# taz.de -- Oberbürgermeister hilft Fußballverein: Der Traum vom Aufstieg
       
       > Sollen Städte Fußballstadien für ihre Profi-Vereine bauen, oder müssen
       > die Vereine das selbst hinbekommen? In Oldenburg ist das die Frage.
       
 (IMG) Bild: Das alte Stadion steht den Aufstiegsträumen im Weg
       
       Oldenburg taz | In Oldenburg, 170.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten, steht
       in diesen Tagen eine Entscheidung an, die Großes bewirken wird. Fragt sich
       nur, ob es gutes Großes wird oder ein Desaster.
       
       [1][Ein neues Fußballstadion soll gebaut werden]. Eine Arena, wie man heute
       sagt, weil Stadion so brav klingt, nach Breitensport, nach
       Bundesjugendspielen, nach Amateuren, nach Marschweg-Stadion. So heißt in
       Oldenburg das städtische Stadion, das nun endlich überwunden werden soll.
       Es hat zwar 15.000 Zuschauerplätze, es mangelt ihm aber an allem, was ein
       Stadion braucht, damit dort Profifußball stattfinden kann, auch wenn es nur
       die 3. Liga ist. Rasenheizung und Flutlicht zum Beispiel, aber vor allem
       hat dieses Marschweg-Stadion eine Leichtathletiklaufbahn. Die tote Zone
       zwischen Rasen und Tribünen, die alles schluckt, was an Emotionen von da
       nach dort und zurück fließen kann.
       
       Arena klingt nach Profis, nach Spielen auf höchstem Niveau. Die [2][Allianz
       Arena], das rot leuchtende Wunderwerk am Stadtrand von München, heißt ja
       auch nicht Allianz Stadion. Eine Arena, so was wollen sie in Oldenburg
       auch.
       
       2022 war die Diskussion um einen Neubau [3][in Gang gekommen], nachdem der
       VfB Oldenburg, nach 25 Jahren, in den Profifußball zurückgekehrt war,
       Aufstieg aus der Regionalliga in die 3. Liga. Zwar stieg die Mannschaft
       direkt wieder ab, aber Erinnerungen wurden wach an einstige Größe,
       verbunden mit dem legendären [4][Donnerschweer Stadion], ein reines
       Fußballstadion, mitten im Wohngebiet. Da konnte man den Spielern auf die
       Schulter klopfen, bevor sie eine Ecke traten. Weil der Verein Anfang der
       1990er Jahre pleite war, musste er sein Stadion verkaufen.
       
       Heute steht dort ein Supermarkt mit Parkplatz, und die Stadt beherbergt den
       Verein in ihrem Marschweg-Stadion, das die genannten Unzulänglichkeiten
       aufweist und eh nie an die legendäre Heimstatt herankommt, die „[5][Hölle
       des Nordens]“, die in der Rückschau immer legendärer wird. Nach dem
       Aufstieg sah die „Initiative Nordweststadion“ ihren Moment gekommen, zumal
       der Oberbürgermeister – Jürgen Krogmann von der SPD – Fußballfan ist und
       seither vehement für den Neubau wirbt.
       
       Hätten die Oldenburger 2021 nicht Krogmann gewählt, sondern den parteilosen
       [6][Daniel Fuhrhop], der in der Stichwahl nur mit 6.544 Stimmen dem
       Amtsinhaber unterlag, dann würden sie sich jetzt im Rat verschärft der
       Verkehrswende widmen und daran gehen, die autogerechte Stadt zu
       überwinden.
       
       Und selbst bei Krogmann spielte das Stadion im Wahlkampf gar keine Rolle,
       weil der VfB da noch in Liga vier spielte. Als die VfB-Fans nach dem
       Aufstieg 2022 an die Rathaustür klopften, schwenkte er um. Endlich, eine
       Idee für seine zweite Amtszeit!
       
       Der politische Leitspruch, der über dem Rathausportal in Stein gehauen ist,
       lässt sich aber wirklich auch nur schwer entziffern: [7][„Erst wäg’s, dann
       wag’s.“]
       
       ## Stadion oder Hortplätze?
       
       Kann sich eine Stadt heutzutage den Bau eines Fußballstadions leisten? Soll
       sie es? Wo doch so viele Aufgaben anstehen: Wohnraum schaffen,
       Verkehrswende hinbekommen, Schulen sanieren, Gebäude dämmen,
       Klimaneutralität bis 2035, Hortplätze. Kostet alles Geld – wie ein
       Stadion. Nur dass ein Stadion – je nach Liga – pro Saison für um die 18
       Spiele genutzt wird und nsonsten stumm dasteht, abgesehen von
       Nebennutzungen, die aber eben nur Nebennutzungen sind.
       
