# taz.de -- Publizistin über Verschwörungsnarrative: „Es muss Konsequenzen für Lügen geben“
       
       > Rechte Politiker*innen arbeiten mit Verschwörungserzählungen. Welche
       > Narrative die Demokratie aktuell am stärksten gefährden, erklärt
       > Katharina Nocun.
       
 (IMG) Bild: Mit Lügen an die Macht: Donald Trump bei einem Gespräch mit Reportern in der Air Force One am 4. Mai 2025
       
       taz: Frau Nocun, viele halten Verschwörungstheoretiker:innen für
       psychisch krank. Gibt es wirklich einen Zusammenhang? 
       
       Katharina Nocun: Psychische Erkrankungen sind bei Menschen, die an
       Verschwörungserzählungen glauben, nicht unbedingt häufiger anzutreffen. Ich
       finde es falsch, beides gleichzusetzen, weil es die Stigmatisierung
       psychisch Kranker aufrecht erhält. Auch dass Betroffene „dumm“ seien, ist
       ein Irrglaube. Es gibt zwar eine Korrelation zwischen einem niedrigen
       Bildungsabschluss und Verschwörungserzählungen. Aber das Problem zieht sich
       durch die gesamte Bevölkerung.
       
       taz: Warum sprechen Sie von Verschwörungserzählungen statt -theorien? 
       
       Nocun: Eine wissenschaftliche Theorie sollte immer offen für Falsifizierung
       sein. Hier wird jedoch alles abgestritten, was nicht ins eigene Weltbild
       passt.
       
       taz: Wie erreicht man jemanden, der alles abstreitet? 
       
       Nocun: Auf der Sachebene ist das bei stark radikalisierten Menschen schwer,
       weil diese zum Beispiel irgendwann Wissenschaft und seriöse Medien für
       „gesteuert“ halten.
       
       taz: Manche finden, man sollte gar nicht mehr mit diesen Menschen sprechen. 
       
       Nocun: Ich glaube, dass wir eine rote Linie ziehen müssen, wer in Talkshows
       nichts mehr verloren hat. Es muss Konsequenzen für Lügen geben. Das private
       Umfeld kann aber durchaus noch an sie herankommen. Es kann helfen, einen
       Schritt zurückzugehen: Warum ist die Erzählung attraktiv für die Person?
       
       taz: Worin liegt der Reiz? 
       
       Nocun: Gerade bei Kontrollverlust, in Krisen, sind Menschen anfälliger.
       Geschichten von einem großen Plan sind beruhigend. Kontrollverlust kann
       auch durch ökonomische Unsicherheit entstehen. Ganz platt gesagt: Wer wenig
       Rücklagen hat, für den bedeutet eine kaputte Waschmaschine Kontrollverlust.
       
       taz: Die Erzählungen bieten dann einen Ausweg? 
       
       Nocun: Sie sind auch Heldengeschichten. Sie versprechen Aufwertung und
       Selbstwirksamkeit.
       
       taz: Auch Politiker:innen greifen auf Verschwörungserzählungen
       zurück. Welche gefährden unsere Demokratie aktuell am meisten? 
       
       Nocun: Extreme Rechte nutzen diverse Verschwörungserzählungen, um das
       Vertrauen in die Demokratie auszuhöhlen. Da gibt es zum Beispiel die
       Erzählung, dass die Bevölkerung durch insgeheim gesteuerte Migration
       „ausgetauscht“ werden solle. Die islamfeindliche Organisation Pegida war
       zum Beispiel fundamental damit verbunden, auch der AfD-Ehrenvorsitzende
       Alexander Gauland sprach davon. Außerdem ist es unglaublich praktisch für
       Autoritäre, mit solchen Narrativen Medien und Wissenschaft anzugreifen.
       Wer einen kritisiert oder Faktenchecks macht, ist eben Teil der
       Verschwörung. Wir sehen ja in den USA, in welche Richtung das geht.
       
       taz: Stichwort „[1][Fake News]“… 
       
       Nocun: Mit Donald Trump haben wir einen Präsidenten, der nach wie vor seine
       letzte Wahlniederlage nicht anerkennt. Das greift ja wirklich das Herz der
       Demokratie an. Auch das schon von deutschen Medien übernommene Narrativ
       eines [2][angeblichen „Deep State“], also einer geheimen Machtstruktur
       innerhalb des Staates, macht mir extreme Sorgen.
       
       taz: Kurz nach Trumps Wiederwahl ließ Meta-Chef Mark Zuckerberg [3][den
       Faktencheck auf seinen Plattformen abschaffen]. 
       
       Nocun: Ich finde es beschämend, wie wenig Geld von einem Milliardenkonzern
       in Maßnahmen gesteckt wird, um gegen Desinformationen und Bedrohungen
       vorzugehen und Schäden ihres Geschäftsmodells zu minimieren.
       
       taz: Sind Verschwörungserzählungen durch Social Media schlimmer geworden? 
       
       Nocun: Wir externalisieren gerne unangenehme Dinge auf Technik: Der Mensch
       ist gut, die Technik schlecht. Wir müssen uns klar machen, dass schon in
       der NS-Zeit antisemitische Verschwörungserzählungen systematisch genutzt
       wurden, um den Holocaust zu legitimieren. [4][Soziale Netzwerke sind
       Brandbeschleuniger], aber Verschwörungserzählungen sind kein
       ausschließliches Phänomen des Internets.
       
       14 May 2025
       
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