Ehrenvorsitzenden Gauland, der die NS-Zeit als
       „Vogelschiss“ in der tausendjährigen deutschen Geschichte abtat, bis zu
       Björn Höcke, der vom Holocaustmahnmal als „Denkmal der Schande“ sprach.
       
       ## Gegen Presse- und Forschungsfreiheit
       
       Gender Studies will die AfD abschaffen, theologische Islamstudiengänge
       ebenfalls – Trump lässt grüßen. Ähnliches zeigt sich schon jetzt an der
       Presse- und Meinungsfreiheit: Die AfD schließt immer wieder missliebige
       Journalist*innen aus. Das fängt beim Parteichef Chrupalla an, der in
       seinem Kreisverband [11][schon schwarze Listen über Journalist*innen
       geführt] haben soll. Und es geht weiter in Thüringen, wo neben der taz
       weitere Medien unter fadenscheiniger Begründung von der Wahlkampfparty
       ausgeschlossen wurden.
       
       Ähnliches passierte der taz bereits in Berlin und Bremen. In Thüringen
       wurde der WDR ausgeschlossen, in Bayern ein BR-Reporter. Der klagte sich
       ein und wurde dann von der Security sogar bis zum Klo begleitet. In Sachsen
       wurde ein Lokalreporter der Ostthüringer Zeitung bei einer
       AfD-Veranstaltung [12][beschimpft, geschubst und geschlagen]. Auf AfD-Demos
       kommt es immer wieder zu Angriffen und Anfeindungen.
       
       19 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Lesbische-AfD-Chefin-Alice-Weidel/!6067013
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 (DIR) [7] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
 (DIR) [8] /Proteste-gegen-Regierung/!6075906
 (DIR) [9] /Rechtsextreme-und-Homosexualitaet/!6065658
 (DIR) [10] /AfD-und-Erinnerungskultur/!6058203
 (DIR) [11] https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-bundestagsabgeordneter-wirft-presse-zersetzungsstrategien-vor-4034755.html
 (DIR) [12] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saale-orla/plothen-afd-auto-reporter-beschaedigt-reaktionen-100.html
       
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