       Mit 47,1 Millionen kalkulieren sie in Oldenburg für einen Bau nahe dem
       Hauptbahnhof, der eher ein Arenachen sein wird mit nur 7.500 Plätzen, die
       Variante mit 10.000 Plätzen soll etwas über 50 Millionen kosten. Und wer
       weiß, was noch an Betriebs- und Unterhaltskosten hinzukommt.
       
       Nicht nur in Oldenburg soll ein Stadion gebaut werden, auch anderswo
       überlegen sie: i[8][n Ulm], [9][in Kiel], immer wieder stehen Städte vor
       solchen Entscheidungen. Weil es bei ihnen einen Fußballverein gibt, der –
       wie in Oldenburg der VfB, in Ulm der SSV – eine gewisse Tradition hat und
       aus einer (wenn auch nur regional verorteten) legendären Geschichte
       schöpfen kann, und weil dieser Verein eines Tages in den Profifußball
       zurückkehren könnte. Wenn er dann kein profiligataugliches Stadion hat,
       dann könnte er in seiner Stadt nicht spielen oder nur ausnahmsweise.
       
       Die harten Bedingungen des Deutschen Fußball-Bundes an so ein Stadion und
       die Ambitionen von Vereinen, die kein Geld haben, stoßen da aufeinander,
       und dann überlegt sich die Stadt, ob sie nicht „dem Profifußball eine
       Perspektive bieten“ soll, wie sie es in Oldenburg so schön sagen.
       
       Das ist das Dilemma. Ein Stadion bauen mit Steuergeld für einen Verein, der
       vielleicht mal wieder aufsteigt und dann ein Stadion braucht, oder es
       lassen, weil: Warum sollte eine Stadt einem Verein so was finanzieren?
       
       Am 15. April wird die Frage geklärt, dann tritt der Rat der Stadt Oldenburg
       zusammen und stimmt darüber ab. Um es vorwegzunehmen: Er wird ziemlich
       sicher für den Bau eines Stadions stimmen. Alle sind dafür, bis auf die
       Grünen und die Ratsfrau Vally Finke, die neulich aus der SPD-Fraktion
       ausgestiegen ist. Wegen des Stadions und des vielen Geldes, das dafür da
       sei, wo doch andererseits, wie sie dargelegt hat, die Fahrpreise des
       städtischen Busunternehmens erhöht werden sollten.
       
       Also, Oldenburg wird ein neues Stadion bekommen, aber noch mal abklopfen,
       ob es so sinnvoll ist und wie in anderen Städten darüber gedacht wird, kann
       man ja trotzdem.
       
       Frage an den Oberbürgermeister: Ist das Risiko nicht zu groß, ein
       profiligataugliches Stadion zu bauen, damit es da ist, falls es mal einen
       Verein gibt, der es benötigt?
       
       ## Perspektivisch hochklassig
       
       Sein Sprecher verweist aufs untaugliche Marschweg-Stadion. Er nennt die oft
       vernommene Begründung, „ohne neues Stadion wäre also perspektivisch
       hochklassiger (Profi-)Fußball in Oldenburg nicht möglich“, dann folgt ein
       längerer Absatz, der recht entlarvend ist:
       
       „Die Stadt Oldenburg ist das Zentrum im Nordwesten Deutschlands und bietet
       ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie den Besucherinnen und Besuchern ein
       breites, buntes und vielfältiges Angebot (…). Sie hat für viele Menschen
       eine Sogwirkung und wächst seit Jahrzehnten beständig. Vor diesem
       Hintergrund muss auch die Frage nach einem Fußballstadion gestellt werden,
       das für die nächsten 50 Jahre gebaut und die Attraktivität Oldenburgs noch
       einmal steigern würde. Der aktuelle Tabellenstand oder die
       Ligazugehörigkeit eines Vereins kann dabei nur eine untergeordnete Rolle
       spielen. Mit dem VfB Oldenburg gibt es in der Stadt aber einen Verein, der
       auf eine lange Tradition, auch im höherklassigem Fußball, zurückblicken
       kann und der immer wieder auch Ziele im Profifußball verfolgt. Insofern
       relativiert sich das angesprochenen Risiko.“
       
       Ein Fußballstadion, weil das einfach zu so einer Stadt dazugehört und weil
       der VfB noch Ziele hat.
       
