# taz.de -- Sondersitzung zu Magdeburg: Viele Fragen, wenig Antworten
       
       > Zum Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt fanden am Montag zwei Sitzungen im
       > Bundestag statt. Dort haben die Politiker:innen Großes versprochen.
       
 (IMG) Bild: Der Weihnachtsmarkt in Magdeburg zwei Tage nach dem Anschlag: Noch sind viele Fragen offen, wie dazu kommen konnte
       
       Berlin taz | Der Anschlag habe sie „tief ins Herz getroffen“ sagte
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag gleich im Anschluss an
       eine mehrstündige Sitzung des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, der
       sich mit dem [1][Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt] befasste.
       Ihre Gedanken seien bei den Opfern und Verletzten. In der Sitzung sei
       umfangreich berichtet worden, was bereits bekannt sei, sagte Faeser und
       versprach: Es werde „jeder Stein umgedreht.“ Die Ermittlungen liefen weiter
       auf Hochtouren.
       
       Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass noch viele Fragen offen sind. Noch
       ließen die Erkenntnisse „kein klares Bild über das Motiv des Täters zu“,
       sagte Faeser. [2][Der Täter] passe „in kein bisheriges Raster“. Auffällig
       seien die Hinweise auf eine krankhafte Psyche. Man müsse nun die richtigen
       Schlüsse ziehen, wie Hinweise künftig bewertet und zusammengefasst werden
       müssen, um rechtzeitig intervenieren zu können. Dafür brauche es auch
       andere Gefährderprofile – denn hier gehe es um einen psychisch auffälligen
       Täter, getrieben „von wirren Verschwörungstheorien“.
       
       Die Sicherheitspolitiker des Bundestags haben weitere Aufklärungen nach dem
       Anschlag von Magdeburg gefordert. Andrea Lindholz (CSU) forderte einen
       erleichterten Datenaustausch zwischen Behörden und Verschärfungen bei der
       Sicherheit. Allerdings brauche es weitere Aufklärung mit Blick auf die
       genaue Chronologie der Ereignisse von Magdeburg – „der Fall ist nicht
       abgeschlossen, Fragen sind nicht abschließend beantwortet“, so Lindholz.
       
       Die Fragen: Wie konnte es dem [3][Attentäter Taleb A.] gelingen, am Freitag
       vor Weihnachten mit einem Auto auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt zu
       rasen, fünf Menschen zu töten und über 200 Menschen zu verletzen? War das
       Sicherheitskonzept lückenhaft? Warum konnte der Attentäter trotz
       Gewaltandrohungen so agieren, obwohl er [4][den Sicherheitsbehörden bereits
       bekannt war]? Hätte er als Gefährder eingestuft werden müssen?
       
       ## „Es gibt keine Ad-Hoc-Lösung“
       
       Für den SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann sei es vor allem mit Blick
       auf das Sicherheitskonzept eine „bittere Erkenntnis“ gewesen, dass
       teilweise Fahrzeugbreiten frei waren, „die sogar Panzerbegegnungen
       ermöglicht hätten“, wie er sagte. Ebenso sei unverständlich, dass es nicht
       mehr Druck auf den Täter gegeben habe. Allerdings gebe es keine
       „Ad-hoc-Lösung“ – selbst mit Vorratsdatenspeicherung sei die Tat nicht zu
       verhindern gewesen, wie die Generalstaatsanwältin dargestellt habe.
       
       Aus seiner Sicht bleibe die Frage, warum aus bekannten Informationen wie
       Bedrohungen von Behörden nicht mehr gemacht worden sei – vielleicht brauche
       man eine neue Kategorie für die Verfolgung möglicher Gefährder, „weil es
       eben nicht um den typischen Rechtsextremisten ging, den Linksextremisten
       oder Islamisten“, so Hartmann.
       
       Auch die Grüne Irene Mihalic sprach von noch vielen offenen Fragen sowie
       offenkundigen Mängeln im Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarktes. Damit
       müsse sich auch die Politik in Sachsen-Anhalt noch näher beschäftigen,
       sagte Mihalic. Gleichzeitig nannte sie es „pietätlos“, kurz nach einem
       Anschlag daraus Wahlkampfforderungen abzuleiten.
       
       Nach dem Anschlag von Magdeburg waren die Innenpolitiker*innen zu
       zwei mehrstündigen nicht-öffentlichen Sondersitzungen zusammengekommen –
       zunächst im Parlamentarischen Kontrollgremium und danach im Innenausschuss.
       
       Die Fachpolitiker*innen sollten über mögliche Behördenversäumnisse
       aufgeklärt werden. Im Innenausschuss mussten Bundesinnenministerin Nancy
       Faeser (SPD), BKA-Chef Holger Münch und Verfassungsschutz-Vizepräsident
       Sinan Selen Rede und Antwort stehen.
       
       ## Strafanzeigen gegen Verantwortliche
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg jedenfalls ermittelt bereits wegen
       möglicher Versäumnisse bei der Sicherheit. Es liegen mittlerweile drei
       Strafanzeigen gegen Verantwortliche der Stadt, der Polizei, aber auch der
       Gesellschaft zur Durchführung der Weihnachtsmärkte vor.
       
