# taz.de -- Tiefseebergbau in Norwegen: „Wahnsinn auf hohem Niveau“
       
       > Norwegens Regierung plant, Rohstoffe auf dem Meeresboden abzubauen. Nun
       > konnten Menschen und Verbände ihre Meinung einbringen.
       
 (IMG) Bild: Greenpeace hat Norwegen aufgefordert, vom geplanten Tiefseebergbau in der Arktis Abstand zu nehmen
       
       Härnösand taz | Manche fassen sich kurz. „Das ist Wahnsinn auf hohem
       Niveau“, steht am Anfang der Rückmeldung von Helene Marie Kofoed, die sie
       der norwegischen Regierung gibt. Der Tiefseebergbau in Norwegen könnte das
       ganze Ökosystem im Meer verändern. Ihr Fazit: „Nein zum Bergbau auf dem
       Meeresgrund“. Kofoed, die als Bürgerin die Möglichkeit zur öffentlichen
       Stellungnahme genutzt hat, ist mit ihrer Ablehnung der Regierungspläne
       nicht allein.
       
       Bis vergangenen Donnerstag hatten Privatpersonen, Institutionen, Verbände
       und Organisationen in Norwegen Zeit, ihre Meinung zum geplanten nächsten
       Schritt der Regierung in Richtung Tiefseebergbau abzugeben. Sollen
       kommerzielle Unternehmen schon kommendes Jahr Lizenzen erwerben können, um
       das dafür vorgesehene Gebiet zwischen Norwegen, Grönland und Spitzbergen,
       aufgeteilt in 386 Blöcke, genauer untersuchen zu dürfen?
       
       Auf dem Meeresboden locken einige aus heutiger Sicht unverzichtbare
       Rohstoffe – zum Beispiel Mangan, das bei der Stahlproduktion zum Einsatz
       kommt. Ein Hauptargument der Befürworter des Bergbaus: Diese Rohstoffe in
       Europa zu gewinnen, könnte bedeuten, nicht mehr von anderen Weltregionen
       abhängig zu sein. „Die Welt braucht Mineralien für die grüne
       Transformation“, lautet dementsprechend die Losung des Energieministeriums
       in Oslo.
       
       [1][Im Juni hatte der sozialdemokratische Energieminister Terje Aasland]
       die drei ausgewiesenen Gebiete im Europäischen Nordmeer sowie deren
       Unterteilung in Blöcke bekanntgegeben. Man wolle herausfinden, ob es
       möglich sei, auf nachhaltige Weise Mineralien vom Meeresboden zu gewinnen,
       sagte er dazu. Dabei fallen immer wieder Begriffe wie „nachhaltig“, „unter
       Berücksichtigung von Umweltbelangen“, „schrittweise“, „nach dem
       Vorsorgeprinzip“. Für den grundsätzlichen Plan hatte die
       Minderheitsregierung aus Sozialdemokratischer Arbeiterpartei und
       Zentrumspartei im Januar eine Mehrheit im norwegischen Parlament gefunden.
       
       ## Meeresforschungsinstitut warnt vor Schnellschüssen
       
       Aber politische Gegner, Umweltschutzverbände und Stimmen aus der Forschung
       warnen unermüdlich: Man weiß noch viel zu wenig über die Ökosysteme in der
       Tiefsee, um die Konsequenzen einer Mineralabbau-Aktivität absehen zu
       können. So äußert sich etwa das Havforskningsinstituttet (HI), das nach
       eigenen Angaben größte europäische Institut für Meeresforschung.
       
       „Man muss das Tempo bei der Wissensentwicklung über diese Ökosysteme
       erhöhen – im Verhältnis zu dem Fortschritt der Mineralabbau-Entscheidungen,
       damit die auf wissenschaftlicher Grundlage gemacht werden können“, sagte
       HI-Forscher Frode Vikebø der taz. Es sei zu erwarten, dass man auf dem
       Meeresgrund viele neue, bislang unbekannte Arten findet. Aber selbst mit
       verstärkten Forschungsressourcen würde es Jahre dauern, bis man einen
       Überblick über das Leben dort unten hätte, so Vikebø.
       
       Unter den jetzt zur Lizenzvergabe vorgesehenen Gebieten seien einige, deren
       empfindliche Boden-Ökosysteme bereits kartografiert seien – diese solle man
       nicht freigeben, so der offizielle Rat des Forschungsinstituts in seiner
       Antwort an die Regierung. Außerdem müsse es besonders strenge Regeln für
       die Überwinterungsgebiete des Ruderfußkrebses geben, die als
       [2][Hauptnahrung der Fischbestände] eine Schlüsselrolle spielten.
       
       Die Regierung Norwegens treibt ihre Pläne entgegen dem europäischen Trend
       voran. Zahlreiche andere Länder haben sich von der Idee ganz verabschiedet
       oder zumindest ein Moratorium beschlossen. Und genau das fordert nun auch
       der norwegische Umweltschutzbund „Natur og Ungdom“ in seiner Stellungnahme:
       ein mindestens zehnjähriges Moratorium. Man wisse einfach noch zu wenig,
       schreibt die Organisation.
       
       ## Tiefseebergbau könnte Wale gefährden
       
       Greenpeace ist noch deutlicher: „Die Folgen für den Meeresboden und das
       fragile Ökosystem in der Arktis wären verheerend.“ Greenpeace Deutschland
       und Greenpeace Norwegen hatten im Sommer auf einer Exkursion ins geplante
       Abbau-Gebiet zahlreiche, [3][auch tieftauchende Wale] dokumentiert. Der
       Tiefseebergbau gefährde ihren Lebensraum.
       
       Aus den öffentlichen Stellungnahmen geht ebenfalls hervor: Unternehmen und
       Interessenverbände, etwa aus der norwegischen Öl- und Gasindustrie,
       befürworten die Regierungspläne. Doch auch in diesen zustimmenden
       Statements wird die Bedeutung eines vorsichtigen, nachhaltigen Abbaus
       betont. Wie genau der passieren sollte, bleibt dabei ebenso vage wie in den
       Aussagen der Regierung selbst. Die wird sich nun mit den Rückmeldungen
       beschäftigen, und, wie es üblich ist, darauf reagieren – das dürfte
       allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen.
       
       30 Sep 2024
       
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 (DIR) Anne Diekhoff
       
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