       Hatte nicht die Stadtkämmerin erst im Dezember 2023, [10][wie es auf der
       Homepage der Stadt Oldenburg heißt], „mahnende Worte“ an den Rat gerichtet,
       man müsse „in den nächsten Jahren“ von „steigenden Defiziten in
       zweistelliger Millionenhöhe ausgehen“ und deshalb „das Portfolio an
       Aufgaben und Dienstleistungen kritischer denn je“ analysieren?
       
       Der Stadtsprecher beschwichtigt: Die Kämmerin habe das gesagt, als sie im
       Rathaus von einem „defizitären Jahresergebnis 2023 und hohen Defiziten in
       den Folgejahren“ ausgingen. Dann habe man 2023 doch „mit einem
       zweistelligen positiven Millionenbetrag“ abgeschlossen und auch für 2024
       sei die Prognose „deutlich besser als geplant“.
       
       Nächste Frage: Sollte eine Stadt überhaupt „dem Profifußball eine
       Perspektive verschaffen“? Und sollte eine Stadt dann vielleicht auch zum
       Beispiel ein Musicaltheater bauen, weil es auch dafür irgendwann mal Bedarf
       geben könnte?
       
       „Fußball ist Sportart Nr. 1 und mit Musicaltheater nicht vergleichbar“,
       schreibt der Stadtsprecher.
       
       Da will jemand dieses Stadion unbedingt. Als Bürger einer Stadt würde man
       sich ein Stadtoberhaupt ja wünschen, das so eisern für eine Sache eintritt.
       Es müsste halt nur eine gute Sache sein.
       
       Anruf bei Jürgen Schwark, Professor am Institut für empirische Wirtschafts-
       und Sozialforschung der Westfälischen Hochschule in Bocholt, Dozent an der
       Deutschen Sporthochschule in Köln, Fachgebiet BWL, insbesondere Sport-,
       Freizeit- und Kulturmanagement. Weil ihn das Thema interessiert, hat er aus
       freien Stücken ein Gutachten verfasst, das der [11][Oldenburger
       Bürgerinitiative „Kein Stadionbau“] sehr zupasskam. Schwark sagt, eine
       Stadt habe sich mit freiwilligen Leistungen am Non-Profit-Sektor zu
       orientieren. Ein Fußball-Unternehmen wie die VfB Oldenburg Fußball GmbH
       müsse sich selber finanzieren. Niemand käme etwa auf die Idee, dass eine
       Stadt einem kommerziellen Musical- oder Kinobetreiber „kostenlos den
       Gebäudekomplex baut und jährlich den Unterhalt zahlt“.
       
       ## Den Profifußball zu finanzieren
       
       Die Stadionfans und auch der Oberbürgermeister entgegnen dann gerne, die
       Stadt subventioniere auch das Staatstheater in Oldenburg. Weil nicht jeder
       ins Theater geht, müsse man zusätzliche Angebote schaffen.
       
       Ein bestehendes öffentliches Theater ist kein privatwirtschaftliches
       Unternehmen, sagt Schwark. Deshalb ist es Aufgabe von Stadt und Land, es zu
       finanzieren.
       
       Und wenn der VfB Oldenburg in die 3. Liga aufsteigt, soll die Stadt dann
       sagen: Eure Sache?
       
       Schwark: „Das Prozedere ist doch denkbar einfach. Der Profifußball
       investiert eigene Mittel, versucht Kredite bei Banken zu bekommen,
       akquiriert Sponsoren, eventuell auch Mäzene und begibt eine Fananleihe.
       Dann schauen sie sich den Gesamtbetrag an und entscheiden, ob das für die
       erfolgreiche Teilnahme an einer Profiliga mit hoher Konkurrenz reicht. Wenn
       nicht, fehlt es an Leistungsfähigkeit und sie lassen besser die Finger
       davon. In der niedersächsischen Landesverfassung steht zwar ‚Das Land, die
       Gemeinden und die Landkreise schützen und fördern Sport‘. Flächendeckend
       Profifußball zu finanzieren ist damit definitiv nicht gemeint.“
       
       Genau so sagt es auch Gerhard Semler, der bei der Stadt Ulm das Amt für
       Bildung und Sport leitet. Ulm, wo der Drittliga-Aufsteiger SSV unbedingt
       ein profitaugliches Stadion bräuchte, viel dringlicher als der VfB
       Oldenburg, [12][weil die Ulmer vielleicht schon kommende Saison in der 2.
       Liga spielen könnten.]
       