       Laut einem [5][Bericht der Magdeburger Lokalzeitung Volksstimme] sollen
       Sicherheitslücken bereits drei Wochen vor dem Anschlag bekannt gewesen
       sein. Der Redaktion liege eine Mail des Veranstalters an die Polizei vor.
       Darin habe dieser moniert, dass Polizeiwagen „teilweise immer wieder an der
       falschen Position“ gestanden hätten.
       
       Laut Polizei wiederum sei der Veranstalter „grundsätzlich für die
       Sicherheit verantwortlich“ gewesen. Eingesetzte Fahrzeuge seien zwar
       strategisch positioniert gewesen, aber nicht, um Zufahrten dauerhaft zu
       blockieren, sondern um mobile Sperren bei Bedarf schnell errichten zu
       können. Das Sicherheitskonzept soll hingegen „mobile Polizeisperren“
       (sprich: abgestellte Streifenwagen) an neuralgischen Punkten vorgesehen
       haben. Diese sollten bei Bedarf Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungskräfte
       ermöglichen. Eine dieser Zufahrten soll Taleb A. genutzt haben, während ein
       Polizeiwagen 15 Meter entfernt in einer Taxi-Haltebucht gestanden habe.
       
       Hinzu kommt offenbar, dass das Sicherheitskonzept von allen Beteiligten am
       21. November genehmigt wurde – obwohl es nicht in Gänze umgesetzt worden
       sei. So soll [6][eine Stahlkette] an einem Zugang gefehlt haben, ebenso
       seien Betonblöcke zu weit voneinander entfernt gewesen. Die Sprecherin der
       Bundesregierung, Christine Hoffmann, sagte am Montag, dass man vor
       möglichen Konsequenzen zunächst die Ermittlungen abwarten wolle.
       
       ## Söder will „Zeitenwende“ bei der Sicherheitspolitik
       
       Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte bereits vor der
       Sondersitzung eine „Zeitenwende“ bei der Aufrüstung der Sicherheitsbehörden
       und meinte damit Vorratsdatenspeicherung. Der Grüne Sicherheitsexperte
       Konstantin von Notz sagte demgegenüber, es sei zunächst wichtig, dass die
       genauen Zeitabläufe, Informationsflüsse und Verantwortlichkeiten
       aufgearbeitet würden, bevor man eine erneute Debatte um Verschärfungen
       führe.
       
       Martina Renner von der Linken sprach sich gegen in Folge von
       Terroranschlägen „ritualisierte“ Forderungen nach mehr Personal und
       Befugnisse für Sicherheitsbehörden aus. Stattdessen brauche es unter
       anderem Aufklärung zur Gefährdereinstufung des Attentäters und zum
       Sicherheitskonzept.
       
       SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil mahnte, Sicherheitsfragen nicht mit
       Migrationsfragen zu vermischen, forderte aber gleichzeitig selbst, dass
       Asylbewerber, die terroristische Straftaten androhten, das Land verlassen
       müssten. Sahra Wagenknecht (BSW) wiederum klang direkt nach AfD, als sie im
       Zusammenhang mehr Abschiebungen forderte.
       
       Die AfD hatte ihrerseits direkt nach dem Anschlag begonnen, diesen [7][mit
       einer Demo in Magdeburg] für ihre rassistische Agenda zu
       instrumentalisieren – obwohl der Täter online als AfD-Sympathisant auftrat
       und vor einer angeblichen Islamisierung Europas warnte. Nach der extrem
       rechten Mobilisierung in Magdeburg hat die Polizei mittlerweile vier
       offenbar [8][rassistisch motivierte Angriffe] bestätigt.
       
       Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte angesichts
       noch offener Fragen vor „voreiligen Schuldzuweisungen“. Klar sei nur, dass
       Informationsaustausch zwischen Behörden verbessert werden müsse.
       Sachsen-Anhalt wolle dazu eine Initiative im Bundesrat einbringen. (mit
       dpa)
       
       30 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gedenken-an-die-Opfer-von-Magdeburg/!6055475
 (DIR) [2] /Der-Taeter-von-Magdeburg/!6055470
 (DIR) [3] /Der-Taeter-von-Magdeburg/!6055470
 (DIR) [4] /Nach-dem-Anschlag-von-Magdeburg/!6056812
 (DIR) [5] https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/landespolitik/anschlag-weihnachtsmarkt-magdeburg-mail-polizei-sicherheit-standort-streifenwagen-3973737
 (DIR) [6] https://www.welt.de/politik/deutschland/article254993866/Magdeburg-Veranstalter-wies-drei-Wochen-vor-Anschlag-auf-Sicherheitsluecke-hin.html
 (DIR) [7] /Gedenken-an-den-Magdeburger-Anschlag/!6059041
 (DIR) [8] /Nach-dem-Anschlag-in-Magdeburg/!6056534
       
       ## AUTOREN
       
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 (DIR) Jasmin Kalarickal
       
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