       Semler ist zuerst ziemlich baff, als er hört, dass die Stadt Oldenburg ein
       Stadion komplett finanzieren möchte. Dann sagt er: „Wir haben eine
       großzügige Sportförderung, aber wir haben auch die Regelung, dass wir den
       Profisport finanziell nicht fördern. Wir sind zwar keine arme Stadt, aber
       so reich sind wir nicht, dass wir dem Profifußball ein Stadion hinstellen.“
       Wenn eine Stadt alle Schulen und Kitas und Brücken in Ordnung habe und dann
       noch Geld übrig sei, dann könne sie über so ein Bauvorhaben nachdenken. Und
       Semler würde es selbst dann nicht verantworten wollen.
       
       Die Baukosten im Verhältnis zur Zahl der Zuschauerplätze findet er auch
       ganz schön happig – „wo wollen die denn die Einnahmen zur Refinanzierung
       generieren?“
       
       Der VfB Oldenburg zahlt Miete.
       
       Aber was, wenn der Verein dauerhaft unterklassig spielt und sich das nicht
       mehr leisten kaum, fragt Semler.
       
       In Oldenburg denken sie an Konzerte und VIP-Bereiche, die vermietet werden,
       um Erlöse zu erzielen, über die Fußballspiele hinaus. Wobei es auch schon
       VIP-Bereiche nebenan in der ebenfalls städtischen Weser-Ems-Halle gibt, wo
       die Bundesliga-Basketballer EWE Baskets spielen. Konzerte gibt’s da auch.
       Kommen wegen eines zusätzlichen Standorts mehr Bands oder VIPs nach
       Oldenburg?
       
       In Ulm, sagt Semler, investieren sie gerade rund 280 Millionen Euro in
       Sanierung und Neubau von insgesamt 11 Schulen und Kitas. Semler findet,
       dass so was die erste Aufgabe einer Stadt ist. Die Kosten für die
       Rasenheizung, die sie ins Donaustadion einbauen lassen, lassen sie sich vom
       SSV Ulm zurückzahlen – „und zwar eins zu eins“.
       
       Eine Frage wurde in Oldenburg noch kaum gestellt: Gibt es genug Sponsoren,
       die den VfB in die Profiliga tragen und dort etablieren könnten? Zwar ist
       an der VfB Oldenburg Fußball GmbH ein reicher Oldenburger beteiligt, aber
       der ist nicht so reich, dass er den Verein durchfinanzieren könnte. Bleiben
       lokale Player wie der Energiekonzern EWE, ein Autozulieferer, Banken, eine
       Versicherung, Cewe, bekannt für Fotoalben und -kalender.
       
       Es wird nicht genug da sein für alle: die Bundesliga-Handballerinnen vom
       VfL, die Bundesliga-Basketballer der EWE Baskets und die Fußballer. Und wer
       weiß, ob die EWE, die den größten Batzen zu vergeben hat, nicht irgendwann
       die Lust an den Basketballern verliert, weil selbst Drittliga-Fußball
       attraktiver ist.
       
       Der Sprecher des Oberbürgermeisters stellt die Gegenfrage: „Halten Sie es
       für ausgeschlossen, dass ein Traditionsverein wie der VfB angesichts von
       bundesweiter Wahrnehmung im Falle einer Drittliga-Zugehörigkeit nicht auch
       für überregionale Sponsoren interessant sein könnte?“
       
       Bleibt die Frage, was der VfB Oldenburg zum Stadionbau sagt. „Wir freuen
       uns sehr darüber, dass der Stadtrat positive Signale gesendet hat und so
       die Aussicht besteht, dass ein für Profifußball taugliches Stadion gebaut
       wird.“ Als Ankermieter stehe man gerne zur Verfügung.
       
       Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hatten wir die
       kalkulierten Baukosten für das Stadion in Oldenburg nicht ausreichend
       präzise angegeben. Das haben wir korrigiert.
       
       7 Apr 2024
       
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